piwik no script img

Kunstmarkt BerlinTestballon für eine Messe

Das ehemalige Amtsgericht Charlottenburg wird zum temporären Kunstraum. 24 Berliner Galerien laden in den Amtsalon.

Bei Esther Schipper zu sehen: Simon Fujiwaras „Who’s Childhood?“, 2021 Foto: Jörg von Bruchhausen

Auch wenn man es denken könnte: Nein, die Arbeit hätten sie nicht nur deswegen ausgewählt, weil das Motiv so gut zum Ort passt, erklärt Carolin Leistenschneider von der Galerie Haverkampf. „Grid“ heißt die Malerei der Berliner Künstlerin Okka Esther Hungerbühler, von der die Rede ist. Eine Frau ist darauf zu sehen, die hinter einem violett aufgesprühten Gitter beklebt mit glitzerndem Bastelpapier zu schlafen scheint.

Als einen Hinweis auf die Geschichte des Gebäudes könnte man dies deuten. „Grid“ hängt nämlich aktuell im denkmalgeschützten ehemaligen Amtsgericht Charlottenburg, woran sich früher im Hinterhof das Frauengefängnis anschloss.

Haverkampf ist eine von 24 Berliner Galerien, die sich dort auf vier Etagen verteilt zum sogenannten Amtsalon zusammengefunden haben, einer Art Pop-up-Salonmesse. Geplant war diese bereits für den Herbst 2020. Aus bekannten Gründen musste sie zweimal verschoben werden, nun fand sie am Wochenende parallel zum sogenannten Gallery Weekend Summer Special statt – und kann noch darüber hinaus bis zum 24. Juni nach Buchung eines Zeitfensters besucht werden.

Letztlich handelt es sich um eine recht typische Zwischennutzung eines Immobilienprojekts: Das ehemalige Frauengefängnis soll irgendwann nach Corona als Boutiquehotel eröffnen, das Amtsgerichts – wo sich bis vor Kurzem noch der Showroom des Luxuslampenherstellers Bocci befand – „in einen multidisziplinären Raum für Kunst, Architektur und Design transformiert“ werden, eine „interessante und inspirierende Mischung von Menschen und Ideen“ solle dort „neues Leben in diese historischen Räume“ bringen, wie es in der Pressemitteilung heißt.

Teilnahme auf Einladung

Eine durchaus interessante Mischung stellen auch die Galerien des Amtsalon dar. Aufgrund des begrenzten Platzes ist es nur eine kleine Auswahl, die Beteiligten wurden eingeladen – und viele andere eben nicht. Dabei sind unter anderem Mehdi Chouakri, Carlier Gebauer, Kicken, Guido Baudach, KOW, Efremidis und Schiefe Zähne. Manche präsentieren einzelne Künstler*innen, andere einen Überblick übers Programm.

Amtsalon Berlin

Bis 24. Juni, Info und Zeitfenstertickets: amtsalonberlin.de

So zeigen Chert Lüdde erstmals neben den Schreibmaschinenzeichnungen von Ruth Wolf-Rehfeldt auch Gemälde der Künstlerin, Esther Schipper eine neue Serie von Simon Fujiwara, in der die Comicfigur „Who the Bær“ nach seiner Identität sucht und Alexander Levy hat unter anderem Landschaftsmalerei von Julius von Bismarck dabei – eine Fotografie und ein Video des Künstlers, der auf Lanzarote einen Steinbruch so bemalte, dass man das Foto davon für einen Stich halten könnte.

Dass hauptsächlich Malerei, Fotografie, Papierarbeiten und eher kleinere Skulpturen ausgestellt sind, hat praktische Gründe: Einige der Räume sind recht eng, manche Galerie muss es sich sogar in den Fluren nett machen, einen Aufzug gibt es nicht. Leichter verkaufen lässt sich solche Ware bekanntlich auch. Ob der Amtsalon dafür das passende Publikum anlockt, muss sich noch herausstellen.

Beim Besuch am Freitagnachmittag war jedenfalls nicht gerade viel los, was freilich an den Slots und dem tropischen Wetter gelegen haben kann. Die Stimmung unter der Ga­le­ris­t*in­nen erschien dennoch durchweg entspannt, der Umgang untereinander freundschaftlich. Bei vergleichsweise günstigen Mieten für die Galerien ist der Druck eben auch weniger groß.

Eine Fortsetzung des Amtsalons ist bislang nicht geplant. Womöglich wird er so günstig an dem Standort auch nicht wiederholt werden können. Die Richtung stimmt aber: Eine solche kleine, lokal ausgerichtete Salonmesse könnte ein passendes Format für Berlin sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!