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Bremer Buch zum italienischen FilmPointiert, anschaulich, intelligent

Mit seiner „Geschichte des italienischen Films“ hat der Bremer Irmbert Schenk eine so umfassende wie gut zu lesende Gesamtdarstellung geschrieben.

Ein Star nicht nur in Italien: Die Schauspielerin Sophia Loren im Jahr 1961 Foto: picture alliance / dpa | Cinecitta Press Office / Ho

Bremen taz | Er ist eine Art Urgestein der Bremischen Filmszene, Spezialist des italienischen Films und hat darüber jetzt ein opulentes Buch verfasst: Irmbert Schenk, 1941 in Stuttgart geboren, der, nach Studien in Mailand und Lehraufträgen in Italien, 1971 gleich nach Gründung der Bremer Uni dort als erster Professor in Deutschland Vorlesungen zur Filmgeschichte hielt. Er tat es bis zur Rente im Jahr 2006.

Doch Schenk war nicht nur Theoretiker: 1974 war er Mitgründer des Internationalen Bremer Symposiums zum Film und des Bremer Filmpreises. Auch das Bremer Kommunalkino hat er mitinitiiert. Von konservativen Bremer Kreisen, zu denen auch die SPD-nahe Bürgerzeitung gehörte, wurde er dafür als „Umstürzler“ und „Linker Chaot“ beschimpft. Die erste von ihm programmierte Vorstellung im Cinema Ostertor war dann dem italienischen Neorealismus gewidmet.

Mit seinem jetzt vorgelegten Buch „Geschichte des italienischen Films“ hat er nun ein kenntnisreiches Werk verfasst, das dessen Facetten aus allen Winkeln beleuchtet. Erotische Freizügigkeiten zum Beispiel finden nur selten Erwähnung in filmwissenschaftlichen Publikationen. Doch in Schenks Buch steht im „Exkurs zur Zensur“ etwa folgender Satz: „Die meisten Zensurgründe betreffen Erotik und Sex, obwohl den Zensoren die nackten Brüste von Clara Calamai, 1942 in „La Cena Delle Beffe“, und Sophia Loren, 1953 in „Due Notti Per Cleopatra“, merkwürdigerweise entgehen.“

Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie konkret und wissensgesättigt Schenk über den italienischen Film zwischen den Jahren 1895 und 2019 schreibt. Dabei ist das 334 Seiten starke Werk nicht nur für FilmwissenschaftlerInnen lesenswert. Weil Schenk darauf verzichtet, sich auf die in diesem Forschungsgebiet sonst übliche Fachterminologie zurückzuziehen, und sich nicht in abstrakte Filmtheorien verstrickt, ist der Wälzer überraschend gut zu lesen.

Das Buch

Irmbert Schenk: „Geschichte des italienischen Films – Cinema Paradiso?“ Schüren Verlag 2021, 334 S., 34 Euro

Jedes der sieben Kapitel, in denen jeweils eine Ära behandelt wird, in der das italienische Kino Weltgeltung erlangte, beginnt mit einem kurzen Abriss der politischen und kulturellen Situation des Landes. Denn Schenk will deutlich machen, aus welchen politischen und sozialen Verhältnissen sich etwa der Neorealismus oder das international erfolgreiche italienische Genrekino in den 1960er-Jahren entwickelt haben.

Im Anschluss beschreibt er, stets anhand konkreter Filme, die Stilrichtungen der betreffenden Ära. Diese Filmanalysen sind so pointiert, anschaulich und intelligent geschrieben, dass sein Buch jederzeit auch als Nachschlagewerk dienen kann. Es gibt zwar keine Filmografie, weil diese das Buch angesichts der vielen hundert behandelten Filme noch dicker und teurer gemacht hätte. Anhand des Namensregisters kann man aber Filme wie Fellinis „La Dolce Vita“, Viscontis „Morte A Venezia“ oder Sergio Leones „Per Qualche Dollaro In Più“ durchaus zügig finden.

Schenk steht mit seinem Buch in der Tradition der filmhistorischen Standardwerke, die etwa Jerzy Toeplitz, Georges Sadoul oder Ulrich Gregor und Enno Patalas in den 1950er- und 1960er-Jahren geschrieben haben. Damit scheint sein Werk etwas aus der Zeit gefallen, und man kann den Verlag nur dafür loben, dass er solch ein aufwendiges und alles andere als kommerziell erfolgversprechendes Projekt in Angriff genommen hat.

Aber es ist eben mehr als ein bloßes Standardwerk: Auch für FilmkennerInnen überraschend sind zum Beispiel Kapitel über die frühen Jahre der italienischen Filmindustrie. Denn zum einen macht Schenk deutlich, dass mit monumentalen Stummfilmen wie „Quo Vadis“ (1912) und „Cabiria“ (1914) das Genre der Historienschinken in Italien erfunden wurde. Auch das Starsystem wurde nicht in Hollywood entwickelt, sondern begann schon 1911 mit dem „Divismus“, bei dem man einen Kult um weibliche wie männliche Diven schuf.

Auch dass sich in den 1930er-Jahren der faschistische „Duce“ Benito Mussolini in der Tradition der Forzuti genannten „Starken-Männer-Filme“ als „Filmstar“ präsentierte, ist eine interessante, weil auch zeithistorisch relevante Information.

Da ist es folgerichtig, dass Schenk sich besonders ausführlich dem Neorealismus widmet, mit dem die italienischen Filmemacher das Trauma des Faschismus bearbeiteten. Die durch diesen Boom des italienischen Autorenkinos ermutigten Regiestars Rossellini, De Sica und Visconti, später Fellini, Antonioni, Pasolini und Bertolucci werden in ihrer Entwicklung vorgestellt, wobei Schenk jeden ihrer Filme auch stilistisch analysiert.

Etwas zu kurz kommt allerdings das Genrekino. Über den Italo-Western schreibt Schenk gerade mal fünf Seiten. Bud Spencer und Terence Hill erwähnt er in einem einzigen Satz. Und das, obwohl die beiden für eine vor allem in Deutschland kommerziell erfolgreiche Welle des italienischen Films stehen.

Die Don-Camillo-Filme der 1950er-Jahre kommen mit immerhin einem Absatz etwas besser weg. Interessant ist, dass diese für das deutsche Publikum so harmlos wirkenden Komödien in Italien politischer Sprengstoff waren. Denn Giovannino Guareschi, Autor der literarischen Vorlagen, war strammer Antikommunist, weshalb sich berühmte Filmemacher wie De Sica weigerten, darin Regie zu führen.

Darüber hinaus Schenk weiß darum, dass viele Menschen – ZuschauerInnen wie FilmwissenschaftlerInnen – den Film eher als Kunstwerk betrachten und ausblenden, dass er auch Kulturindustrieprodukt ist. Dies versucht er am Ende seines Buches zu korrigierten, indem er im letzten Kapitel „Rezeption – Die Kassenerfolge“ statt ins Feuilleton auf die Kinokassen blickt und zumindest versucht, den populären italienischen Filmen der letzten zehn Jahre gerecht zu werden.

Wenn es einen Film gibt, der selber einen Panoramablick auf die italienische Filmgeschichte bietet, dann ist dies übrigens „Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore. Über keinen anderen Film schreibt Schenk dann auch so überschwänglich. Den Filmtitel hat er – mit Fragezeichen versehen – zum Untertitel seines Buchs gemacht.

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