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Grüne Kanzlerkandidatin BaerbockSie kann die Sache groß machen

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Annalena Baerbock präsentierte sich wenig provokant. Aber als Kanzlerin müsste sie feministische Fragen ganz anders pushen als ihre Vorgängerin.

Die Grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Montag in Berlin Foto: Kay Nietfeld/dpa

S ie schreibt grüne Geschichte: Annalena Baerbock ist die erste grüne Kanzlerkandidatin und die jüngste aller KandidatInnen, die sich hierzulande je zur Wahl gestellt haben. Am Montag um 11 Uhr lüftete ihr Co-Chef Robert Habeck das in den vergangenen Monaten bestgehütete Geheimnis der Partei. Es beginne „ein neues Kapitel für unsere Partei und, wenn wir es gut machen, auch für unser Land“, sagte Baerbock in ihrer Bewerbungsrede.

Eine andere als diese Entscheidung in der K-Frage wäre für die Grünen, die seit ihrer Gründung auf die Frauenfrage pochen und dennoch vor allem ihre Macker pushten, frauenpolitisch vernichtend gewesen. Habeck, der sich als Feminist präsentiert – und wenn es darauf ankommt, doch nach vorn prescht und gönnerhaft Stellvertreterinnen benennt? Nahezu unvorstellbar.

Und trotzdem: Die sicherere Bank wäre er wohl gewesen. Laschet, Söder, Scholz und ein Schwiegermuttertraum dazu, fertig ist das Immergleiche. Eine Frau hingegen, eine junge noch dazu, gilt in der bundesdeutschen Politik noch immer als Wagnis. Die Referenzgröße ist der Mann, Abweichungen müssen erklärt werden.

Das weiß Baerbock – und so hielt sie ihre Rede. Sie präsentierte sich als Kandidatin für die Breite der Gesellschaft. Sie betonte ihre Rolle als Mutter, als künftige Großmutter. Sie gab sich als mittige Versöhnerin und Reala, die „Angebote“ machen will und auf Klima, Kitas, Schule, Pflege, starke Wirtschaft und sozialen Zusammenhalt setzt. Frauenpolitik? Fehlanzeige. Zu provokant, zu nischig scheint das, was die Hälfte der Gesellschaft betrifft, an solch prominenter Stelle wie der Rede zur Kanzlerinnenkandidatur noch immer zu sein.

Vertreterin einer neuen und jungen Generation von Frauen

Dabei sind die Zeiten in dieser Hinsicht für Baerbock besser, als sie es noch für Merkel waren, das ja. Aber noch immer müssen sich Frauen gegen misogyne Muster wehren, noch immer wird es für manche so aussehen, als ob sich da eine nehmen will, was ihr qua Geschlecht nicht zusteht: Macht. Doch darin liegt auch eine Chance. Möglich, dass die Völkerrechtlerin, Klima- und Umweltexpertin Baerbock nicht die mittelmäßige Nummer Sicher ist, die Habeck gewesen wäre. Baerbock kann untergehen, klar – aber sie kann die Sache auch groß machen.

Kanzlerin Merkel und Kanzlerkandidatin Baerbock 2020 im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

Aus feministischer Perspektive ist dabei nun entscheidend, wie der Wahlkampf aussieht, wie ihre Politik aussehen wird. Wen holt sie, wie spricht sie, wie führt sie, wo setzt sie Schwerpunkte? Welche Rolle spielen Parité, Gewaltschutz, Equal Pay, Equal Pension, der Paragraf 219a? All das sind Themen, zu denen sich Baerbock zumindest in der Vergangenheit klar positionierte.

