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Energiepolitik in DeutschlandHolz aus Namibia statt Kohle?

Mit importiertem Holz sollen bisherige Kohlekraftwerke klimafreundlicher werden. Umweltverbände kritisieren den Vorstoß als neokoloniales Muster.

Importiertes Busch-Holz aus Namibia in Kraftwerken statt Kohle soll klimafreundlicher sein? Foto: ingimage/imago

Freiburg taz | In der Energiewende eskaliert ein neuer Konflikt: Ist es ökologisch vertretbar, in Kraftwerken statt Kohle künftig Importholz zu verbrennen, etwa aus Namibia? Während Energiekonzerne die Chance sehen, ihre Kraftwerke ohne viel Aufwand gemäß der CO2-Logik klimafreundlich zu rechnen, warnen Umweltverbände, die Pläne würden „die globale Klima- und Biodiversitätskrise deutlich verschärfen“.

Vor allem am Fall Hamburg entzündet sich die Debatte. Zuerst stand die Umstellung des Kraftwerks Moorburg im Raum, doch dieses wurde im Zuge des Kohleausstiegs vom Netz genommen. Jetzt geht es um das Kohlekraftwerk Tiefstack. Seit im vergangenen Mai die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie eine „Klimapatenschaft“ mit Namibia unterzeichnete, die auf dem Bezug von afrikanischem Buschholz fußt, reißt die Kritik von Umweltverbänden nicht mehr ab.

Im Februar schrieben 40 Organisationen gemeinsam einen offenen Brief an Entwicklungsminister Gerd Müller. In dessen Auftrag treibt die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Projekt „Nutzung von Busch-Biomasse“ voran – gefördert mit 14 Millionen Euro. Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) erklärte nun in einer Antwort auf den Brief zwar, die Nutzung namibischer Hölzer in deutschen Kraftwerken sei nicht Ziel des Vorhabens. Gleichwohl beruft sich die Hamburger Umweltbehörde darauf, dass Grundlage der Partnerschaft mit Namibia ein Auftrag des BMZ sei, die Nutzung von Busch-Biomasse zu verbessern.

In Wirklichkeit, so klagen die Umweltverbände, propagiere die GIZ „die industrielle Abholzung auf einer Fläche von 30 Millionen Hektar in Namibia – eine Größe, die der Landesfläche Italiens entspricht“. Es sei geplant, Industrieanlagen aufzubauen, die aus dem Buschholz Pellets beziehungsweise Hackschnitzel fertigen, um diese in Industrieländer zu exportieren. So werde „durch einen legalen Bilanzierungstrick die Holzverbrennung in Deutschland als CO2-neutral deklariert“.

Kritik an „neokolonialen Mustern“

Holzenergie gilt oft als CO2-neutral, weil Holz ein nachwachsender Rohstoff ist. Allerdings stimmt die Bilanz nur dann, wenn es um Restholz geht, das ansonsten verrotten würde; nicht jedoch, wenn man – wie die Umweltverbände im Fall Namibia monieren – „eine für den Klimaschutz wertvolle Kohlenstoffsenke“ verheizt. Auf den heutigen Buschflächen solle zudem die Rinderhaltung intensiviert werden, was die Emissionen des Treibhausgases Methan erhöhen und so die Ökobilanz des Projektes vollends ruinieren würde.

Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einem Förderprogramm im Umfang von einer Milliarde Euro zugunsten der Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf Gas- oder Biomasse. Denn Strom aus Holz ist derzeit nicht konkurrenzfähig. Das hat auch die Beratungsgesellschaft Enervis gerade in einer Studie im Auftrag von mehreren Energieunternehmen – unter anderem der EnBW – vorgerechnet.

Bei Umstellung eines Kohlekraftwerks auf Holz sei mit einem Erzeugungspreis von 10,5 bis 12 Cent je Kilowattstunde zu rechnen. Selbst wenn die Anlagen bevorzugt dann Strom produzieren, wenn wenig Wind- und Solarstrom vorhanden und der Börsenpreis damit höher ist, bleibe ein Förderbedarf von 3,7 Cent je Kilowattstunde. Die Energiewirtschaft hofft nun auf entsprechende Zuschüsse.

Am Ende geht es bei dem Konflikt um das Busch-Holz aber nicht nur um ökologische und wirtschaftliche Fragen, sondern auch um geopolitische. Während die GIZ die Holznutzung „als Ausgangspunkt für zahlreiche Wertschöpfungsketten“ in Namibia beschreibt, sehen die Umweltverbände sich an längst vergangene Zeiten erinnert. In ihrem offenen Brief heißt es: Eine Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia, „die als Vehikel für die Produktion erwünschter Rohstoffe und für Renditechancen vermeintlich ‚grünen‘ Kapitals fungiert“, würde „in negativer historischer Tradition neokolonialen Mustern“ folgen.

