Die Wahrheit: Samoanisches Roulette
Neues aus Neuseeland: Im Südseestaat Samoa tobt ein politischer Kampf zwischen einem Alt-Patriarchen und einer Grande Dame.
F eministische Freunde der Demokratie, blickt tief gen Süden. Stimmt Südseehymnen an, köpft aus Solidarität Kokosnüsse, betet meinetwegen und geht mit uns auf die Barrikaden, um ein polynesisches Patriarchat zu stürzen. Denn seit 55 Tagen wartet die neue Premierministerin von Samoa darauf, endlich als erstes weibliches Oberhaupt ins Parlament einzuziehen.
Das Schauspiel, das sich in der kleinen Pazifiknation abspielt, könnte aus einem Monty-Python-Film stammen. Fiame Naomi Mata’afa, die in Wellington studierte, ist eine politische „Grande Dame“ und führt die FAST-Partei an. In den Vorentscheidungen zur Nationalwahl bekam ihre Partei genauso viele Sitze wie die amtierende Human Rights Protection Party (HRPP). „Fast“, also schnell, war daran jedoch nichts. Denn seit 39 Jahren hielt die HRPP das Zepter in der Hand.
Laut Verfassung müssen zehn Prozent der Abgeordneten Frauen sein, es waren aber nur 9,8. Ab dann wurde es kompliziert. Neue Kandidatinnen wurden aufgestellt, um auf beiden Seiten das Ruder Richtung Frauenquote herumzuschwingen. Die Wahlkommission stand kopf, das hohe Gericht wurde berufen. Als am 9. April schließlich nach all dem Hin und Her demokratisch gewählt wurde, bekam FAST-Führerin Mata’afa die knappe Mehrheit.
Seitdem sollte Premier Tuilaepa Lupesoliai Neioti Aiono Sa’ilele Malielegaoi – kurz Tuilaepa – nach 23 Jahren seinen Platz räumen. Doch der 76-Jährige weigert sich. Eine alte Palme kann man nicht einfach entwurzeln, Demokratie hin oder her. Er sprach von Verrat, vom Teufel, von Korruption und üblen Mächten. Mata’afas Unterstützer hielten mit einem Sit-In-Protest dagegen, bei dem sie traditionelle samoanische Lieder sangen.
Vergangenen Montag sollte die neue Staatschefin ins Amt eingeschworen werden. Das nahm Trump’sche Züge an. Was bei Joe Biden in Washington ein Staatsakt war, spielte sich in der Hauptstadt Apia in einem provisorischen Zelt ab. Denn der Noch-Premier, angeblich von Gott auf den Thron berufen, hatte kurzerhand das Parlament schließen lassen, um seiner Nachfolgerin den Einzug zu verweigern. Er bezeichnete sie als „Mafia“ und psychisch instabil.
Seitdem werden die 200.000 Insulaner von einer Verfassungskrise gebeutelt, die ihnen so viele internationale Schlagzeilen beschert wie 2009 der verheerende Tsunami. Das höchste Berufungsgericht schlägt sich mit einer Klage der HRPP herum, Ausgang ungewiss. Demonstranten säumten die Straßen zum Gerichtsgebäude, darunter etliche junge Frauen.
Kein Anlass für Häme oder gar Bananenrepublik-Vergleiche, mahnt jedoch der samoanisch-stämmige Comedian James Nokise und verweist auf Neuseelands stellvertretenden Premierminister und obersten Alkoholiker Winston Peters. Der Xenophob spiele seit zwanzig Jahren gerissen seine Macht als Königsmacher aus und sei keinen Deut besser.
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