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Muslime in DeutschlandImame made in Germany

In Osnabrück hat das Islamkolleg geöffnet. Es bildet Imame für die deutschen Moscheen aus. Zurzeit noch kommen sie meist aus dem Ausland.

Imame in Ausbildung: Jetzt auch unabhängig von den Herkunftsländern Foto: Stephanie Pilick/dpa

Hamburg taz | Mit dem Islamkolleg Deutschland (IKD) hat am Dienstag in Osnabrück die erste verbandsübergreifende Ausbildungsstätte für Imame in Deutschland geöffnet. Es soll angehende Imame und andere Mitarbeiter der Moscheegemeinden theologisch und praktisch auf ihre Aufgaben vorbereiten – und das aus einer deutschen Perspektive.

„Erstmals gibt es in Deutschland eine praktische Ausbildung für Imame in Kooperation mit islamisch-theologischen Instituten, die nahe an den Gemeinden vor Ort und unabhängig von den Herkunftsländern ist“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat.

Das sei ein großartiges Signal für alle Muslime in Deutschland. Und für die Muslime, die das Projekt mittrügen, sei es ein ganz besonderer Tag, weil sie seit zehn Jahren darauf hingearbeitet hätten.

In einem Bundestagsantrag für solch eine Ausbildungseinrichtung wiesen die Grünen 2018 darauf hin, dass ein Großteil der 1.700 bis 2.500 Imame in deutschen Gemeinden im Ausland ausgebildet wurde. Allein in den Jahren 2015 und 2016 seien 495 Visa für Imame aus der Türkei ausgestellt worden – Seelsorger, die oft wieder in die Türkei zurück gingen, sobald sie sich einigermaßen eingelebt hätten.

Seelsorger für die Bundeswehr

Das Kolleg in Osnabrück könne hingegen Imame hervorbringen, die mit den Lebenswirklichkeiten der hier lebenden Muslimen tatsächlich vertraut seien, wie Polat sagt. So könnten sie ihre Rolle als Seelsorger und religiöse Instanz sehr gut ausfüllen. „Das Kolleg hat damit auch Modellcharakter für die Ausbildung von Ima­m*in­nen in ganz Europa“, findet Polat.

Wer sich am Islamkolleg als Imam oder speziell als Seelsorger etwa für die Bundeswehr, Krankenhäuser oder Gefängnisse ausbilden lassen will, kann, muss aber nicht vorher islamische Theologie studiert haben, was in Deutschland unter anderem in Osnabrück möglich ist. Alternativ müssen Bewerber nachweisen, dass sie in einer Moscheegemeinde tätig waren.

Die Ausbildung im Kolleg findet in deutscher Sprache statt. Theoretikern liefert sie sozusagen das praktische Rüstzeug und Praktikern den theoretischen Hintergrund. Esnaf Begić, der Vorstandsvorsitzende des Kollegs, vergleicht das mit der Praxis der Kirchen: „Ein Uni-Studium befähigt noch lange nicht dazu, dass man als Pastor tätig sein kann.“ Und einen Leichnam etwa nach islamischen Vorschriften zu waschen, lerne man nicht im Studium.

Ditib ist nicht dabei

Demgegenüber kennen sich die Leute, die aus den Gemeinden kommen, schon einigermaßen in den religiösen Alltagsfragen, im rituellen Gebet oder der Koranrezitation aus. Für sie könnten die Module zur politischen Bildung, Familienpädagogik oder sozialen Arbeit besonders interessant sein. Es strebten keineswegs alle 30 Teilnehmer pro Jahrgang an, nach dem Abschluss den Beruf des Imams zu ergreifen, schon allein deshalb, weil sich die wenigsten Gemeinden eine ordentliche Bezahlung leisten könnten.

Das Kolleg hat Modellcharakter für die Ausbildung von Ima­m*in­nen in ganz Europa

Filiz Polat, Grüne Bundestagsabgeordnete

Zu den Gründungsmitgliedern des IKD gehören das Bündnis Malikitischer Gemeinden Deutschland, die Muslime in Niedersachsen, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, als auch islamische Theologen und muslimische Personen des öffentlichen Lebens.

Nicht dabei sind unter anderem der von der türkischen Religionsbehörde Diyanet abhängige Verband Ditib und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), die selbst Imam-Kurse in Deutschland anbieten. Der VIKZ sehe seinen Bedarf an Imamen durch die eigene Ausbildung, die auf türkisch und arabisch stattfindet, gedeckt, sagt dessen Sprecher Erol Pürlü. Das Kolleg bilde eben für dessen Trägervereine aus.

Die Abgeordnete Polat geht davon aus, dass das Kolleg den Druck auf Verbände wie Ditib erhöht. Die hier ausgebildeten Absolventen könnten ihre Rolle als Seelsorger und religiöse Instanz sehr gut ausfüllen. „Das hat eine andere Qualität als beispielsweise weisungsgebundene Beamte, die aus der Türkei entsendet werden.“

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14 Kommentare

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  • So ist es recht. Deutsche Imame müssen nicht islamische Theologie studieren. Oder Arabisch können. Deutsche Imame müssen nur DEUTSCH können. Zack!



