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Streit um Fetisch beim CSDSicherer als Blümchensex

Beim Bremer CSD sollten Fetisch-Darstellungen verboten werden. Unser Autor erklärt, warum ihm das Tragen von Hunde- und Gasmasken Sicherheit gibt.

Das alter Ego unseres Autors: Crash Foto: privat

Das Darstellen von Fetischen in der Öffentlichkeit finden wir nicht hilfreich, wenn wir bei der gleichen Demonstration und Kundgebung über Themen wie Asylrecht, Trans*­Rech­te oder queere Krankenversorgung sprechen möchten“ – das stand bis vor Kurzem auf der Internetseite des CSD Bremen. Das mit dem Fetisch steht jetzt nicht mehr da, dank des lauten Protests von Fe­ti­schis­t*in­nen und derjenigen, die Fetischpraktiken ausüben, aber nicht darauf angewiesen sind, um sexuelle Erfüllung zu erlangen.

Ich bin einer von ihnen und ich liebe es, eine Hundemaske aus Neopren aufzusetzen. Ich gehöre zu den sogenannten Puppyplayern, also zu den Menschen, die gerne einen jungen Hund spielen.

Ich trage dazu normale Straßenkleidung, ein Lederharness, Sportkleidung oder auch komplett Gummi, dazu Sneaker oder Stiefel und Socken – am besten die mit der aufgestickten Hundepfote. Viele dieser Dinge sind oft einzeln schon ein Fetisch, in Kombination sind sie es erst recht. Auf dem Anhänger an der Kette oder am Halsband steht der Name meines Alter Egos: Crash.

Manchmal trage ich auch eine Gasmaske oder ein Spidermankostüm – Hauptsache, ich kann mein Gesicht dahinter verbergen. Als Crash kann ich mich verlieren, in den jungen Hund, der keine Verantwortung tragen muss. Ich kommuniziere mit Bellgeräuschen oder mit Mhmm-Lauten, die meine Gasmaske noch zulässt. Ich lasse mich in die jeweilige Rolle fallen.

Befreit von Vorurteilen

„Du kannst dich doch auch ohne das Ganze fallen lassen“, werden jetzt einige Le­se­r*in­nen denken, aber so einfach ist es nicht. Ich bin ein schwuler Mann, auf dem Dorf groß geworden und voller internalisierter Homofeindlichkeit. Sexuell war ich lange sehr verklemmt, alle Vorurteile über schwule Männer kamen mir immer wieder ins Gedächtnis, wenn ich mit einem Mann Sex haben wollte.

Sie haben mich gehemmt, meine Bedürfnisse zu kommunizieren und mich auszuprobieren. Mit einer Maske vor dem Gesicht, mit einer anderen Identität, bin ich frei von meinen eigenen Vorurteilen und habe ein erfüllendes Sexleben, in dem ich meine Wünsche mitteilen und Fantasien ausleben kann und darf. Der Fetisch befreit mich von den Vorurteilen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Ich habe einen Weg gefunden, meine sexuellen Bedürfnisse auszuleben. In einem Rahmen, in dem jedes Mal neu verhandelt wird, wer was mit wem macht. Ein Rahmen, der auf Augenhöhe ausgehandelt wird und auch dann gültig bleibt, wenn ich gefesselt irgendwo rumliege und bespuckt werde. Der richtige Laut und es hört sofort auf. Ich fühle mich dabei sicherer, als wenn ich mit einem Mann Blümchensex habe. Der Fetisch gibt mir Sicherheit.

Innerhalb der queeren Communitys kämpfe ich wie in der Cis-hetero-Mehrheitsgesellschaft gegen Vorurteile und Falschannahmen. Ich sorge für Irritation und es ist sicherlich manchmal schmerzhaft zu reflektieren, dass die Irritation durch eigene Vorurteile entsteht.

Wenn ich auf dem CSD bin, will ich allen zeigen, wer ich wirklich bin. Auf Demonstrationen oder Kundgebungen streite ich mit den anderen queeren Communitys zusammen für Asylrecht, Trans*­Rech­te und queere Krankenversorgung. Es geht schließlich um uns.

Jascha Urbach, 40, lebt in Berlin. Wenn er nicht gerade in der queeren Szene für Unruhe sorgt, macht er sich für HIV-positive Menschen stark. Er twittert unter @herrurbach und hat seit Neuestem wieder einen Blog unter https://tomate.su

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4 Kommentare

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  • Ok. Das Anliegen des Autoren habe ich verstanden. Nur, warum will er meine Grenze nicht akzeptieren? Mich traumatisieren explizite Darstellungen von Sex mit Hundemaske und das nicht nur in der Öffentlichkeit.

  • Ich finde es toll, dass Stephan Urbach sich so persönlich erklärt und kann seine Beschreibung gut nachempfinden.

    Die Motivationen sind sehr sehr individuell, und haben nach meinen Beoobachtungen keinen zwangsläufigen Zusammenhang zu bestimmten Praktiken.

    D.h. wenn Menschen das gleiche tun oder mögen laufen mglw völlig verschiedene Filme in den Köpfen - oder Menschen mit ähnlichem Seelenleben agieren es völlig verschieden aus.

    Deshalb sind auch die üblichen Klischees über BDSM Praktizierende Unfug.

    Viele von "uns" suchen nach Gründen, auch weil wir häufig von Vanillas in einer Weise gefragt werden, die "Unnormalität" unterstellt.

    Nicht immer sind die gefundenen Erklärungen richtig. Häufig sind die Erkenntnisse nicht angenehm, weil sie die Beschäftigung mit persönlichen Defiziten erfordern.

    Zum Thema wird es aber eigentlich, weil die persönliche Umsetzung mit Sexualität verknüpft wird. Andere Menschen verarbeiten die gleichen Dinge nicht-sexuell. Über Hobbys, über Jobs, über Sport oder Engagement in Verein, Partei oder ähnliches.

    Ich habe über BDSM viele ganz wunderbare Menschen kennengelernt, die sehr "bei sich" sind, die ihre internen "Dämonen" sehr genau kennen und tolle Wege gefunden haben, diese Dämonen zu satteln und auf ihnen auszureiten.

    Ganz wichtig dabei ist die Sicherheit, die Stephan erwähnt, und die mMn ein wichtiger Beitrag der BDSM community ist: Sich über eigene Wünsche, Bedürfnisse, Grenzen klar werden, Absprachen treffen, kommunizieren, Abbruchmöglichkeiten haben. Und eine grundsätzliche Offenheit haben, dass es letztlich nicht um die Praktiken geht, sondern was im Seelenleben der Beteiligten passiert.

  • Ganz interessant, mal zu lesen, warum Menschen das machen. Die Gesellschaft erzeugt also quasi den Fetisch, bzw. die Notwendigkeit dafür?

    Das ist traurig und gibt einem zu denken - so habe ich das noch nie betrachtet.

    -> Mach, womit du dich wohlfühlst, Kumpel.

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Es gab immer schon dieses Element der Artigkeit unter uns Schwulen: Was sollen bloß die anderen von uns denken, wenn wir nicht so sind, wie diese uns gerne hätten? Da sind wir nicht anders als die vielgeschmähten Normalos. Jede Minderheit - und jeder ist Minderheit, Normalität ist Fiktion - braucht wieder ihre Minderheit, die sie ausgrenzen kann. Also: Trag was Du willst, aber jammere nicht und vor allem, rechtfertige Dich nicht dafür. Wer sich rechtfertigt, gibt denen recht, die sich für normal halten.