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Umfrage zum Bau von AutobahnenDie Menschen sind straßenmüde

Mehr als 40 Prozent der Deutschen wünschen sich einen Baustopp bei Autobahnen. Was heißt das für den Bundesverkehrswegeplan?

Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen mit schnörkelloser Botschaft beim Protest am 5. Juni 2021 Foto: dpa

Berlin taz | Am Wochenende haben Umweltorganisationen und Klimagerechtigkeitsgruppen deutschlandweit für eine Verkehrswende protestiert. Gegenstand der Kritik in vielen Fällen: neue Autobahnen. „Das Klima ist so heiß wie nie zuvor – und die Regierung baut immer neue Autobahnen“, sagte etwa Lou Winters von der Gruppe Sand im Getriebe, die in Berlin die Baustelle der A 100 blockierte. „Wir kämpfen für unsere Zukunft und für den sofortigen Autobahnbaustopp.“

Für diese Forderung gibt es in Deutschland schon viel Unterstützung, das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Nabu, die der taz exklusiv vorliegt. Darin sprechen sich 41 Prozent der knapp über 1.000 Befragten dafür aus, dass es gar keine neuen Autobahnen geben dürfe.

Drei Viertel sind demnach außerdem der Meinung, dass es generell genug Straßen in Deutschland gibt. Und auch wer nicht dafür ist, dass der Bau von Autobahnen ab sofort brach liegt, muss nicht unbedingt neue Strecken haben.

Fast alle Befragten, nämlich 93 Prozent, wünschen sich der Umfrage nach von der nächsten Bundesregierung, dass der Schwerpunkt in Sachen Autobahn auf der Instandhaltung liegt und nicht beim Neubau.

Autobahnbau braucht eine Pause

Wie und wo der Bund in Straßen investiert, steht im Bundesverkehrswegeplan. Der wurde zuletzt 2016 fortgeschrieben und umfasst die Planung bis 2030. Fast die Hälfte der insgesamt 267 Milliarden Euro, die verteilt werden, fließt in Fernstraßen und Autobahnen, den Rest teilen sich Schienen und Wasserwege. Guckt man sich nur das Geld an, das in Neu- und Ausbauprojekte fließt, stehen für die Straße sogar 53 Prozent der Mittel bereit. Schon Monate bevor der Bundestag den Plan letztlich absegnete, warnte das Umweltbundesamt: Der Plan verfehle elf der zwölf im eigenen Umweltbericht gesetzten Ziele.

„Der Bundesverkehrswegeplan bezieht sich auf die nächsten zehn Jahre – das sind genau die entscheidenden für den Klimaschutz“, meint der Nabu-Verkehrsexperte Daniel Rieger. Der Autobahnneubau brauche zumindest eine Pause, damit man prüfen könne, welche Infrastruktur ein klimafreundliches Verkehrssystem braucht.

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9 Kommentare

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  • 2G
    25968 (Profil gelöscht)

    Wegen meiner kann Alles unter die Erde: Überall, wo man hinblickt: Autos. Mein Auto steht jetzt schon in der Tiefgarage- ist nur angeschafft worden, um die Familie von a nach b zu bringen, fahre gerade täglich mit Rad zum "Labtop" ...

  • 2G
    24584 (Profil gelöscht)

    Die genannten Forderungen basieren doch auf der Annahme, dass die Leute nicht mehr mit dem Auto fahren, wenn man ihnen die Straßen nimmt. Aber warum zieht sich dann täglich eine Blechlawine neben der A100-Baustelle durch die Schrebergärten? Schon mal da gewesen? Mit den Anwohnern gesprochen?

    Ich habe gar kein Auto und fahre täglich mit den Öffis durch Berlin. Kann gerade deswegen viele verstehen, die das nicht (mehr) ertragen. Macht die doch lieber die Öffis attraktiver für Leute, die das Angebot bisher nicht annehmen. Das hat vor allem mit Sauberkeit und Sicherheit zu tun. Solange die Bahnhöfe und Züge vollgeschmiert, unsicher und einfach ekelig sind, steigen viele Autofahrer auch nicht um, wenn sie es könnten. P+R Anlagen gibt es auch kaum.

  • Tja ... wenn man die Statistiken so anschaut hat die Bahnprivatisierung grade in den neuen Bundesländern mehr Schienenkilometer vernichtet als der 2. WK.

    Aber klaro auf dem Schienennetz gilt ja flächendeckend ein Tempolimit ... also braucht man neue "unlimitierte Autobahnen".

  • Nur mal so als Hinweis: Die im Bundesverkehrswegeplan veranschlagten Mittel für die Verkehrsinvestitionen sind über "Verpflichtungsermächtigungen" in den kommenden zehn Haushaltsplänen zu berücksichtigen. Es wird für kommende Regierungen schwierig (teuer), daran etwas zu ändern.



    Erst recht, wenn über den geänderten Artikel 90 im Grundgesetz künftig "Gesellschaften privaten Rechts" Aufgaben des Bundes übernehmen.



    In Art 90 Abs 2: "Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen."



    Was nichts anderes bedeutet, dass dies für Teilabschnitte des Bundesfernstraßennetzes möglich sein wird.



    Einer Grünen Bundeskanzlerin wird es schwer fallen, daran etwas zu ändern. Die Änderung des Art. 90 wurde mit 2/3 Mehrheit beschlossen, um ÖPP zu ermöglichen.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    40% d.h. die Mehrheit ist zumindest für sinnvolle Autobahnprojekte?

  • "Mehr als 40 Prozent der Deutschen wünschen sich einen Baustopp bei Autobahnen." - das heißt doch das die Mehrheit den Ausbau fortsetzen will!

    "Fast die Hälfte der insgesamt 267 Milliarden Euro, die verteilt werden, fließt in Fernstraßen und Autobahnen, den Rest teilen sich Schienen und Wasserwege." - fast die Hälfte... Also mehr als die Hälfte fließt nicht in Straßenbau.

    Interessantes Framing bei der taz: Die Mehrheit der Betragten scheint ja gerade nicht straßenmüde zu sein.

    • @Clara Kreuzer:

      »"Mehr als 40 Prozent der Deutschen wünschen sich einen Baustopp bei Autobahnen." - das heißt doch das die Mehrheit den Ausbau fortsetzen will!«



      So eine schwarz-weiß Argumentation nach dem Muster 'Wer nicht für uns ist, ist gegen uns' funktioniert aber auch nur dann wenn man die anderen Zahlen bewusst unterschlägt (3/4 meinen es gäbe genug Straßen, 93% wollen mehr Instandhaltung als Neubau).



      "Also mehr als die Hälfte fließt nicht in Straßenbau."



      Auch wenn es nur wie richtigerweise im Artikel beschrieben "Fast die Hälfte" ist, bedeutet es ja, dass diese knappe Hälfte in eine besonders dreckige Verkehrsform fließt, während sich alle übrigen Verkehrsformen etwas mehr als die Hälfte teilen.

  • Pause? Rückbau, vor allem der unsäglichen Stadtautobahnen.

    • @guzman:

      Rückbau geht natürlich gar nicht, denn wenn alle Autobahnen weg sind, dann kann die Bauwirtschaft nicht mehr wachsen sondern muss ihren Betrieb einstellen. Das kostet Arbeitsplätze! Nein - zur Rettung der Wirtschaft müssen wir drei-, vier- oder vielleicht sogar 5-stöckige Autobahnen bauen ... mehr, mehr, mehr ... grenzenloses Wachstum!