Angela Merkel hat Frauenfragen erst gegen Ende ihrer Karriere angesprochen, und auch da nur punktuell. Als Vertreterin einer neuen und jungen Generation von Frauen, als Feministin, als die sich Baerbock bisher recht glaubhaft inszenierte, muss die neue potentielle Kanzlerin das anders halten.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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25 Kommentare

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  • Frau Baerbock sollte erst Aufgaben einer Ministerin übernehmen und Erfahrungen sammeln, bevor sie sich als BK zur Verfügung stellt. Und was diesen Satz angeht: "Aber als Kanzlerin müsste sie feministische Fragen ganz anders pushen als ihre Vorgängerin." Ein/e BK*in sollte keine Lobbyarbeit betreiben, sondern sich für die Interessen ALLER Mitglieder der Gesellschaft einsetzen: egal, welchem Geschlecht sie angehören, wie alt sie sind, welche sexuelle Identität sie haben, etc. etc. Es soll den Menschen gut gehen und nicht den Frauen oder den Männern.

    • @Jossi Blum:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an:

      taz.de/Gruene-Kanz...bb_message_4112686 " [....] bevor sie sich als BK zur Verfügung stellt." - Wie gnädig.



      (Habe in meiner Icon-Sammlung leider keine Krone gefunden) 👸 “ - funzt •

      • @Lowandorder:

        Das hat nichts mit Gnade, sondern mit beruflicher Expertise zu tun, derer es in der Politik vieler *innen mangelt. Aber letzten Endes spielt es ja in Deutschland keine große Rolle, wer BK wird, denn regiert werden wir ja von uneinigen MPs, wie man im Fall der "Bekämpfung" der Corona-Pandemie bestens gesehen hat. Die BK hat ihre Wünsche geäußert, die man zur Kenntnis genommen, aber dann doch nicht umgesetzt hat.

        • @Jossi Blum:

          Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - sidekickt:

          “ JOSSI BLUM hält "Grüne Wiese" für "berufliche Expertise":



          taz.de/Gruene-Kanz...bb_message_4113117



          Da zitiere ich nochmal Mascha Kaléko.



          " 'Ich hüpfe, sprach der Gummiball, so wie es mir beliebt



          und schließ draus, dass es sowas wie freien Willen gibt.'



          'Mal hüpf ich hoch, mal hüpf ich tief, nach Lust und nach Bedarf.',



          so sprach der Ball, nicht ahnend, dass des Knaben Hand ihn warf".“

          kurz - Hochmut & Ball -



          Kommt vor dem Fall.



          Liggers - Allöverall - 🙀 -

  • "Aber als Kanzlerin müsste sie feministische Fragen ganz anders pushen als ihre Vorgängerin"

    Erst als Kanzlerin?

    Nicht bereits davor schon im Wahlkampf auch?

  • RS
    Ria Sauter

    Kauft schon mal Farbe, liebe Leute.



    Die Kitas sollen zu den schönsten Orten werden.Streichen wir noch die Altersheime an, dann ist alles gut.



    Kein Wort zu Altersarmut, Unterbezahlung der Angestellten.



    Sie reiht sich ein bei der anderen Frau aus dem Osten.



    Ein Land, in dem wir gut und gerne leben.



    Einige leben hier sehr gut und gerne, andere versuchen nur zu überleben.



    Das wird schwarz/grün oder grün/schwarz schon richten.



    Applaus, Applaus für diesen Witz!

    • @Ria Sauter:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch springt bei:

      “Kästner gegändert.

      Für Frau Flieder (bald blüht er wieder) taz.de/Gruene-Kanz...bb_message_4112409



      "Immer wieder kommen Staatsmänner [und -frauen] mit großen Farbtöpfen des Weges und erklären, sie seien die neuen Baumeiser. Und immer wieder sind es nur Anstreicher[*innen].“

      • @Lowandorder:

        & Däh - Sorry - war zu schnell! - 😱 -

        My Sidekick fährt fort:

        “… Egal, wieviel Mann gendert, weil sich ja doch nix ändert hier mal kurz kalendert.



        Kästner und Flieder.. Der Mai kommt wieder:



        [....]



        "Die Kutsche rollt durch atmende Pastelle.



        Wir ziehn den Hut. Die Kutsche rollt vorbei.



        Die Zeit versinkt in einer Fliederwelle.



        O, gäb es doch ein Jahr aus lauter Mai!"