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20 Kommentare

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  • Leider ist der Artikel oberflächlich recherchiert und berührt nur am Rande den Ursprung der Anfrage aus Namibia an Hamburg, nämlich die dortige Verbuschung der ursprünglichen Savannenlandschaft. Der Autor versucht aus deutscher Sicht ein namibisches Problem zu erfassen, was lesbar so nicht funktioniert hat. Besser macht es die Gruppe aus Klimaaktivisten und Aktiven im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit innerhalb des Netzwerks hamburg.global, die sich differenziert dem Thema nähern: hamburg.global/org...sstieg/pg-namibia/

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich bin eher für Diamanten. Davon gibt es in Namibia jede Menge! Ist allerdings auch Kohlenstoff!!! Problem!

  • Das Verbrennen von Holz war und ist niemals ökologisch, auch wenn manche Rechenspiele dieses als "CO2-neutral" kennzeichnen.

    Für Öko-Pellets in Hygge-Dänemark werden im Baltikum Bäume in Naturschutzgebieten gefällt. Die Fernwärmeheizungen in vielen ehemaligen Zechenstandorten werden heute mit Holz befeuert, für das in Rumänien die letzten großen europäischen Urwälder zerstört werden und RWE/e.on kaufen in Südfrankreich riesige Wälder um dort hochsubventierte "Bio-Holzkraftwerke" zu betreiben.

    Der größte Stromfresser heutzutage sind die Server der Cloud-Rechenzentren, deren größtes Problem die Kühlung ist. Hier eröffnen sich theoretisch ungeahnte Möglichkeiten der Energie-Rückgewinnung über den Kühlkreislauf. Egal wie spinnert es klingt, alles besser als Holz zu verheizen, nur weil man aus politischen Gründen kein Gas aus Russland will.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Dann lieber Atomkraftwerke. So überleben wenigstens die Nashörner. Die wohnen da nämlich.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Ja, aber verschiedene Arten, einige sehr selten und stark bedroht, von Zivilisation und Wilderei.

  • Die politischen und historischen Gesichtspunkte in diesem Artikel sind wichtig. Man sollte aber nicht vergessen, daß in Hinsicht auf CO2-Emissionen das Verbrennen von Holz in thermalen Kraftwerken verhängnisvoll ist. Weil Holz weniger energiedicht ist als Kohle, wird pro erzeugter Kilowattstunde mehr CO2 freigesetzt. Dazu kommt aber, daß ein Kahlschlag in gemäßigten Klimaten für 30 Jahre mehr CO2 ausstößt, als er bindet. Das Nachwachsen der Wälder kommt mit einer jahrzehntelangen Verzögerung daher (wenn es geschieht). Wenn man Kohlenstoff aus der Luft heraushalten will, muß man die Wälder stehen lassen. Sie abzuholzen, um das Holz zu verbrennen, ist klimapolitisch verrückt.

  • Als wir vor einigen Jahren mit einem Ranger und Viehzüchter durch Namibia fuhren, stellte uns der Reiseleiter Detlef, ein in Deutschland ausgebildeter Ingenieur, vor einige Fragen und konfrontierte uns mit Kolonialismusrelikten, aber auch mit Umweltproblemen. Das war im Diskurs zwischen Nord & Süd sowie für Jagd oder gegen Fleischkonsum anstrengend, aber fruchtbar. Damals wies er darauf hin, dass in unseren Baumärkten bzw. Discounter-Filialen Holzkohle aus Namibia angeboten wird. Nicht zu knapp. Der grösste globale und mächtigste Handelspartner in vielerlei Hinsicht damals schon: China. Die fackeln nicht lange, die Ökonomiestrategen aus dem Reich der Mitte. Im Uranabbau haben sie sich Claims gesichert, der Einfluss des Westens schmilzt dramatisch dahin, wenn Investitionen in die Infrastruktur gefragt sind. Die Verbuschung des Landes ist ein spezielles Problem, das ist nicht mit den nostalgischen Bildern aus Etosha zu verbinden. Vieles in Namibia ist im Romantik-Level von Safari und Foto- Session für uns drastisch - dank Detlef - zurechtgerückt worden. Auch die postkolonialen Schulden wurden thematisiert. Wir blieben im Gespräch, zunehmend verständnisvoller. Alles hat seine Zeit und seinen Preis, Kompromisse sind manchmal multilateral segensreich.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Martin Rees:

      China ist bei jeder Sauerei ganz vorne mit dabei.



      Die Profite der deutschen Autoindustrie werden doppelt und dreifach bezahlt, weil niemand sich traut, gegen diese Verbrecher in Peking vorzugehen.



      Das wird uns sowas von auf die Füße fallen.



      Sleepy Joe ist jedoch schon mal auf einem guten weg - Trump war dies in dieser Hinsischt auch.



