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Repressionen in BelarusNächster Schlag

Das Regime geht erneut gegen Kri­ti­ke­r*in­nen vor. Das Muster ist immer gleich. Erst finden Razzien, dann Festnahmen statt. KGB spricht von Säuberung.

Ak­ti­vis­t*in­nen in Kiew fordern Anfang Juni die Freilassung von Regimkritikern in Belarus Foto: Gleb Garanich/reuters

Kiew taz | Es sind schwarze Tage, die belarussische Menschenrechtler*nnen, Ak­ti­vis­t*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen durchleben. Dutzende von ihnen wurden Anfang dieser Woche Opfer von Hausdurchsuchungen und wenig später verhaftet. Unmittelbar nach der Rückkehr von Machthaber Alexander Lukaschenko aus St. Petersburg, wo er sich am Dienstag mit Wladimir Putin getroffen hatte, verschärfte sich die Situation am Mittwoch erneut.

Die Liste der betroffenen Personen und Organisationen liest sich wie ein Who is Who der belarussischen Zivilgesellschaft. Seit Mittwoch Vormittag antwortet der Vorsitzende der belarussischen Menschenrechtsorganisation „Wjasna“, Ales Bialiatski, nicht mehr auf Anrufe. Er war 2020 ein Träger des alternativen Nobelpreises.

Auch Walentin Stefanowitsch und Wladimir Labkowitsch von „Wjasna“ wurden festgenommen, berichtet die Nachrichtenagentur Belapan. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Journalisten und Menschenrechtler Sergej Sys und den in Hrodno lebenden Menschenrechtler Viktor Sasonow.

In den vergangenen Tagen waren wieder einmal Jour­na­list*nnen nichtstaatlicher Medien Opfer der Repressionen. Am Montag hatte Anna Strelchenko, Buchhalterin des Homeler Portals „Die starken Nachrichten“, Besuch von der Polizeifahndung bekommen. Die Brester Photographin Olga Latyschewa berichtete am Dienstag auf Twitter von einer laufenden Hausdurchsuchung und einem „prophylaktischen Gespräch“ der Polizisten mit ihr. Wenige Stunden gab sie, wieder über Twitter, Entwarnung. „Sie haben mich gehen lassen.“

Smartphone beschlagnahmt

Ähnlich erging es der Herausgeberin der Brester Zeitschrift Binokel, Darja Geratschtschenko. Nach einer Hausdurchsuchung wurde sie verhört und ihr Smartphone beschlagnahmt. Auch die Büros des „Belarussischen Helsinki-Komitees“, der Gruppe „Gender-Perspektiven“ und der belarussischen Journalistenvereinigung waren durchsucht worden.

Gegenüber dem staatlichen Fernsehkanal „Belarus 1“ sprach KGB-Sprecher Konstantin Bytschek von „groß angelegten Aktionen zur Säuberung von radikal gesinnten Personen“. Man führe „unaufschiebbare Ermittlungen und andere prozessuale Maßnahmen, einschließlich Hausdurchsuchungen und Festnahmen durch. Ziel dieser Maßnahmen sei es, herauszufinden, ob die betroffenen Personen verbrecherische Handlungen begangen hätten, zitiert Belapan den KGB-Vertreter.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung verurteilt die Menschenrechtsorganisation „Wjasna“ die „Angriffe auf Menschenrechts- und andere gesellschaftliche Organisationen“. Das tatsächliche Motiv der Verfolgung sei der Kampf der Menschenrechtler für Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Menschenrechte und demokratische Werte, gegen Folter und menschenunwürdige Behandlung. „Wir erklären, dass wir unsere Aktivitäten für die Einhaltung der Menschenrechte nicht einstellen werden“, heißt es in der Erklärung.

Insgesamt, so Belapan, sind in den letzten Tagen 19 MedienvertreterInnen und AktivistInnen verhaftet worden. 14 Medien mussten eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, in vielen Fällen wurde wichtige Bürotechnik beschlagnahmt.

Unter den Betroffenen sind das Portal „Nascha Niva“, Intex-Press in Baranowitschi, Media-Polesye aus Pinsk, die „Brester Zeitung“, die „Starken Nachrichten“ (Gomel) und onliner.by. Gegenüber Wladimir Putin hatte sich Alexander Lukaschenko am Dienstag in St. Petersburg über die „sogenannten westlichen Medien“ beklagt, die nicht Demokratie, sondern Terror brächten, zitiert die Nachrichtenagentur Belapan Lukaschenko. „Aber Wladimir Wladimirowitsch“ so Lukaschenko zu Putin, „das ist für uns keine Katastrophe. Wir werden damit fertig.“

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2 Kommentare

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  • Ergänzung: zu dem immer gleichen Muster gehört auch die Selbstbezichtigung nach intensiver Verhörbehandlung:



    bereits im Slansky-Prozess 1952 in der Tschechoslowakei mussten sich Rudolf Slansky und andere Parteimitglieder wie Artur London selbst der Spionage bezichtigen.



    So jüngst wieder Protassewitsch.

  • Sind die Grenzen zu Belarus immer noch offen?