        [....]



        www.deanita.de/fruehling/mai_03.htm







        and btw.: de.wikipedia.org/w...icher_(Spottname)“

        kurz - Schonn. Jedoch: “Eine der schönsten Zeiten im Frühling ist der Herbst!“ Ooch wieder wahr. Gelle.

        • RS
          Ria Sauter
          @Lowandorder:

          Vielen Dank für meinen geliebten Kästner!



          Ich bin absoluter Flieder-und Frühlingsfan.



          Oder heißt das jetzt Fanin🤣

          • @Ria Sauter:

            Werte @Frau Flieder.

            Hier muß ich mich kurz noch mal reindrängeln.



            is.muni.cz/el/1421...ber_Ringelnatz.pdf



            ..Wir wandern alle mit der Zeit nach dem spitzen Ende der Tüte. Höflichkeit und Liebenswürdigkeit sind noch längst keine Güte...



            ..ERICH KÄSTNER: Ringelnatz und Gedichte überhaupt



            In die Literaturgeschichte vom Jahre 2400 einzugehen ist halb so wichtig!.. ..Einer der stärksten unter den «brauchbaren» Lyrikern von heute ist nach wie vor Joachim Ringelnatz...

            Ja, hm, find ick eigentlich zu frieden stellend.

            • @Ringelnatz1:

              Sachte er ja so:

              “ Manchmal, zwischen trocknen Zeilen, barmt es, winkt es oder lacht es. – Spielen Kinder doch zuweilen wundersames Selbsterdachtes.“ - 🤫 -

  • Nun, Kretschmann hat mal gesagt: "Klima, Klima, Klima". Das ist 1., 2. und 3. Priorität.



    Der Rest kommt danach.

    • RS
      Ria Sauter
      @Kartöfellchen:

      Der Kretschmann der Mercedesklasse fährt?



      Der Kretschmann, der Stuttgart im Fahrzeugchaos und Smog versinken läßt?



      Ach ja, man muss das Große und Ganze sehen. Alles kommt später.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - legt nach:

    “Unter Werfung

    Kabinett Stückchen. Frisch. Gewickelt.







    Vizekanzlerin und Außenministerin -



    Markus Söder kriegt das hin.



    Habeck geht zurück nach Kiel.



    Da hat Herr Günther leichtes Spiel.“

    kurz - Bei dem ganzen Schmaus - 🤫 -



    Guckt auch noch ein Buch heraus.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Wie sieht das bei ihr aus mit Weltthemen?

    Aufmarsch der Russen an der Grenze der Ukraine? Fraurechte im Islam? Machtanspruch von China? Überbevölkerung? Zerfall der EU?

    Darüber entscheidet sich die Wahl!

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @02854 (Profil gelöscht):

      Nein tut sie nicht dem Großteil der Deuschen sind die Tragweite dieser Themen nicht bewusst oder es interessiert sie nicht, die meisten wählen kurzfristig denkend mit dem Portmonee im Hinterkopf. Außenpolitik ist den meisten Deutschen zu kompliziert und unbequem - Vogel Strauß Taktik, deswegen reden Politiker nicht zu den von ihnen angesprochenen Themen könnte die Bevölkerung ja verunsichern.

  • Da kann die Union noch etwas lernen! Während die Unionskandidaten nicht müde wurden, gleich noch die Begleitmusik für Presse, Funk und Fernsehen zu liefern, sah und hörte man über den gleichen Vorgang bei den Grünen – NICHTS! Wir werden nie erfahren, wie es tatsächlich hinter den Kulissen lief. War wirklich nur Friede, Freude, Eierkuchen?



    Allerdings möchte ich aus politischer Sicht bezweifeln, dass das Verfahren der Grünen vorbildlicher war, als das der CDU/CSU. Indem nämlich die Entscheidung zwischen Baerbock und Habeck im Hinterzimmer ausgekungelt und dann die Partei und das Volk mit dem Ergebnis überrascht wurden.

