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Aufatmen, aber noch keine Lösung

US-Präsident Joe Biden kippt die von Vorgänger Donald Trump eingeführte Obergrenze von 15.000 Flüchtlingsaufnahmen jährlich

Asylsuchende aus Zentralamerika warten in Texas auf einen Transport nach der Überquerung des Rio Grande Foto: Go Nakamura/reuters

Von Bernd Pickert

62.500 Geflüchtete will US-Präsident Joe Biden in den nächsten sechs Monaten in die USA lassen. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Erklärung des Weißen Hauses hervor. Damit hebt Biden die strikte Obergrenze von 15.000 Geflüchteten auf, die sein Vorgänger Donald Trump eingeführt hatte – ist aber auch noch nicht bei der Zahl von 125.000 jährlichen Erlaubnissen, die er im Wahlkampf angekündigt hatte.

Noch Mitte April hatte Biden entgegen erster Ankündigungen kurz nach seiner Amtsübernahme gesagt, er wolle die Zahl von 15.000 zunächst bestehen lassen. Das aber brachte ihm so starke Kritik aus den Reihen der eigenen Unterstützer*innen, aber auch von Flüchtlings- und Migrationsorganisationen ein, dass er recht schnell erklärte, die Entscheidung zu überdenken. Die Ankündigung vom Montag ist das Ergebnis.

Das heißt aber nicht, dass tatsächlich bis September 62.500 Geflüchtete, die allermeisten davon aus Zentralamerika, einen legalen Aufenthaltsstatus in den USA erhalten. Biden räumte am Montag ein, dass es vermutlich nicht gelingen werde, die Grenze von 62.500 tatsächlich auszuschöpfen. Dies sei die „traurige Wahrheit“, sagte er. „Wir arbeiten daran, die Schäden der vergangenen vier Jahre zu beheben“, sagte er mit Blick auf Trumps Regierung. Das Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen werde nun wieder hochgefahren.

Tatsächlich sind die entsprechenden Behörden – die Zuständigkeiten wechseln zwischen Gesundheits- und Heimatschutzministerium – unter Trump geschrumpft und haben derzeit sowohl Personal- als auch Haushaltsprobleme.

Dennoch reagierten Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereich insgesamt positiv auf die Ankündigung. „Wir sind erleichtert, dass die Biden-Regierung nach einer langen und überflüssigen Verzögerung ihr Versprechen hält, die Flüchtlingsobergrenze in diesem Jahr auf 62.500 anzuheben“, schreibt etwa Oxfam America. Die linke Abgeordnete Ilhan Omar, selbst einst aus dem Krieg in Somalia geflohen, sagte: „Wir sind jetzt einen Schritt weiter auf dem Weg, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Aber wir sind noch nicht angekommen.“

Einen weiteren Fortschritt hat die Regierung Bidens bei ihrem Ziel erreicht, geflüchtete Minderjährige aus den Haftzentren an der Grenze herauszubekommen. Saßen dort Anfang März noch immer über 5.000 Minderjährige ein, die als unbegleitete Geflüchtete über die Grenze gekommen waren, sind es jetzt nach Angaben der New York Times nur noch 600. Die anderen seien in Übergangswohnheimen untergebracht worden.

Um die medienwirksamen Bilder eines „Ansturms“ auf die US-Südgrenze zu vermeiden, die unmittelbar nach Bidens Amtsantritt durch die US-Nachrichten gingen, hatte das Weiße Haus dringende Appelle in Richtung Zentralamerika gesandt, sich derzeit nicht auf den Weg zu machen. Gleichzeitig versucht Biden, durch gezielte Wirtschafts- und Entwicklungshilfen an die Region Fluchtursachen zu mindern.

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