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Ein Bundesligaspieltag am RadioKuchen, Abstieg und anderes Glück

Die Bundesliga bietet außer irgendeiner Meisterschaft für Bayern viel Unterhaltsames. Zum Beispiel, wenn die Retro-Hertha nach Retortenburg fährt.

Wagt ein Tänzchen mit Pal: Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner Foto: reuters

M achen wir uns mal nichts vor: So wirklich unterhaltsam ist es nicht, Bayern München beim Meisterwerden zuzusehen. Oder Schalke 04 beim Absteigen. Es zieht sich und zieht sich, und so langsam hat man inklusive Jubel und Trauer des jeweiligen Vereinspersonals alles schon mindestens mehrmals gesehen. Und nun reicht es so langsam.

Aber zum Glück ist die Bundesliga nicht das wirkliche Leben, wo die Abwesenheit von Unglück schon ein sehr großes Glück ist. Nein, nein, eine gewisse Grundanwesenheit von Pech beim eigenen Lieblingshassverein kann sehr wohl sehr glücklich und damit einen Spieltag erst so richtig schön machen.

Auch wenn man den Lieblingshassverein meistens gar nicht wirklich hasst, wie auch, er hat einem ja auch eigentlich nichts getan, also außer diesen unangenehmen Coach zu beschäftigen. Oder aus dem Nachbarort zu kommen, hässliche Vereinsfarben zu haben, damals zum Abstieg des Herzensklubs beizutragen, und so weiter und so fort.

Die üblichen Gründe halt, die sich für Außenstehende immer nach langjährigen Fami­lien­fehden aufm Dorf anhören, an deren Auslöser sich eigentlich keine beteiligte Partei mehr erinnern kann, aber natürlich darf man sich den vielen schönen Hass nicht durch Anflüge von Rationalität verderben lassen, wokommwadennsonsthin.

Couch, Kaffee, Erdbeerkuchen

Jedenfalls, ein vorbildlich unterhaltsamer Bundesliga-Samstagnachmittag besteht zwingend nicht nur aus gemütlicher Couch, genügend Kaffee und vielleicht einem Stück Erdbeerkuchen mit Sahne und etwas Gebäck plus natürlich anregender Lektüre für die langen Minuten, in denen die Akteure auf allen Plätzen unnütze Dinge mit dem Ball anstellen, sondern auch immer aus viel Pech für diesen gewissen einen Verein, dessen Unglück ein großes Glück ist.

Und so ist zu vermuten, dass diejenigen, die Hertha BSC gewohnheitsmäßig nicht ausstehen können, einen ganz wundervollen Spieltag verlebten. Zwei zu null in Wolfsburg zu verlieren, muss man schließlich auch erst mal schaffen. Halt! Nein! – Diese 16. Plätze und damit das Wolfsburger Elend sind ja nun auch schon wieder drei und vier Jahre her. Wie schnell doch die Zeit vergeht.

Aber egal, den ersten Treffer durch ein Eigentor zu kassieren, zwei Stammspieler verletzt auswechseln zu müssen und dann einen eigentlich schon gepfiffenen Elfmeter nicht zu bekommen, das ist schon vorbildlich viel Unglück. Zumal es im nächsten Spiel gegen Augsburg geht, das eher nicht den Eindruck macht, als wolle es gern verlieren und absteigen.

04 mit 1:5

Trainer Pal Dardai hatte nicht zu viel versprochen, als er vor einigen Tagen im Kicker erklärte, das jetzige sei für Hertha ein „gefährliches Jahr“, und weiter sagte, der Verein habe wohl zu viel gewollt, aber es gehe „nicht einfach von null auf hundert – nicht in der Liebe und nicht im Fußball“, was ein sehr schöner Satz ist, jedenfalls für einen ehemaligen Fußballspieler.

Ansonsten passierte an diesem Spieltag noch dies und das und Schalke, wobei vor allem Letzteres kein schöner Anblick war, außer für Null-vier-Hasser, die voll auf ihre Kosten kamen. Wobei es unerheblich ist, ob es vor der 1:5-Niederlage gegen den VfB Stuttgart tatsächlich eine Art Rebellion gegen Trainer Christian Gross gab oder nicht. Aus der Prognose, ob er früher oder später gehen muss, wurde bekanntlich ein Sofort!

Und nun hat Schalke eine (mindestens) Vier-Trainer-Saison. Eine richtige Sensation ist jedoch selbst das nicht, natürlich nicht, denn auch das hat man dort schon gesehen: damals, als Schalke Felix Magath und Ralf Rangnick und zweimal Seppo Eichkorn beschäftigte und natürlich nicht Meister wurde. Aber wenigstens stieg der Klub auch nicht ab, damals.

Anschließend kam übrigens Huub Stevens, und man beendete die Saison 11/12 als Dritter. Aber diese Zeiten sind vorbei.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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