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Comicausstellung in BerlinDie Zeichnerin als Superheldin

Eine jüngere Generation Künstlerinnen bringt weibliche Perspektiven in die Comicszene. Das Museum für Kommunikation stellt sie vor.

Helena Janečić bringt gleich mehrere Superheldinnen zusammen Foto: Helena Janečić

Eine mit zartem Strich ausgeführte Zeichnung von Katja Klengel stellt Jeanne d’Arc als Statue dar. Einsam auf ihrem Pferd hält sie die Lanze hoch und beklagt in einer Sprechblase, dass es „so still und zugig hier oben“ sei. Die Heroine ist ganz allein auf ihrem Sockel und wäre vielleicht lieber in Gesellschaft von Ebenbürtigen.

Katja Klengel räsoniert in einer Comicsequenz aus „Girlsplaining“ über weibliche Helden, doch auch ihrem gezeichneten Alter Ego – einer jungen Frau mit hoher Stirn und übergroßer Brille – fallen nur wenige Heldinnen ein, die ihr in der Schule vermittelt wurden.

Welche Heldinnen gibt es in Comics? Da wäre Wonder Woman zu nennen, Sailor Moon, Yoko Tsuno oder auch die kleine Mafalda aus Argentinien … selbst Comic-Affine müssen länger überlegen, bis ihnen wirklich populäre Heldinnen einfallen. Es gibt sie, aber können sie auch mit etablierten männlichen Helden wie Asterix, Lucky Luke oder Batman konkurrieren? Eine Kabinettausstellung im Berliner Museum für Kommunikation will da Nachhilfe leisten. Sie widmet sich „Vorbilder*innen“.

Selbst Comic-Affine müssen überlegen, bis ihnen populäre Heldinnen einfallen

Der Titel ist, so Kuratorin Lilian Pithan, kein neuer Genderbegriff, sondern ein humorvolles Wortspiel, das zum Nachdenken anregen soll. Der Untertitel konkretisiert, worum es eigentlich geht: „Feminismus in Comic und Illustration“. Denn eine jüngere Generation von Künstlerinnen ist in den letzten zwei, drei Jahrzehnten herangewachsen, um den bisher männlich dominierten Comiczeichner-Beruf aufzumischen.

Aufklärerischer Furor

Prominentestes Beispiel ist wohl die schwedische Zeichnerin Liv Strömquist, die auch hierzulande mit ihren feministischen Comics Erfolg hat. In „Der Ursprung der Liebe“ (2010) legt sie mit aufklärerischem Furor sexuelle Machtstrukturen in der patriarchal geprägten westlichen Historie bloß und analysiert die bis in die Gegenwart reichende Ungleichheit der Geschlechter mit bissigem Humor. Die Französin Pénélope Bagieu porträtiert starke Frauen der Weltgeschichte in flott gezeichneten biografischen Comics (Dt. „Unerschrocken“). Und Birgit Weyhe hinterfragt in „Gendering Gustavito“, wie Geschlechterbilder bereits im Kindesalter gefestigt werden. Erfreulich ist, dass viele Comicseiten im Original gezeigt werden.

„Autobiografie“ ist ein Bereich überschrieben, und in der Tat sind autobiografische Elemente in den meisten feministischen Comics der jüngsten Zeit zu finden.

So greift die Amerikanerin Alison Bechdel in „Fun Home“ auf ihre eigene Familiengeschichte zurück und porträtiert ihren Vater, der aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung seine Homosexualität unterdrückte. Dem stellt die Tochter ihr eigenes Coming-Out gegenüber.

Die Kanadierin Julie Doucet wiederum – wie Bechdel bevorzugt sie Schwarz-Weiß – vermischt in der anarchischen Reihe „Dirty Plotte“ autobiografische Anekdoten aus ihrem „schlampigen“ Privatleben mit Traumsequenzen. Auch die Künstlerin Helena Janečić beschäftigt sich in ihren alltagsnahen Comics mit der eigenen Identität und reflektiert queere Beziehungserfahrungen auf dem Balkan. In einem an Kirchenglasmalerei erinnernden Gemälde stellt sie sich selbst als Superheldin dar.

Als Ärztin in Syrien

Mit bunten Aquarellfarben, bevorzugt in Pastelltönen, zeichnet die Belgierin Judith Vanistendael autobiografisch inspirierte Comics, aber auch fiktive, wie in „Penelopes zwei Leben“: dort steht eine Ärztin im Mittelpunkt, die in Syrien Menschenleben rettet und zu Hause in Europa kein normales Familienleben mehr führen kann. Heldinnen können also auch durchaus gebrochene Charaktere sein.

