piwik no script img

Staatsbesuch mit Kids

Alltagsphantasien anregen, Märchen variieren, ein leeres Haus erkunden, ökologische Zusammenhänge erfassen: Wie Schulen und Kindergärten sich dem Thema Biene widmen

Von Annika Hennebach

„Für Kinder ist das eine ganz eindrückliche Erfahrung, wenn da ein Bienenstand steht, der riecht und vielleicht noch warm ist. Das ist, als ob man ein leeres Haus betritt, und das ist ja auch total spannend. Und dann fühlt man mit dem Finger eine Wabe, die leicht bricht, kann etwas süßen Honig kosten, und dabei spürt man dieses Leben, das darin stattfindet – und es ändert sich etwas. Es ändert sich die Sicht auf diese Tiere und somit auch die Beziehung zur Umwelt.“ Wenn Marco Elischer, Pädagoge bei proBiene aus Stuttgart, von seinen Erfahrungen mit „Biene zu Besuch“ aus Kitas und Grundschulen erzählt, dann riecht man förmlich den Wachs und hört das Summen der Bienen. Das ist das große Geheimnis oder die Chance, die in der Biene als Botschafterin für Umweltthemen in Kindergärten und Schulen steckt: Lernen mit allen Sinnen.

Kinder sind als forschendes Ich offener und neugieriger als Erwachsene, jetzt machen sie die prägenden Erfahrungen ihres Lebens und erleben sich selbst als wirksam und bedeutend, auch wenn es um die Möglichkeiten geht, zu einem nachhaltigen Leben beizutragen. „Besonders passend ist das Konzept der Alltagsfantasien in Kindertageseinrichtungen. Kinder sind mitten im Erlernen der Metaphern und Symbole ihrer Gesellschaft. Die Kita kann ein Ort sein, an dem sie ihre Beziehung zur Umwelt entdecken und weiterentwickeln“, sagt Elischer. ProBiene, das Freie Institut für ökologische Bienenhaltung, arbeitet mit einem Methodenkoffer, der je nach Altersgruppe und Gruppengröße verschiedene Materialien, Ideen und Anleitungen enthält, aus denen sich Päd­ago­g*in­nen das für sie Passende aussuchen können, um die Biene kennenzulernen.

Bei „Biene zu Besuch“ kommt Elischer für 90 Minuten in die Einrichtung und bringt den Kindern über einen ästhetischen und kreativen Ansatz das Leben der Biene näher, den imkerlichen Part übernimmt proBiene-Gründer Tobias Miltenberger. Da werden dann etwa Wachskerzen gerollt, es wird das umgeschriebene Märchen „Die Bienenkönigin“ vorgelesen oder ein Spiel gespielt, bei dem die Kinder die Rollen der Bienen in einem Bienenstock ausprobieren können – und so erfahren sie spielerisch, was eine Gruppe ausmachen kann. Die Kleinen lernen die Biene über die Methodenbroschüre „Das Bienenjahr mit Kindern gestalten“ und Ausmalbilder kennen. Mit den Größeren geht es auch mal in den Supermarkt für eine übergeordnete ökologische Perspektive, welche Produkte es ohne die Biene gar nicht geben würde. „Wussten Sie zum Beispiel“, fragt Elischer, „dass manche Gummibärchen für den Glanz mit Bienenwachs überzogen werden?“ Abgerundet wird all das durch einen Besuch bei den Bienen selbst – oder mit dem Aufbau eines eigenen Bienenstandes auf dem Gelände der Einrichtung. „Denn die Bienen wirklich wahrzunehmen, ist am Ende immer elementar für die Erfahrung“, so der Bienenpädagoge.

Neben den Broschüren und Bildern von proBiene, dem Bienenkoffer von Deutschland summt! von der Stiftung Mensch und Umwelt, den es als Version für den Kindergarten und für die Schule gibt, und der etwa mit einer Schaukugel mit Bienenwabe, einem Schaukasten mit Bienenprodukten und Honigbienen, mit Lupen oder Blüten bestückt ist, gibt es zum Beispiel auch die „Biene und Bil­dung“-Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufen I und II der Aurelia Stiftung für den theoretischen Hintergrund. „Am schönsten ist es aber, zu den Bienen zu gehen und vor Ort dieses Fühlen und Schmecken und dieses Erleben zu haben. Fast überall findet sich dafür auch regio­nal eine Imkerin oder ein Imker, die mit den Kindern an den Bienenstand geht“, sagt Elischer. Der Verein Mellifera etwa bringt auch mit dem Programm „Bienen machen Schule“ Päd­ago­g*in­nen und Im­ke­r*in­nen zusammen, die im Kindergarten oder Schulunterricht und anderen pädagogischen Einrichtungen sowie im Imkerverein Bildung mit Bienen machen.

Gerade jetzt im Mai fliegen die neuen Bienenvölker in ihre Beuten auf fünf Schulstandorten in Berlin, die von den „Stadtbienen“ im Rahmen des Umweltbildungsprogramms „Kita- und Schulbienen“ betreut werden. Päd­ago­g*in­nen haben Imkerkurse besucht und werden vor allem in der Anfangsphase im Umgang mit den Bienen noch von Im­ke­r*in­nen betreut. Und nach den Sommerferien starten dann die Bienen-AGs, in denen die Kinder Imkern und mit den Bienen wichtige ökologische Zusammenhänge lernen können. Projektleiterin Julia Eisenberg von Stadtbienen erklärt: „Das Programm ist so angelegt, dass wir die Kinder zu phänomenologischen Beobachtungen anleiten. So setzen sie sich mit ihrer Umwelt auseinander und finden Zugang zum Bienenkosmos, den sie jetzt neu entdecken, erforschen und somit immer besser verstehen. Das hat viel mit Wertschätzung und Achtsamkeit für die Natur zu tun – und das geht auch mitten in der Stadt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen