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Saumagen als Veggie-VarianteKohl würde sich im Grabe umdrehen

Es gibt Gerichte, die bleiben immer dort, wo sie herkommen – der Pfälzer Saumagen etwa. Das gilt wohl auch für seine neue, vegane Variante.

So sieht er aus, der vegane Saumagen, äh, Gemüsetaler Foto: Simone Schmollack

Es gibt Gerichte, die um die Welt gehen. Sushi, Pizza, Burger. Und es gibt Gerichte, die bleiben immer da, wo sie herkommen. Der Pfälzer Saumagen zum Beispiel. Das ist, wie der Name schon sagt, ein Essen aus der Pfalz, das im Magen einer Sau zubereitet wird. Also dem Magen, der einer toten Sau entnommen wurde. In diesen Saumagen gehören Schweinefleisch, Brät (oder auch Wurstbrät genannt), Kartoffeln, manchmal auch ein paar eingeweichte Brötchen. Das alles, in die Saumagenhülle gestopft, wird zweieinhalb Stunden lang gegart, danach in Scheiben geschnitten und häufig mit Sauerkraut serviert. Es war das Lieblingsessen von Helmut Kohl.

Der frühere Bundeskanzler würde sich wohl im Grabe umdrehen, würde man ihm einen veganen Saumagen vorsetzen. Auch wenn manche Kohl gern Birne nannten. Doch die Zeiten ändern sich. Aktuell ernähren sich 1,3 Millionen Menschen in Deutschland rein pflanzlich, hat das Marktforschungsinstituts Skopos1 gezählt. Und so gibt es mittlerweile nicht nur vegane Joghurts, Suppen, Kuchen. Sondern auch vegane Entenbrust, vegane Teewurst, veganen Lachs.

Und seit Jahresbeginn auch veganen Saumagen. Produziert von einer Firma, die sich Vedschi GmbH nennt. Die sitzt – das kann gar nicht anders sein – in Landau in der Pfalz. Vedschi ist ein Ableger der 2012 in eine Stiftung überführten Kissel GmbH. Kissel hat früher ausschließlich Pfälzer Fleisch-Spezialitäten produziert: Rieslingschinken, Leberknepp, Schwartenmagen.

Aber man muss ja mit der Zeit gehen, und vegan ist das neue Fleisch der Generation FFF. Von denen sicher auch welche aus Rheinland-Pfalz kommen.

Sie nennen sich Vedschi-Paten

Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen bei Vedschi nennen sich Vedschi-Paten, und sie wollen, „dass ein jeder Vedschi-Genießer die Produkte gut in seine eigene Küche integrieren kann“. Daran arbeiten die Vedschis übrigens schon seit vier Jahren. Herausgekommen sind vegane Cevapcici, vegane Burger, ein veganes Chili, vegane Grillwürste und Hack, eine vegane Sauce bolognese. Das heißt auch alles so. Nur der vegane Saumagen heißt Gemüsetaler.

Das ist natürlich ein bisschen dumm, denn vegane Gemüsetaler gibt es schon jede Menge und erst recht an jeder Ecke zu kaufen, sogar in den Fleischhochburgen der ostdeutschen Provinz. Den veganen Saumagen indes sucht man in Geschäften vergebens. Im Veganz-Supermarkt in Berlin beispielsweise gehen die Augenbrauen hoch: „Veganer Saumagen, noch nie gehört.“

„Das ist doch was vom Tier!“

Die Geschäftsführerin im Bioladen sagt: „Veganen Saumagen würde ich nie ins Sortiment nehmen.“ In der Vetzgerei in Prenzlauer Berg, dem Berliner Hotspot der Pseudogrünen, ist man starr vor Schreck: „Saumagen, das ist doch was vom Tier!“ Dazu muss man wissen, dass es in der Vetzgerei riecht wie beim Metzger um die Ecke, in dessen Auslage sich die Eisbeine stapeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bleibt nur die Onlinebestellung. In Zeiten von Corona ohnehin die bessere Variante, einzukaufen. Allerdings sollte, wer unstillbare Lust auf veganen Saumagen hat, sich vielleicht erst mal mit einem veganen Schnitzel trösten. Für den Weg aus der Pfalz nach Berlin braucht der Gemüsetaler-Saumagen nämlich rund zwei Wochen.

Und wie schmeckt der nun?

Dafür ist er umso schneller gemacht: Ab in die Pfanne, 3 bis 4 Minuten braten, immer mal wenden, fertig. Farbe: röstbraun, Konsistenz: schnittfest. Und wie schmeckt der nun? Nun ja, er besteht unter anderem aus Erbenseiweiß, Erbsenmehl, Stärke, Kartoffelprotein, Natriumacetat, Alpha-Tocopherol, Eisenoxiden, Dextrose.