Die Ausstellung

„Vorbilder*innen. Feminismus in Comic und Illustration“, bis 10. Oktober, Museum für Kommunikation Berlin

Comiczeichnerinnen können auch selbst als Vorbilder dienen. Für Barbara Yelin ist das Anke Feuchtenberger. Die in Hamburg Illustration und Comic lehrende Zeichnerin ist in der Ausstellung mit mehreren Porträts historisch wichtiger Frauen vertreten, wie Rosa Luxemburg, Erika Mann oder Chelsea Manning. Yelin widmet Feuchtenberger in ihrem Bilderzyklus „Heldinnenreise“ eine großformatige Comicsequenz in leuchtenden Farben, die den Einfluss ihrer Lehrerin widerspiegelt. „Gehe dahin, wo du dich nicht auskennst“ ist einer der von Yelin beherzigten Ratschläge, die auf Feuchtenberger zurückgehen. Auch die Zeichnerin Lisa Frühbeis erschafft in ihrem übergroßen, farbenfrohen Wandbild „Freiheit ist doch das Schönste“ eine Hommage an ein berühmtes Vorbild: Darin zeichnet sie die Vita der „Mumins“-Schöpferin Tove Jansson pointiert auf.

In manchen feministischen Comics werden Geschlechterverhältnisse umgedreht – „Gender Reverse“ wird dieses Sub­genre bezeichnet. Natalia Batista zeichnet etwa im Mangastil ihre Serie „Sword Princess Amaltea“, in der starke Prinzessinnen schwache Prinzen retten müssen. Und Tracy Chahwan erfindet einen fiktiven arabischen Staat, in dem die Frauen an der Macht sind. Die Utopien behaupten jedoch nicht, dass die verkehrte neue Welt eine bessere ist – Ungerechtigkeiten, Sexismus und Rassismus bestehen meist fort.

Die sehenswerte Ausstellung zeigt anschaulich und mit vielfältigem Bildmaterial, Videos und Animationen die ästhetische und inhaltliche Vielfalt einer neuen, engagierten Zeichnerinnengeneration.

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3 Kommentare

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  • Ich will



    Burgfräulein Adelaide von Möhrenfeld !



    Ich brauche diese läsergestählten Ladys nicht.



    Adelaide fürt mich mit sicherer Hand zu Ritter Runkel.



    Der verspätete Kreuzfahrer Runkel zeichnet sich durch Humor, Ungeschick, ein goldenes Herz und seine unverwüstlichen, gereimten Ritterregeln aus. An seiner Seite ist stets sein treues Ross Türkenschreck, das schon seinem Vater gehörte und damit schon 35 Jahre zählt.



    Die Heldinnen oben hätte Runkel alle auflaufen lassen.

  • Arme Wessis! Scheint nicht ganz leicht zu sein, aus der Mitte einer „patriarchal geprägten westlichen Historie“ heraus Machtstrukturen nicht nur bloß zu legen und zu analysieren, sondern auch bewusst und konsequent abzulegen.

    Wie war das noch bei Marx? Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es käme allerdings drauf an, sie zu verändern. Recht hat der Mann. Immer noch. Leider.

    Die Ungleichheit (nicht nur) der Geschlechter reicht vermutlich vor allem deswegen bis in die Gegenwart hinein, weil die ihr zugrundeliegenden Prämissen nicht in Frage gestellt werden. Westliche Gesellschaften versprechen sich noch immer sowohl ihre Sicherheit als auch ihre Handlungsfähigkeit in erster Linie von der Macht, die ihre Mitglieder über andere ausüben. Wobei diese Anderen nicht unbedingt bestimmte körperliche Merkmale aufweisen müssen. Sie können auch schlicht in die „falsche“ Familie hineingebeten sein. Wenn sich nun auch einzelne Frauen als Super-Heldinnen stilisieren, ändert das rein gar nichts daran, dass es ein „Oben“ ohne ein „Unten“, ein „Groß“ ohne ein „Klein“, ein „Stark“ ohne ein „Schwach“ einfach nicht geben kann. Eines vom beiden für grundsätzlich besser zu halten, bleibt nach wie vor Mist.

    Die Idee, dass Menschen in all ihrer Verschiedenheit gleichwertig sein könnten, scheint in den Gehirnen noch nicht wirklich angekommen zu sein. Sie wird zwar mittlerweile häufig formuliert, aber leider nicht genug gelebt. Zu groß scheint die Angst vor der Missbrauchserfahrung zu sein.

    Stell dir vor: Es ist Krieg, und keiner geht hin. So weit reicht dann die Fantasie auch drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges noch nicht. Vielleicht auch schon wieder nicht mehr. Frieden ist halt doch was mehr als die Abwesenheit von offiziell erklärten Kriegen. Und was ein Hänschen oder eine Gretel nicht lernen als Kind, das lernen der Hand und die Grete womöglich ihr Leben lang nicht. Auch nicht als Super-Zeichner.