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Kunsttipps der WocheGanz plastisch, ganz da

Drei Mal Material: Ayşe Erkmen auf Internetsuche, „neutral-graue“ Gemälde von David Ostrowski und Hoda Tawakols textile Frauenkörper.

Installation view, David Ostrowski, „So kalt kann es nicht sein / It can't be that cold“, Sprüth Magers Berlin Foto: Ingo Kniest; © David Ostrowski / Courtesy Sprüth Magers

A ls wäre nach so langer Zeit geschlossener Galerien die virtuelle auf die materielle Ausstellung übergesprungen, so scheint es für einen Moment in der wieder geöffneten Galerie Barbara Weiss. Ayşe Erkmen hat hier nämlich mit zahlreichen Fotoprints eine Ansicht an den Wänden installiert, die eigentlich auf dem Display in der Google-Bildersuche auftaucht. Man kann jetzt entlanglaufen, wo man sonst mit wenigen Fingerbewegungen entlangscrollte: an allem Bildmaterial, das bei Google unter dem Begriff „Ayşe Erkmen“ auftaucht.

Die hunderten, mal hochaufgelösten, mal arg verpixelten Digitalabzüge wirken wie ein dilettantisches Bilderalbum zur jüngeren Kunstgeschichte, von der die international erfolgreiche Erkmen mittlerweile Teil ist: Der Ernst-Franz-Vogelmann-Preis für zeitgenössische Skulptur (2020), ihr Wassersteg bei den letzten Skulpturprojekten in Münster (2017), der türkische Pavillon in Venedig (2011), ihre Retrospektive im Hamburger Bahnhof (2008).

Auf die ihr eigene, konzentrierte Weise macht die Konzept-Bildhauerin Erkmen mit der Installation „Itself (green)“ aber einen Widerspruch erfahrbar, den wir alle vielleicht einmal erlebt haben, fragt man eine Suchmaschine nach dem eigenen Namen ab: Sie scheint visuell kontrollieren zu wollen, was inhaltlich längst außer Kontrolle geraten ist. „Macht nix“ signalisieren die Bitmoji-Avatare von Ayşe Erkmen dann von einer im Hintergrund laufenden Videoprojektion. Doch die sind ja nur eine digitale Beruhigungspille.

Alles Grau mit David Ostrowski

Ganz plastisch, ganz da, so wie Farbe auf Leinwand eben da sein kann, ist die Malerei des Kölners David Ostrowski. Ihm geht es bei Sprüth Magers um die Präsenz des Materials. Deswegen hängen seine abstrakten Bilder auch in ihrer unperfekten Beschaffenheit mitten im Raum. Malerisch betreibt er jedoch die totale Reduktion, die er geradezu in der malerischen Verneinung findet. Denn all seine monochromen Bilder dieser Ausstellung sind in „Neutral-Grau“ angefertigt. Jenes Standardgrau aus dem Baumarkt, in das auch Stapelboxen nach DIN-Format oder Stoßstangen von Sprintern getönt sein können.

David Ostrowski übermalte bereits existierende Bilder von ihm mit dieser Farbe einer größtmöglichen Unsichtbarkeit. Und während er den vorherigen Bildinhalt dadurch löschte, machte er das bestehende Material sichtbar. Man erkennt Konturen, Kleckse, Leerstellen – letztlich Tiefe. An einer Stelle zeichnet sich unter dem Grau auch eine hineincollagierte Figur ab. Ob dies wohl der italienische Sänger Adriano Celentano ist, der – neben anderen von Ostrowski gehörten Mu­si­ke­r:in­nen – in einem Titel der Neutral-Grau-Serie auftaucht?

Textile Körper von Hoda Tawakol

Bein, Busen, Bauch sind massig, der Kopf ist gar nicht erst vorhanden. Vollkommen überzogene, füllige Frauenkörper ̵̶ irgendwie „Nana“ von Niki de Saint Phalle, irgendwie Venus von Willenstein und irgendwie „Bunny“ von Sarah Lucas ̵̶ installierte Hoda Tawakol in der 24 Meter langen Vitrine des Institut Français am Kurfürstendamm.

Wie viele feministischer Künst­le­r:in­nen eignet sich auch Hoda Tawakol das Textil als Arbeitsmaterial an und sie tut dies provokativ und humorvoll zugleich. Die Brustwarzen ihrer Frauenkörper markiert sie mit Batikkreisen, die Massigkeit des Bauches formt sie mit einem tief eingenähten Nabel aus. Tawakols Installation „corps (in)visibles“ bildet den Auftakt für eine ganze Ausstellungsreihe in der Vitrine des Institut Français. Hier im alten Berliner Westen, zwischen den Schaufenstern von Edelboutiquen und Luxusimmobilienmarklern, wo manch eine „femme de“ vormittags zur Schönheitschirurgie fährt, ist Tawakols Kritik am „Objekt Frau“ gut platziert.

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