Krach im Frankfurter Stadtparlament: Platzt die Volt-Ampel?
Der Koalitionsvertrag von Grünen, SPD, FDP und Volt in Frankfurt war eigentlich fertig. Doch nun verlangen die Liberalen Nachbesserungen,
In der Nacht zum Donnerstag machte die Basis der Frankfurter FDP ihren Vorständen und UnterhändlerInnen einen dicken Strich durch die Rechnung. Mit knapper Mehrheit forderte der FDP-Kreisparteitag „Nachbesserungen“ des Vertrags. Die drei Partner, Grüne, SPD und VOLT, bekundeten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung ihre Bereitschaft zu Gesprächen, stellten aber fest: „Am Koalitionsvertrag kann es dabei keine Änderungen geben.“
Die Grünen, die aus der Kommunalwahl am 14. März als stärkste Partei hervorgegangen sind, dürften unterdessen wohl zeitgleich nach einer neuen Mehrheit im Stadtparlament suchen. Auch ein Linksbündnis ist wieder im Gespräch, das zahlreiche Initiativen und Bündnisse unter dem Hashtag „frankfurtprogressiv“ und auch Teile der grünen Basis von Anfang an gefordert hatten. „Das Spiel ist wieder offen“, hatte Grünen-Kreissprecher Bastian Bergerhoff zu Protokoll gegeben.
Auf der Grünen Kreisversammlung am Donnerstagabend war das Verhandlungsergebnis noch rundum in den höchsten Tönen gelobt worden. Keine Blaupause für künftige Koalitionen, sondern eine „Grünpause“ sei der Vertrag, sagte ein grüner Kommunalpolitiker, der noch beim letzten Parteitag vehement gegen eine Zusammenarbeit mit der FDP gestritten hatte. 93 Prozent der rund 200 Mitglieder stimmten am Ende für die Koalition, so geschlossen war die Partei zuletzt selten. Lediglich über das geplante Übergewicht der Männer im hauptamtlichen Magistrat wurde noch diskutiert, da platzte mit dem Nein der FDP-Basis die Bombe. Versammlungsleiter Bergerhoff brach die Sitzung kurz vor Mitternacht ab, ohne Debatte oder Abstimmung. Seitdem wird sondiert. Jeder telefoniert mit jedem.
Die Koalition hatte schon einen Zeitplan für den Machtwechsel vereinbart. Am 9. Juni, in einer Sondersitzung, sollten die fünf hauptamtlichen CDU-DezernentInnen zum ersten Mal abgewählt werden, am 15. Juli, wie es rechtlich vorgeschrieben ist, zum zweiten Mal. Mit sechs neuen Dezernenten wollte die neue Koalition in die Sommerpause des Parlaments starten. Drei neue Grüne sollten gewählt werden, zwei von der FDP und mit Lennard Everwien erstmals auch ein VOLT-Politiker. Je zwei der amtierenden Stadträte von SPD und Grünen sollten ihre Ämter behalten, so hatten es die Partner ausgehandelt. Die Kosten der damit verbundenen Erweiterung der Stadtregierung auf zehn hauptamtliche Dezernenten stießen bei der liberalen Basis auf heftige Kritik. Doch vor allem der als „autofeindlich“ empfundene Kurs in der Verkehrspolitik wurde gerügt.
Bündnis mit Linken wieder im Spiel
Die Blicke richten sich jetzt auf die Linken und die CDU. Grün-Rot-Volt hätte auch mit diesen möglichen Partnern eine Mehrheit. Linke und CDU signalisieren Gesprächsbereitschaft. Dass es allerdings nach dieser Vorgeschichte zu einer Neuauflage der langjährigen schwarz-grünen Kooperation kommt, gilt als eher unwahrscheinlich. Auf Druck der Grünen-Basis hatten Vorstand und Verhandlungsdelegation zuletzt vorgeschlagen, eine Mehrheit jenseits der CDU zu suchen. Selbst der Plan, die FDP in das neue Bündnis aufzunehmen, war nicht unumstritten. Die CDU müsste als möglicher Koalitionspartner im Magistrat zudem prominent vertreten sein, denn sie ist die zweitstärkste Kraft im Stadtparlament. Das hieße weniger Posten für die Grünen.
Und die Linken? Einfach an Stelle der FDP in den ausgehandelten Koalitionsvertrag der VOLT-Ampel einzusteigen, lehnen sie ab, auch wenn es darin viel Übereinstimmungen mit dem Frankfurter Wahlprogramm der Linken gibt. „Verhandeln müssten sie schon mit uns“, sagte gegenüber der taz Janine Wissler, die Bundesvorsitzende der Linken ist sowie KreissprecherIn ihrer Partei in Frankfurt. Ihr Co-Vorsitzender Axel Gerndtke schlug bereits vor, in jedem Fall am Zeitplan zur Abwahl der CDU-Dezernenten festzuhalten: „Mit den vorhandenen Mehrheiten im Stadtparlament sollten wir notwendige Sofortmaßnahmen für eine soziale und gerechte Stadt jetzt auf den Weg bringen“, sagte er und fügte hinzu: „Nicht mit der FDP zu regieren ist besser, als nicht zu regieren.“
Die FDP hat sich indes selbst aus dem Spiel genommen, mit einem denkbar knappen Abstimmungsergebnis. 78 Parteimitglieder stimmten für den Koalitionsvertrag, 80 wollten „Nachverhandlungen“, die es wohl nicht geben wird. In den sozialen Medien findet die Entscheidung der FDP vereinzelt Beifall. Es überwiegen jedoch Hohn und Spott. „Lindner lässt grüßen“ twittert die SPD-Landtagsabgeordnete Elke Barth, und Fridays for Future Frankfurt kommentiert: „Schon witzig, wie die Grünen in Frankfurt gerade merken, dass die FDP vielleicht doch nicht hinter der Verkehrswende steht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein