piwik no script img

Kein-Kontakt-Sport TischtennisDie Platte bleibt besetzt

Tischtennis ist ein Gewinner der Pandemie. Die Geschichte eines Freizeitsports, der plötzlich wieder da ist – weil er nie wirklich weg war.

Tischtennis, die neue alte Freude – hier am Kreuzberger Landwehrkanal Foto: Wolfgang Borrs

Kinder der 1990er bestaunen seit einiger Zeit, wie ein Sport ihrer Kindheit ein Comeback feiert. Oder war er überhaupt weg? Jedenfalls scharen sich in Parks und auf Spielplätzen bis spät in die Nacht Menschen um Steinplatten: Alle spielen Tischtennis.

Früher hatten wir, wie so viele andere, eine Platte zu Hause. Sie wurde beim ersten Sonnenschein aufgebaut und blieb auch bei Regen und Schnee zu oft draußen stehen. In der Schule gab es in jeder Pause Streit um die eine Tischtennisplatte, und irgendein Ball wurde immer über das Netz geschlagen. Darauf folgten die Jahre, in denen die kalten Betonplatten in der Öffentlichkeit vor allem genutzt wurden, um darauf Bier zu trinken. Das Spielerische des Sports, bei dem Technik vor Kraft geht, war nicht mehr cool.

Und heute? In der ganzen Stadt, im ganzen Land spielen die Leute seit Corona wieder den Kein-Kontakt-Sport. Selbst an einem regnerischen Tag stehen in Berlin-Neukölln Menschen mit Schläger in der Hand Schlange.

Darunter ist auch Christiane, sie trägt den Dresscode des Bezirks, einen klassischen Sportanzug, der an der Tischtennisplatte aber plötzlich professionell wirkt. Christiane ist langjährige Spielerin. Für sie hat Corona nur einen Trend verstärkt, den es schon vorher gab. Christiane muss jetzt öfter warten, bis die Platte frei wird. Das ist nicht ihr größtes Problem: „Im letzten Jahr war der Andrang auf jeden Fall nicht so schlimm wie das schlechte Wetter.“

Zwischen Retro-Charme und wachsendem Markt

Tatsächlich lässt sich eine steigende Beliebtheit nachweisen. Ein großer Onlinehändler verkaufte 65-mal mehr Schläger als im Vorjahr, der Absatz an Tischtennisplatten hat sich verdreifacht. Inzwischen sieht man zudem alle möglichen Gadgets an den Platten, etwa mobile Klemmlampen für nächtliche Partien. Der Weltverband reagiert auf den größeren Markt, indem er bunte Variationen des bisher einheitlich schwarz-roten Schlägerdesigns erlaubt. Und auch die brutalistischen Betonplatten versprühen schon lange einen Retro-Charme von Bodenständigkeit und inklusiver Stadtplanung.

In der Pandemie war die Tischtennisplatte ein öffentlicher Treffpunkt und eine Möglichkeit, Freunde zu sehen, sich etwas zu bewegen. Doch auch jetzt, da Biergärten und Cafés wieder öffnen, sind die Steinplatten ständig belegt.

Corona geht hoffentlich langsam vorbei. Die neue alte Freude am Tischtennis bleibt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!