piwik no script img

Brandschutz in der Rigaer Straße 94Bezirk prüft selbst

Überraschend hat am Dienstagmorgen eine Brandschutzbegehung in der Rigaer 94 stattgefunden. Eigentümer und Senat sind düpiert.

Streitpunkt Rigaer Straße Foto: dpa

Berlin taz | Eine Mitarbeiterin der Brandaufsicht des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hat am Dienstagmorgen eine Begehung des linksradikalen Hausprojekts Rigaer Straße 94 durchgeführt. Auf Anordnung von Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) wurden dabei die öffentlichen Bereiche sowie alle Wohnungen des Hauses auf Brandschutzmängel untersucht. Die Begehung, bei der auch Rigaer 94-Anwalt Lukas Theune dabei war, sei problemlos verlaufen, so eine Bewohnerin in einem Landgerichtsprozess am Vormittag.

Der Bezirk teilte anschließend mit, dass im Ergebnis der Begehung ein „Mängelprotokoll“ erstellt worden sei, das einer weiteren Klärung bedürfe. Zudem sei „beabsichtigt, dass die Bauaufsicht demnächst eine Kontrollbegehung durchführt“. In einem Statement der Be­woh­ne­r*in­nen hieß es: „Wie von uns vermutet und nun auch bestätigt, ist unser Haus nicht in einem Zustand, der eine Evakuierung aufgrund von Brandschutz notwendig macht. Die Beamtin hat auch keine Mängel festgestellt, die wir nicht selbst beheben können.“

Nach bisherigen Planungen sollte eine Begehung des Hauses durch die Eigentümerseite, unterstützt durch ein großes Polizeiaufgebot, am Donnerstag und Freitag stattfinden. Die Be­woh­ne­r*in­nen befürchteten, dass diese nur ein Vorwand für eine mögliche Räumung oder deren Vorbereitung sei. Entsprechende Absichten hatte der Hausverwalter in einer eigenen Mängelliste aufgeschrieben, über die die taz berichtet hatte. Darauf bezugnehmend heißt es in der Mitteilung des Bezirks: „Eine Nutzungsuntersagung wurde im Rahmen der Begehung nicht ausgesprochen.“

Senat will es selber machen

Der ab 10 Uhr tagende Senat zeigte sich durch die Begehung überrascht: „Ich wusste es nicht, und mein Eindruck war, dass auch andere Senatsmitglieder keine Kenntnis hatten“, sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung.

Wie Martin Pallgen, Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf taz-Anfrage sagte, stimmte die rot-rot-grüne Landesregierung mehrheitlich einem Antrag von Geisel zu, der Bezirk möge per Duldungsanordnung die Be­woh­ne­r*in­nen verpflichten, eine Begehung durch den Eigentümer und einem von ihm beauftragten Brandschutzgutachter zuzulassen. Verweigere sich der Bezirk, werde „der Senat die Anordnung an die Be­woh­ne­r*in­nen im Wege einer Ersatzvornahme übernehmen“, es also selber machen. Pallgen sagte: „Der Senat steht auf dem Standpunkt, dass ein Vertreter der Eigentümer das Recht hat, sich selbst ein Bild zu machen.“

Breitenbach und ihr Parteifreund Sebastian Scheel, der Stadtentwicklungssenator, hatten sich bei der Abstimmung enthalten, alle anderen stimmten dafür, darunter auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der in der Sitzung vor einer Woche noch gegen einen Beschluss des Geisel-Antrags gestellt hatte. Die Begehung soll sich dem Beschluss zufolge nicht auf alle Wohnungen erstrecken.

Die Eigentümerseite, vertreten durch Anwalt Markus Bernau, wurde ebenfalls überrascht und erfuhr erst im Gerichtssaal von der Begehung durch den Bezirk. Gegen eine „kleine Begehung“ des Bezirksamtes – Florian Schmidt hatte nur die Begehung einer Wohnung in Aussicht gestellt – hatte Bernau am Freitag vor dem Verwaltungsgericht einen Eilantrag eingereicht. Am Nachmittag – Stunden nach der Begehung – kam das Urteil. Demnach müsse der Bezirk eine Duldungsanordnung an die Be­woh­ne­r*in­nen erlassen, das Betreten der Wohnungen sei „zu ermöglichen“.

Darüber hinaus hieß es von Seiten des Verwaltungsgerichts: „Eine solche Anordnung müsse die Behörde allerdings erst noch erlassen. Wegen der mit der Vollstreckung dieser Anordnung verbundenen zeitlichen Verzögerung sei der für den kommenden Donnerstag und Freitag geplante Einsatz nicht zu realisieren und müsse kurzfristig verschoben werden.“ Keinen Erfolg hatte die Eigentümerseite mit ihrem Antrag, dem Bezirk zu verbieten, „das Gebäude zum Zweck einer eigenen Brandschutzbegehung zu betreten“.

Weitere Überprüfung nötig?