    Und natürlich kommt das auch noch von den Grünen, die einmal mehr Leitkultur beweisen. Man rollt sich echt die Augen aus dem Kopf.

  • "Verstand beginnt mit einem lebensbejahenden Atheismus. Er befreit die Seele von Aberglauben, Schrecken, Duckmäusertum, gemeiner Willfährigkeit und Heuchelei und schafft Raum für das Licht des Himmels".



    (George Bernard Shaw, ir. Schriftsteller, 1856-1950)



    Die wohl größte Gefahr für die Freiheit geht von der Politisierung der Religion aus. Vor allem aber hat der Islam einen sehr starken politischen Anspruch in den Ländern, in denen er mehrheitlich repräsentant ist. Er ist dann die bestimmende Religion, nach der sich das Land ausrichten soll und muss. Insofern ist jede Religion eine Bedrohung des freien Denkens und Handelns. Insbesondere wenn bereits Kleinkinder vereinnahmt werden. Sie erben dann quasi eine Religion von den Eltern. Wie aber können Eltern vorausahnen, woran ihre Kinder später glauben wollen? Können sie natürlich nicht. Stattdessen werden die Kinder in ein moralisches fragwürdiges Konzept gepackt, das man dann Religion oder Glauben nennt. Es ändert auch nichts daran, wenn Imane in D. ausgebildet werden, denn auch sie taugen deshalb nicht mehr oder weniger als Seelsorger ( interessante Wortschöpfung).

    • @Struppo:

      "Shaw war nicht nur zeit seines Lebens ein Bewunderer Stalins, sondern pries in den 1920er und frühen 1930er Jahren auch mehrere faschistische Politiker." de.wikipedia.org/w...genüber_Diktatoren

      Menschen, ob nun atheistisch oder religiös, die nicht fähig sind zur gegenseitigen Toleranz sind schlicht gefährlich, insbesondere wenn sie Faschisten, Schlächter und Diktatoren anhimmeln.

      Ergo: Zeige Leuten, die von befreiten Seelen schwafeln und "das Licht des Himmels" sehen den Vogel.

      • @Rudolf Fissner:

        Nun bin ich kein Shaw-Kenner. Das Zitat lief mir quasi über den Weg, als ich über Richard Dawkins, den britischen Religionskritiker, mehr erfahren wollte. Aber weil Sie Wikipedia angeben, will ich dann auch mit Wikipedia antworten: "1925 erhielt Shaw den Nobelpreis „für sein sowohl von Idealismus als auch von Humanität getragenes Schaffen, in dem sich frische Satire oft mit einer eigenartigen poetischen Schönheit vereint“. Ich für meinen Teil will nicht beurteilen, wie Shaw aus seiner Sicht der damaligen gesellschaftlich-politischen Ereignisse zu solch`einer eher faschistisch-freundlichen Betrachtung kam. Ich bin ein Gegner von Faschismus und Religion. Der Faschismus, als "politische Religion", hat alles, was ich auch einer Religion zuschreiben würde: Absolute Wahrheiten, charismatische Führer, die heilige Aufträge zu erfüllen haben die Feinde zu besiegen, die Nation zu einen, religiöse Unbedingtheit. Und der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern auch eine politische Ideologie.

        • @Struppo:

          "Nun bin ich kein Shaw-Kenner. ..."

          Man hätte schon bei der Beweihräucherung des "atheistischen Raums für das Licht im Himmel" sehen können, dass da jemand fundamentalistisch am predigen ist.

          Und nein, "der Islam" ist keine politische Ideologie. Nur der sogenannte "Politische Islam" de.wikipedia.org/wiki/Politischer_Islam ist eine politische Ideologie. Sie vermischen mir zufiel zu einem Brei.

    • @Struppo:

      Spannendes Zitat.

      Wenn Shaw heute leben würde, ist anzunehmen, dass er das angesichts Querdenker & co. wohl so nicht mehr formulieren würde.

      Man kann ein großer Schriftsteller sein, und wird trotzdem von der Realität überholt.

      Andererseits hätte Shaw auch schon zu Lebenszeiten sehen können, dass politische Religionen, wie Nationalismus, super im Atheismus gedeihen können, und Schrecken, Duckmäusertum, gemeiner Willfährigkeit und Heuchelei darin so richtig erblühen können.

      Vermutlich war Shaw dann doch nicht so groß, sondern hat die Augen einfach vor der Realität fest verschlossen.

      Als Eltern muss man auch nicht vorausahnen, an welche Weltanschauung die Kinder später glauben wollen.

      Man versucht, ihnen ethisch und weltanschaulich etwas mitzugeben, ob religiös oder säkular sei dahingestellt.

      Das kann aber nur eine Diskusssionsgrundlage oder ein Denkanstoß sein.

      Was die Kinder davon übernehmen, ist ihre Sache.

      Haben Ihre Kinder etwa Ihre ethischen Konzepte übernommen?

      Die deutschen Imame taugen allein deshalb als Seelsorger mehr, weil sie die Sprache und das Leben in Deutschland kennen.

