Folgen der Corona-Maßnahmen: Maximaler Frust in Hotels und Bars
Ein Viertel der Gastronomen steht vor dem wirtschaftlichen Aus, kritisiert der Branchenverband. Er verlangt einen Öffnungsplan und mehr Geld.
Die November- und Dezemberhilfen des Bundeswirtschaftsministeriums sind immerhin auf Zanders Konto angekommen. In Prenzlauer Berg in Berlin betreibt er zusammen mit seinem Kompagnon das Restaurant Oderquelle. Von der sogenannten Überbrückungshilfe III für 2021 hat er allerdings noch keinen Euro gesehen. Wobei auch unklar ist, welchen Teil der staatlichen Unterstützung Zander für seinen persönlichen Lebensunterhalt verwenden darf.
„Die Stimmung und Lage sind katastrophal“, fasste Guido Zöllick am Donnerstag zusammen. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) bezifferte die branchenweiten Umsatzverluste seit der ersten Geschäftsschließung im März vergangenen Jahres auf 63 Prozent. „Jeder vierte der 222.000 Betriebe zieht in Erwägung aufzugeben“, sagte Zöllick. Bisher sind das alles allerdings bloße Befürchtungen. Denn Zahlen zu tatsächlichen Bankrotten und Abschieden konnte der Verbandspräsident nicht präsentieren.
Zöllick hat seinen Blick vor allem auf den kommenden Montag gerichtet. Dann wollen die Regierungen der Bundesländer abermals mit Kanzlerin Angela Merkel diskutieren, wie es mit der Coronapandemie, Geschäftsschließungen, Impfungen und Tests weitergeht.
Klare Forderungen aus der Branche
Eine wesentliche Forderung der Kneipen, Restaurants, Hotels und Caterer besteht darin, dass der Staat ihre Verluste vollständig ersetzen solle. Im Rahmen der Überbrückungshilfe können sie augenblicklich zwar bis zu 90 Prozent der Fixkosten wie Mieten und Versicherungen beantragen. Je nach Größe der Firma bleiben dabei aber Tausende, manchmal gar Millionen Euro offen, die die Firmen dann aus eigener Kraft finanzieren müssen.
Gerade bei kleineren Betrieben fällt ins Gewicht, dass die Lebenshaltungskosten der Eigentümer:innen unzureichend abgedeckt sind. Außerdem wurden bislang nicht mal die vollständigen Ersatzzahlungen für November und Dezember an alle Unternehmen überwiesen – von der Unterstützung für 2021 gar nicht zu reden.
Von der Krisensitzung am nächsten Montag erwartet Zöllick „eine konkrete Öffnungsperspektive“ für alle Gaststätten und Hotels. Die Politik solle eindeutige Kriterien definieren, bei welcher Infektionszahl – wahlweise auch Krankenhausbelegung oder anderen Maßstäben – Gäste draußen und drinnen wieder bewirtet werden dürften. Der Verband verlangt einen Plan, einen Hoffnungsschimmer.
Vorbild Tübingen
Außerdem müsse mehr regionale „Flexibilität“ in der Betrachtung möglich sein. Er lebe und arbeite in Rostock, sagte Zöllick. Die Corona-Inzidenz für die vergangenen sieben Tage liegt dort bei etwa 20 pro 100.000 Einwohner:innen – sehr niedrig. Warum sollten Hotels also nicht öffnen dürfen?, fragte der Verbandschef. „Unseren Betrieben ist nicht zu vermitteln, dass die Bundesregierung einerseits Urlaub auf Mallorca wieder möglich macht, aber einen Besuch im Biergarten weiterhin nicht erlaubt“, so Zöllick, „das führt zu maximalem Frust in unserer Branche.“
Und auch mit der Teststrategie der Bundesregierung ist der Verbandsvertreter unzufrieden. Es sei „unpraktikabel“, wenn Restaurants ihren Gäste selbst Schnell- oder Selbsttests anbieten müssten, bevor sie eintreten dürften. Vor vielen Betrieben gebe es keinen Platz für Testzelte. Auch die Kosten für das zusätzliche Personal seien nicht zu stemmen. Als positives Beispiel nannte der Verband hingegen Tübingen, wo der grüne Bürgermeister Boris Palmer eine funktionierende Strategie mit öffentlichen Testzentren umsetze.
Und wie lange kann Dirk Zander mit seiner Oderquelle noch durchhalten – ohne Gäste, ohne Einnahmen? „Wir müssen weitermachen“, sagt der Chef, „eine andere Chance haben wir nicht.“ Die Investitionen in sein Restaurant, der offene Kredit – mit einem mäßig bezahlten Job anderswo kommt er nie wieder auf einen grünen Zweig, befürchtet Zander.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“