Der vegane Saumagen wird vermutlich immer dort bleiben, wo er herkommt: in der Pfalz.

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7 Kommentare

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  • "Saumagen als Veggie-Variante: Kohl würde sich im Grabe umdrehen"

    Bei der Überschrift habe ich jetzt gar nicht an den Ex-Kanzler gedacht! :D Eher an "Kohl" als Rohstoff für die Veggie-Variante. Ich assoziierte irgend etwas mit zerkleinerten Kohlblättern statt mit Mus aus totem Tier. Trotz meines großen Mitleids mit dem vermeintlichen in Trouble gelangten Gemüse, war meine Neugier auf das Produkt geweckt. Auch als ich amüsiert meinen Irrtum bemerkte.

    Zwar wird auf eine Kohlroulade in Form eines im Grabe rotierenden Kanzlers verwiesen, aber der Geschmack von Tier- und Veggie-Variante und deren Unterschiede werden mir damit leider trotzdem nicht plastisch. Auch anhand der von der Verfasserin gekürzten Zutatenliste vermag ich nicht auf den Geschmack zu schließen. Das soll offenbar auch gar nicht erzielt werden, die Liste soll wohl einfach nur abschrecken und das Kreiseln des toten Kanzlers befeuern. Dabei sind die genannten Zutaten in Wahrheit harmlos: Natriumacetat ist ein absolut unbedenkliches Salz der Essigsäure, das sich enorm breiter Verwendung in Lebensmitteln und Kosmetika erfreut, Tocopherol ist auch als Vitamin E bekannt, Eisenoxid ist ein so beliebter wie ungefährlicher Lebensmittelfarbstoff, übrigens besonders für Fleisch- und Wurstprodukte, und Dextrose ist nichts anderes als Traubenzucker.

    Soll die unkommentierte Auflistung fremd klingender Begriffe etwa suggerieren, vegane Alternativen zu Tierprodukten seien also "chemieverseucht" und des Probierens nicht wert? In diesem Fall erlaube ich mir, das intensive Studium einschlägiger Wurst- und Fleischwarenpackungen nahezulegen, inwiefern die Zusatzstoffe sich unterscheiden, und die lateinischen Begriffe für stinknormale Lebensmittelbestandteile nachzuschlagen. Klingt alles sehr abschreckend. Dass sogar der menschliche Organismus bekannterweise großenteils aus Dihydrogenmonoxid besteht, möge bitte nicht desillusionierend wirken.

  • „Saumagen, das ist doch was vom Tier!“



    Wie schrecklich! Ich bin schon ewig Flexitarier (Fleisch nur Bio) und kann Sektiererei nicht leiden. Was ist denn gegen einen Bergkäse von einer SennALm mit, nebenbei landschaftspflegerischen Kühen zu sagen?



    Vegan? Wer keine Probleme hat, der macht sich welche....

  • Kohl würde sich im Grabe herumdrehen? Ein bißchen Bewegung hat noch niemand geschadet.

    • @S.R.:

      Das hat Marianne Weber einst sicherlich auch gedacht - 😱 -

  • Sehr lustig, leite ich gleich an den Veganer in meiner Familie weiter, danke!

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - dreht mit -

    “ Veganer Saumage.. Angeblich fressen Beutegreifer in der afrikanischen Savanne zuerst den Pansen ihrer veganen Huftiere-Beute. Wegen des pflanzlichen Inhalts. und btw.: ich habe Probleme mit dem Gedächtnis. Vergesse fast nichts. Als fkalg (former known as lichtgestalt) hatte ich hier kommentiert:



    taz.de/Aus-der-zeozwei/!5203808/

    kurz - Egal - alles eine einzige große Gärkammer - 💨💨💨💨 - 😷😷😷

    Na Mahlzeit

  • Klar doch.

    “ Der vegane Saumagen wird vermutlich immer dort bleiben, wo er herkommt: i



    In der Pfalz.“ 🥚jòò 🥚jòò - 🥳 -

    “Inne Palz!“ Sagte ja schon der Pälzer - die 🍐 🥬 “…& die Saarländer



    (Wie AKK 47 & Slim&SlimeHeiko;)) - inne Saar!“ - 😱 -



    But. Wie der ausgefuchste Jürgen Leinemann (Spiegel) einst fein beobachtete!



    Veggie or not. Egal. Entscheidend - was hintern rauskommt! Gellewelle.



    Will sagen; “Was der Dicke nach Gunst jeweils bemessen zuteilt!“



    Normal •

    So geht das