Wirtschaftskrise in Myanmar: Ein Land im Dauerstreik
Fast leere Geldautomaten, nur noch wenige Lkw und Züge fahren: Viele Menschen in Myanmar verweigern die Arbeit unter dem Putschregime.
Mit der Arbeitsverweigerung im Rahmen der Bewegung für zivilen Ungehorsam (CDM) wollen Beschäftigte im Bank- und Transportsektor, in Einkaufszentren, Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, Beamte und Staatsangestellte in Behörden und Ministerien oder Arbeiter in Fabriken und Betrieben das Putschregime in die Knie zwingen. CDM ruft auch immer wieder Generalstreiks aus, zuletzt am 24. März.
Die Generäle hatten offenbar gedacht, die Betriebe im Land würden nach dem Putsch schnell zum „business as usual“ zurückkehren. Doch hatten sie nicht mit dem Mut vieler gerechnet, die derzeit Gefängnis, Folter, Jobverlust und das Überleben ihren Familien riskieren.
Das Militärregime drängt jetzt insbesondere die Banken zum Arbeiten. Ihnen wurde bereits mit Verstaatlichung gedroht, sie müssen „schwarze Listen“ mit Arbeitsverweigerern abliefern und jetzt auch noch Strafen für jede Filiale zahlen, die nicht öffnet. Bisher half das alles nichts.
Ähnlich ist es im Transportsektor. Internationale Reedereien laufen Myanmar kaum noch an. In den Häfen wird auch kaum noch verladen. Es fahren nur wenig Lkw und so gut wie keine Eisenbahnen mehr. Schätzungen zufolge streiken 90 Prozent der Bahnmitarbeiter.
Da Soldaten nicht einfach Lokführer ersetzen können, rückten Militär und Polizei in Wohnviertel der Eisenbahngesellschaft in Yangon und Mandalay ein, wie die Zeitung Frontier Myanmar berichtete. Wer nicht an die Arbeit zurückkehrte, flog samt Familie aus der Werkswohnung. Die meisten Streikenden zogen lieber aus, als sich zu beugen. Buddhistische Klöster nahmen viele auf.
Um die friedliche Streikbewegung zu ermutigen, haben sie kürzlich sechs Professoren der Universität Oslo für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Die CDM-Bewegung sei ein positiver Beitrag zu „Demokratie und Frieden“.
Die Bevölkerung boykottiert auch Produkte von Firmen des Militärs. Die Handyapp „Way Way Nay“ („Vermeide es“) hilft, dessen Firmen zu identifizieren. So trinkt kaum noch jemand Myanmar Beer.
Wegen der Streiks und täglichen Proteste, des Rückzugs ausländischer Investoren, der Sanktionen westlicher Länder, des Zahlungsstopps internationaler Entwicklungsbanken sowie der täglichen Unterbrechungen des Internets durch die Junta prognostiziert die Weltbank für dieses Jahr ein Minus der Wirtschaftsleistung um 10 Prozent. Vor dem Putsch hatte die Bank noch 5,9 Prozent noch Wachstum erwartet.
Druck kommt auch von außen: Firmen wie Kirin (Japan), Woodside (Australien) oder Electricité de France haben angesichts des brutalen Vorgehens des Militärs – auch an diesem Montag wurden wieder Demonstranten erschossen – ihre Geschäfte und Projekte in Myanmar suspendiert oder den Rückzug angekündigt. Die US-und die EU-Handelskammer schlugen in einer gemeinsamen Erklärung sogar die Einladung zu einem Treffen mit dem für die Wirtschaft zuständigen Juntavertreter aus.
Der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (APA) forderte unlängst eine „Beendigung der Gewalt“ und die „Rückkehr zu einem die Menschenrechte wahrenden Prozess“. Der APA-Vorsitzende und Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser erklärte: „Die Eskalation der Gewalt durch das Militär gegen friedliche Demonstranten und der Verlust der freiheitlichen Ordnung sind ein Rückschlag für die Entwicklung des Landes.“
Doch es gibt auch westliche Firmen, die das Militär stützen wie etwas der französische Energiekonzern Total. Der ist in Myanmar an der Ausbeutung von zwei Gasfeldern beteiligt – und laut der Aktivisten von Justice for Myanmar der größte Steuerzahler im Land, 2019 sollen es 257 Millionen US-Dollar gewesen sein.
Gegenwind von ausländischen Konzernen
Total machte trotz Protesten schon unter der alten Junta Geschäfte. Bereits damals wurden für den Pipelinebau viele Menschen vom Militär zwangsumgesiedelt. Jetzt argumentiert Total, sein Gas würde die Hälfte der Stromversorgung Yangons sichern. Hier leben gut 5 Millionen Menschen.
In der Kritik steht auch Giesecke+Devrient. Der Münchner Druckmaschinen- und Sicherheitspapierhersteller liefert seit Jahren Spezialmaterialien für den Banknotendruck an Myanmars Zentralbank. Diese wird nun aber von der Junta kontrolliert. Sie ist auf die Notenpresse angewiesen, um Soldaten oder Polizisten zu bezahlen.
Giesecke+Devrient, vor deren Firmensitz in der prachtvollen Prinzregentenstraße noch am Samstag die Gruppe German Solidarity with Myanmar Democracy zum Protest aufgerufen hatte, rechtfertigt seine forgesetzten Geschäfte in Myanmar ich mit der „Grundversorgung“ des Landes. Doch genau damit fällt die Firma – wie auch Total – den Streikenden in den Rücken.
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