  • Mit Frauenpolitik alleine gewinnt man keinen Wahlkampf auch wenn die Hälfte hier im Lande Frauen sind. Die Logik, die den Feminismus antreibt ist, dass eigentlich alle Frauen gleicher Meinung sind. Schaut man sich das Wahlverhalten der Frauen an, so stellt man fest, dass dem nicht so ist und die Frauen bei vielen Themen genau so wenig einer Meinung sind, wie Männer.

  • Mit "Parité, Gewaltschutz, Equal Pay, Equal Pension, der Paragraf 219a" kann sie die Wahl bestimmt nicht gewinnen. Die 2-5% eingefleischten Feministinnen werden sowieso die einzige Kandidatin wählen.

  • Groß oder nur Pippi?

    “ …die Völkerrechtlerin, Klima- und Umweltexpertin Baerbock nicht die mittelmäßige Nummer Sicher ist, die Habeck gewesen wäre.“



    “ Baerbock kann untergehen, klar – aber sie kann die Sache auch groß machen.“

    kurz - Die Richtlinienkompetenz ist ersichtlich nicht gemeint - wa!



    But. That’s the job & schon Angie hat sich nicht getraut!



    Mielke auf Rädern Wolfgang der Briefumschlag Schäble!



    Achtkantig rauszuschmeißen!



    “Wer anderes von mir verlangt. Dann tret ich zurück!“

    kurz2 - Hauptsache es feministisch gedüngt!



    Nicht zu fassen. Geht’s noch?!

    unterm—— seherisch geradezu —- Föderalherpes —



    “ Es zog ja ein übler Hecht durchs Kanzleramt.



    Es roch wie bei Altmaier unter der Maske,



    und viele wollten wohl noch schnell vor die Tür,



    bevor die Ausgangssperre in Kraft tritt.…“ Woll!



    taz.de/Die-Wahrheit/!5760644/

    Na Mahlzeit



    Dank & Tusch geht an Fritz Eckenga - 😂 -

    • @Lowandorder:

      Die Richtlinienkompetenz ist spätestens seit Merkels Pandemiepolitik Makulatur.

      • @Ajuga:

        Da Sie es immer wieder behaupten hier noch mal die Korrektur:

        Für die Gesundheitspolitik sind die Länder zuständig. Für die höchsten Inzidenzwerte der Republik ist beispielsweise Ramelow von der Linkspartei in Thüringen verantwortlich.

        • @Rudolf Fissner:

          Na Jung. Wieder den Schuß nicht gehört & prompt im falschen Wald Holz am Hacken. Früher - lang vor Ihrer Zeit - gab‘s in den Vorlesungen auch so immer dieselben zwei drei mit sojet Einwürfen:



          Knapp daneben is auch vorbei = Ein Moment der Stille - und weiter ging‘s •

          kurz - wie F.K. Waechter mal richtig bemerkte: “Etwas daneben - ist auch vorbei!“ - 🥳 -

      • @Ajuga:

        May be.

        Der Dammbruch war beim Grexit.



        That makes him tickl Na Mahlzeit - 👹 -



        “Schäubles schauderhafte Nachtlektüre“



        www.welt.de/welt_p...Nachtlektuere.html



        &



        www.zeit.de/2007/3...bles_Nachtlektuere



        & Grexit -



        “ Warum Merkels Macht ab jetzt bei Schäuble endet -



        www.welt.de/wirtsc...haeuble-endet.html



        &



        www.handelsblatt.c...unft/12099090.html

        & Dann nach Grexit - Däh



        DeMisère & Schäuble



        “ Der Putsch - Von Jakob Augstein



        Die Flüchtlingskrise wird zur Regierungskrise. Schäuble und de Maizière machen Politik auf eigene Rechnung. Merkel hat die Richtlinienkompetenz verloren.



        www.spiegel.de/pol...mne-a-1061820.html



        & hier das Zitat



        “ Und dann kokettiert er sogar mit dem Rücktritt: niemand könne ihn zu etwas zwingen. „Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten.“ Der Ordnung halber antwortete der Politik-Fuchs Schäuble auf die Frage, ob er darüber nachdenke: „Nein, wie kommen Sie darauf?“ - Eben! - 🥳 -