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Jugendhilfe in Schleswig-HolsteinEx-Heimchefin will Geld

Die Friesenhof-Leiterin klagte erfolgreich gegen die Schließung ihrer Mädchenheime im Jahr 2015. Nun fordert ihr Anwalt eine Entschädigung.

Eines der ehemaligen Friesenhof-Heime in Hedwigenkoog Foto: Carsten Rehder/dpa

Hamburg taz | Die Schließung der Friesenhof-Mädchenheime im Jahr 2015 war rechtswidrig. Das entschied das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht und bestätigte damit ein Urteil aus erster Instanz. Wie nun der SHZ berichtet, fordert die Ex-Heimchefin Barbara Janssen Schadensersatz vom Land – die Rede ist von 1,5 Millionen Euro. Und da so ein Zivilprozess Jahre dauern könne, fordert ihr Anwalt von Sozialminister Heiner Garg (FDP) eine freiwillige Zahlung auf außergerichtlichem Weg.

Der Fall Friesenhof führte dazu, dass die Rechte der Heimaufsicht im neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) geschärft wurden. So argumentierte das Gericht in erster Instanz, die Schließung sei unnötig gewesen, denn etwaige Missstände hätten mit der Trägerin „aufgearbeitet und beseitigt“ werden können. Es spreche zwar viel dafür, dass Maßnahmen wie die über Stunden dauernde und mit Bloßstellung verbundenen Gruppensitzungen und „Strafsport“ kindeswohlgefährdend sein könnten, bei der Schließung hätten diese Praktiken aber nicht stattgefunden. Das Konzept sei geändert worden.

Doch für das Landesjugendamt schien damals die Verlässlichkeit des Trägers nicht mehr gegeben, auch wegen fehlenden qualifizierten Personals. Der Widerruf der Betriebserlaubnis sei damals „im Interesse des Wohls der Kinder und Jugendlichen“ erfolgt, erklärt das Sozialministerium. Man bedauere die Gerichtsentscheidung, wenngleich sie zu akzeptieren sei. Bund und Länder hätten inzwischen durch die Änderung des Gesetzbuchs einen besseren Schutz für Kinder- und Jugendliche in Heimen erwirkt, dafür habe sich das Kieler Ministerium als Konsequenz aus den Vorfällen über mehrere Legislaturen hinweg eingesetzt.

„Es ist für die Landesjugendämter jetzt leichter, die Rechte der Kinder zu schützen, sowohl bei Erteilung der Betriebserlaubnis als auch bei deren Entzug“, sagt auch Jugendhilfeexperte Wolfgang Hammer. Das Urteil wäre auf Grundlage des neuen KJSG nicht mehr möglich. Beispielsweise gebe es Hürden für Kontaktverbote, etwa zur Familie, die nun von einem Richter genehmigt werden müssten.

Ministerium will Ansprüche prüfen

Gefragt, ob das Ministerium nun Gespräche über eine außergerichtliche Einigung mit der Friesenhof-Leiterin führt, teilt ein Sprecher mit, man befinde sich erst am Beginn der zivilrechtlichen Auseinandersetzung, an dessen Ende erst „die Feststellung des Schadens der Höhe und dem Grund nach steht“. Man prüfe nun die rechtliche Situation.

Wolfgang Dudda, der als Abgeordneter für die Piratenpartei im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Friesenhof war, sagt, die Heimchefin habe „formal juristisch Recht“ bekommen. „Politisch und moralisch war die Schließung richtig“. Er erwarte, dass Garg den Rechtsweg geht und „nicht leichtfertig Steuergeld ausschüttet“.

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3 Kommentare

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  • Wenn die Gerichte feststellen, dass die zuständigen Behörden ihre Frist(en) und das Drei-Stufen-System i.S.v. §§ 45-49 SGB VIII [ (1) Beratung, (2) terminierte Auflagen samt Kontrolle und (3) Sanktionierung bis zur Teil- oder Vollschließung) nicht bzw. nicht korrekt angewendet haben, dann sollte das auch so nach Außen kommuniziert und von den Medien sauber recherchiert werden. Im Artikel findet sich nichts dazu.

    Zudem wäre es hilfreich, zu erfahren, wie denn die Verfahrensstände der Strafanträge/Strafanzeigen sind. Aus diesem Informationspool ließe sich die Strategie neu ausrichten.

  • Es tut so weh, dass es ernsthaft möglich zu sein scheint, dass diese Frau -statt Entschädigung zu bezahlen- evtl. Geld bekommen könnte. Dagegen sollte Protest organisiert werden.

  • Das wäre ein juristischer "Schlag in die Fresse" für die Opfer und Betroffenen.

    Klingt für mich auch nicht danach, dass das Gericht den durch die Klägerin verursachte Vertrauensbruch der Schutzbefohlenen ausreichend gewürdigt hätte.

    Wenn man die Situation auf ein Arbeitsverhältnis überträgt gäb es wohl auch keine Alternative zur Kündigung - auch nicht vor Gericht.