      Ja, der Begriff "Seelsorger" drückt gut aus, worum es geht.

      Kriegen Sie säkular bzw. humanistisch nicht so schnell hin.

      Da hapert es schon, wenn man überlegt, ob es eine Seele überhaupt gibt.

  • Was hab ich die Schnauze voll.



    Von jenen, die behaupten sie wüssten was Gott will, von jenen die uns sagen wollen was richtig und falsch ist. Es ist mir egal, ob es die Tora, der Talmut, die Bibel oder der Koran ist.



    Meine Vorstellung einer gerechten und gleichberechtigten Welt beginnt damit, dass die Gesellschaft frei ist von Religionen.



    Der individuelle Glaube sei dabei unangetastet, solange er die Freiheit des Nächsten nicht beeinträchtigt.



    Die Bundeswehr bekommt, oder bekam, Rabbis. Bei wie vielen Menschen jüdischen Glaubens in der Bundeswehr? Wie war das noch mit "Du sollst nicht töten." (töten aramäisch = morden)



    Jetzt werden Imame auf Deutsch ausgebildet. Was ändert das am Inhalt des Korans? Mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, und historisch nicht reformierbar.



    Über die christliche Brokatmafia brauche ich nichts zu sagen, die zerlegt sich (hoffentlich) gerade selbst.



    Meine Meinung: "Werdet die Religionen los, und wir sind einen großen Teil unserer Konfliktpotentiale los."

    • @m.d.bichlmeier:

      Meine Vorstellung von einer gerechten Welt beginnt damit, dass niemand mehr glaubt anderen vorschreiben zu dürfen, was sie selbst für richtig halten.

      Die Grenze zwischen Glaube und Wissen verläuft fließend und manche glauben halt an Gott, andere Glauben nicht mal an die Existenz der Bundesrepublik.



      Zu behaupten ohne religion sei es besser ist auch keine Lösung. Sich zu wünschen, dass Dinge die man nicht mag, nicht mehr existieren ist infantil.

    • @m.d.bichlmeier:

      Ihre Meinung ist Balsam für diesen Tag! Mit aller notwendigen Schärfe gelingt Ihnen eine Generalabrechnung mit der Religion.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @m.d.bichlmeier:

      Imagine there's no countries



      It isn't hard to do



      Nothin' to kill or die for



      And no religion, too



      (John Lennon)

    • @m.d.bichlmeier:

      Die Realität des 20. Jahrhunderts widerspricht Ihrer Meinung.

      Da fanden die Kriege mit den meisten Toten seit Menschengedenken statt.

      Religiös begründet war da quasi keiner von.

      Nennen Sie bitte einen Grund, warum eine Gesellschaft ohne Religion gerechter oder gleichberechtigter sein soll.

      Die Bundeswehr setzt die Rabbis auch zur Fortbildung ihrer Soldaten ein.

      Vielleicht keine dumme Idee, um Antisemitismus zu bekämpfen.

      Ein Jude zum Anfassen, der auch noch geschult in Diskussionen ist.

      Ein Versuch ist es wohl wert.

      Wo Sie mit dem Gebot "Du sollst nicht morden." argumentativ hinwollten, habe ich nicht ganz verstanden.

      Morden ist ethisch nicht gerechtfertigtes Töten.

      Wenn Soldaten töten, kann dieses im religiösen Sinne ggf. gerechtfertigt werden.

      Außerdem sind Militärgeistliche für die Seelsorge da und nicht, weil sie Krieg gutfinden.

      Die deutschen Imame sind schon allein deshalb notwendig, um den Islamist_innen und Islamofaschist_innen das Wasser abzugraben.

      Man kann den Gemeinden in Deutschland schlecht vorwerfen, dass sie z. B. die Ditib-Imame nehmen, solange es keine deutschen Imame gibt.

      Am Inhalt des Korans ändert es nichts, aber aus dem Koran läst sich vieles rausinterpretieren.

      Religion ist, was die Religiösen draus machen.

      Mal ganz ehrlich: derzeit wimmelt es doch von Leuten, die uns sagen wollen, was richtig und falsch ist.

      Mit Gott argumentieren die wenigsten von ihnen.

      Auch Ihr Kommentar hier wirkt so, als wären Sie jemand, der den Religiösen sagen will, was richtig und falsch ist.

      Die Grenze verläuft meiner Meinung nach nicht zwischen Religiösen und Säkularen, sondern zwischen Universalisten und Partikularisten.

      • @rero:

        Richtig!

    • @m.d.bichlmeier:

      bescheiden gefragt...

      ist ihnen aufgefallen, wie oft der begriff 'seelsorge' in dem artikel vorkam ?

      nun denn.



      seelsorge ist ein elementarer inhalt religiöser arbeit.

      und es gibt viele menschen im land, verschiedener religionen, die anerkennen -und auch ich zähle mich dazu-, was kirche heute, im 21. jhdt., leistet. vielen bedeutet es stärkung. nicht nur im gottesdienst.

      • @adagiobarber:

        Seelsorge bedarf der Menschlichkeit und der Empathie - aber einer Religion?