Ob eine Duldungsanordnung, die der zwangsweisen Durchsetzung zur Betretung zum Zwecke des Brandschutzes dient, nach der heutigen Begehung überhaupt noch erforderlich ist, scheint fraglich. Auch der Senat scheint unschlüssig: Die Parallelität von Begehung und Diskussion haben dazu geführt, „dass wir uns noch nicht angucken konnten, was daraus folgt“, sagte der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth der taz. Nach seinen Worten gibt es die Erwartung an den Bezirk, genau zu dokumentieren, was er unternommen hat – „eine Twitter-Nachricht reicht dafür nicht aus.“ Der Senat sei nicht dazu da, dem Eigentümer zu einer Begehung der Wohnungen zu verhelfen.

Geisel-Sprecher Pallgen hingegen äußerte scharfe Kritik am Baustadtrat: „Der Bezirk will offensichtlich die Eigentümervertreterin nicht im Haus haben.“ Schmidt müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, „politisch intendiert und motiviert gehandelt zu haben“.

Das Bezirksamt teilte unterdessen mit, nun zu prüfen, ob sich die im Dezember erlassene Anordnung an die Eigentümer den Brandschutz im Haus zu überprüfen und sicherzustellen „erledigt hat“. Auf Anfrage der taz sagte Florian Schmidt: „Wir werden sehr zeitnah das Mängelprotokoll haben und den Senatsverwaltungen für Inneres, Stadtentwicklung und Justiz zur Verfügung stellen.“

Die Be­woh­ne­r*in­nen und An­wäl­t*in­nen der Rigaer94 sehen keinen Grund mehr für eine weitere Überprüfung durch die Eigentümer. „Anlasslose Begehungen finden nicht statt. Die Sache ist erledigt“, so Anwalt Benjamin Hersch vor Gericht. Im Statement der Rigaer 94 hieß es, Innensenator Geisel würde „politischen Selbstmord begehen“ sollte er an einer „Invasion“ festhalten.

In dem Prozess vor dem Landgericht stellten die An­wäl­t*In­nen der Rigaer 94 zum wiederholten Male die Prozessfähigkeit der Eigentümerschaft infrage. Aufheben lassen wollten sie damit einen Beschluss des Kammergerichts von Mitte Februar, der der Briefkastenfirma Lafone Investments Limited das Recht zugebilligt hatte, das Haus mit einem Brandschutzgutachter zu begehen. Eine erneute Prüfung der angezweifelten Legitimierung des Eigentümeranwalts lehnte das Landgericht aber ab. Am Nachmittag wies es den Einspruch ab und bestätigte die einstweilige Verfügung des Kammergerichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Brandschutz" ist ein neumodisches Zauberwörtchen, mit dem Vermieter ihre Mieter drangsalieren können.



    Der beste wirkliche Brandschutz ist immer noch klein, flach, rund und hängt an der Decke.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Und laut Gesetz ist. Der Vermieter für die Anbringung in jeder Wohnung verantwortlich und verpflichtet dies zu überprüfen. Man sollte auf beiden Seiten etwas abrüsten, dies gilt auch für das Bezirksamt. Der Baustadtrat und die Mieter stehen nicht über dem Gesetz, die Vermieter auch nicht.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Politischen Selbstmord hat der Baustadtrat Schmidt begangen. Ich denke in 3 Monaten ist er weg. Kein Immobilienbesitzer wird dem Bauamt vertrauen, bzw. Einen Beamten oder Angestellten des Amtes ernst nehmen. Eine Brandschutzkontrolle dieses Ausmaßes



    von einer einzigen Person durchführen zu lassen zeugt von Unkenntnis. Dieses Gutachten kann man in die Tonne treten. Allein die Manipulationen an Stromzählern zu erkennen würde einen Tag dauern, da ja jede Wohnung und die Kellerräume kontrolliert werden müssen. Ebenso die Durchbrüche zu den Nachbarhäusern und..... und.....und

  • Danke für die Berichterstattung. Im Zuge der vergangenen Auseinandersetzungen der vorgeblichen Eigentümer*innen und der Bewohner*innen ist nachvollziehbar, dass die Brandschutzverordnung ein weiterer Versuch und Vorwand ist, um Kontrolle über ihr Eigentum zu erlangen und die Profite maximieren zu können. Bleibt abzuwarten, inwieweit sich der rot-rot-grüne Senat für solche Strategien einsetzt. Deutsche Wohnen, tatsächliche Eigentümer*in der Rigaer94 & Co enteignen! Solidarische Grüße an die Bewohner*innen der Rigaer94.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Leider ist für Baumängel und den Brandschutz der Eigentümer verantwortlich, nicht die Mieter und auch nicht die Bauaufsicht oder der Bezirk. Der Bezirk kann nur eine Nutzung untersagen oder auf Mängelbeseitigung dringen. Der Mieter ist da außen vor. Bin gespannt an wen die Aufforderung zur Mängelbeseitigung geht.