      Nur Merkel belässt es bei Ankündigungen, dass man eigentlich auch über Menschenrechte reden müsste - müsste, sollte .... 4 Sekunden lang. Dann geht`s um Geschäfte.

  • Das soll nicht wie whataboutism wirken, aber China importierte 2019 75.000 Tonnen namibisches Holz und da beschwert sich niemand über Neokolonialismus

  • Vorschlag eins: Wenn Namibia tatsächlich nachwachsende (!) Holzbestände hat, wird dort mit deutscher Unterstützung ein Holzkraftwerk für die einheimische Energieerzeugung gebaut.



    Vorschlag zwei: In Deutschland werden die vorhandenen Unmengen von Käfer- und Dürre-Fichtenholz in einem umgebauten Kohlekraftwerk in stromarmen Zeiten zur Energiegewinnung verwendet.



    Wahrscheinlich sind diese beiden Vorschläge aber doch wohl einfach zu vernünftig, als dass sie in den deutschen Energie- und Behördendschungel irgendwie Eingang finden könnten ...

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Christ:

      Da müssen sie Greenpeace erst um Erlaubnis fragen!

    • @Christ:

      zu Vorschlag 2 ist zu beachten, dass Käferholz bei ausreichendem Stammumfang zu wertvollem Bauholz verarbeitet werden kann und wird. Zwar hat Käferholz einen leichten Blaustich, doch wird dieses Bauholz für Balken u.a. im nicht sichtbarem Bereich verwendet, da es günstiger ist als Importware, da es zur Zeit zu wenig Fichte als Einschlagholz auf dem Innlandmarkt gibt.



      Somit ist Käferfichte bei den starken Umfängen zu wertvoll zum Verbrennen.



      Für Pellets uns Hackschnitzel sollte weiterhin nur Restholz verwendet werden.



      Im übrigen wird es besonders schlimm, wenn aus abgeholzten Wäldern Weideflächen erzeugt werden, da dann keine Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft erfolgt, sondern Raubbau an der Natur. Alter Kolonialismus eben.

  • Das was im Artikel beschrieben ist, ist ein Verbrechen an Umwelt und Natur in Afrika - im Namen der deutschen Energiewende.

    Buschholz wird dort gebraucht wo es wächst. Es ist wichtig für die CO2 Bilanz der Erde und auch als Brennmaterlial für die Menschen vor Ort.



    Wir haben kein Recht den Menschen dort dies zu rauben.



    Verdienen wird daran auch nur die deutsche Engergiewirtschaft und ein paar Potentaten in Afrika.

    In diesem Zusammenhang ist der Begriff "Klimapatenschaft" eine zynische Lüge.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Argonaut:

      Sie haben vermutlich recht!

  • Bolzonaro hätte das nicht besser einfädeln können - von Brasilien lernen liegt wohl im Trend in Hamburg.



    Weg mit den Buschwäldern nicht nur in Südamerika. Warum auch soweit fahren, wenn der Stoff so nahe liegt.



    Typisch GIZ - auf Nachhaltigkeit wird in keinster Weise geachtet und Hr. Müller wird das nicht richten, hat er es doch mit eingefädelt.



    Das vorgesehene Kraftwerk sollte einfach gleich abgeschaltet werden. Ist ja auch möglich, da bereits jetzt schon überflüssig. Wie wäre es mit Erdgas von unseren Freunden aus dem Osten? Es braucht doch auch ein paar Argumente für Nordstream und der BRückentechnologie, Hr. Tschentscher. Ihre Kollegin Fr. Schwesig würde sich freuen.

  • Wo gibt es denn in Namibia plus minus ungenutztes Buschland von der Größe Italiens?

    Nein, ein Verbrennen von namibischem Holz (Achtung, Grillholzkohle aus Namibia ist im Handel erhältlich), macht keinen Sinn.

    Aber man muss nicht alles was keinen Sinn macht, mit einer vermeintlichen Kolonialkeule erschlagen.

  • Habe in Namibia vor Allem viel Sand gesehen, aber wenig Holz. Vielleicht importieren die es von Nebenan, um es dann weiter zu verkaufen. Ziemlich schräg.

  • Holz von Namibia hierherzuschippern, um es zu verbrennen. Und das ganze auch noch mit Steuergeldern fördern.

    Diesen Typen ist aber auch gar nichts peinlich.

  • „die globale Klima- und Biodiversitätskrise deutlich verschärfen“

    Ach, das darf man hier in einem Satz kombinieren? Warum nicht in Deutschland, wo für die Biovergasung riesige Monokulturflächen geschaffen wurden? Hmm?

  • Kritisch.

    Wenn es nur um ein paar Festmeter für den Kamin ginge wäre es sicher ok. Aber Kraftwerke bräuchten gewaltige Mengen. Dann sind wir zwar CO2-neutral, aber "öko" ist das sicher nicht.