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Finanzhilfen in der CoronapandemieSympathien für mehr Hartz IV

Gewerkschaften und Sozialverbände fordern einen Corona-Aufschlag für arme Menschen. Zuspruch kommt von SPD, Linken und Grünen.

Kämpft seit Langem für Verbesserungen für Hartz-IV-Empfänger: Linke-Chefin Katja Kipping Foto: dpa

Berlin taz SPD, Linkspartei und Grüne haben den Aufruf von Gewerkschaften und Sozialverbänden unterstützt, arme Menschen in der Coronakrise besser zu unterstützen. „Die Pandemie trifft alle Menschen, aber besonders hart werden Menschen in der Grundsicherung getroffen“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Montag der taz.

Zu den Sorgen um die Gesundheit kämen erhebliche psychosoziale Belastungen. Viele Hilfsangebote in sozialen Einrichtungen fielen weg oder seien nur eingeschränkt erreichbar, und die knappen Budgets kämen zusätzlich unter Druck. „Die SPD unterstützt den Vorschlag, Menschen in der Grundsicherung zur Bewältigung dieser Belastungen einen Zuschuss zu gewähren“, sagte Esken. „Und auch die Verpflichtung zum Tragen medizinischer Masken bringt es mit sich, dass wir Menschen in der Grundsicherung bei der Versorgung unterstützen müssen.“

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte sich für einen Coronazuschlag in der Grundsicherung ausgesprochen – und Hilfen für die Anschaffung von FFP2-Masken in Aussicht gestellt. Esken sagte mit Blick auf die zögerliche Union: „Wir erwarten vom Koalitionspartner, dass er da mitgeht.“

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Initiativen hatte am Montag gefordert, dass der Hartz-IV-Regelsatz auf mindestens 600 Euro im Monat steigen müsse. In dem Aufruf „Soforthilfen für die Armen – Jetzt!“ wird ferner ein pauschaler Zuschlag von 100 Euro für die Dauer der Pandemie gefordert, damit die Menschen zusätzliche Belastungen tragen könnten.

Enge Wohnungen, kein Schulessen

Arme Familien leiden im Moment besonders. Sie leben oft in engen Wohnungen, die Schulessen für Kinder fallen weg, Tafeln, die kostenlos Lebensmittel ausgeben, sind geschlossen und die Lebenshaltungskosten steigen durch Ausgaben für Masken und Desinfektionsmittel.

Linkspartei-Chefin Katja Kipping begrüßte die Initiative der insgesamt 36 Verbände ausdrücklich. „Dieser Aufruf bringt auf den Punkt, was überfällig ist“, schrieb sie auf Twitter. Die Linksfraktion habe das mehrmals im Bundestag beantragt. „Bisher scheiterte es an der Zögerlichkeit von Hubertus Heil und der Blockadehaltung der CDU. Die Union in der Regierung ist ein echtes Hindernis für Soziales.“

Auch von den Grünen kam Unterstützung für die Initiative. „Wir können diesen gefährlichen Weg der sozialen Spaltung nicht weiter gehen“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Dass die Sozialverbände das mit ihrem Aufruf deutlich gemacht hätten, sei „richtig und wichtig“. Eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes sei „absolut überfällig“. Als Erstes müsse der Bundestag jetzt unverzüglich einen Coronasonderbonus von 100 Euro für Erwachsene und von 60 Euro für Kinder im Hartz-IV-Bezug beschließen. „Es kommt auf jeden Tag an“, sagte Baerbock

Die Forderungen von den Verbänden, von Grünen und Linken gehen weit über die von Heil geplanten Zuschüsse hinaus. Einen dauerhaften und spürbaren Aufschlag auf Hartz plant die Bundesregierung nicht.

SPD, Grüne und Linke wollen das Hartz-IV-System reformieren, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Die SPD will das Sanktionsregime mit einem neuen Bürgergeld abmildern. Jobcenter dürften Arbeitslosen Leistungen dann nur noch um 30 Prozent kürzen, nicht wie bisher deutlich stärker. Grüne und Linke wollen die Sanktionen ganz abschaffen – und fordern jeweils deutliche Aufschläge auf die Regelsätze.

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8 Kommentare

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  • Schönen guten Abend allerseits !



    Manchmal meine ich das wir alle in einer Zeitschleife gefangen sind und niemand möchte das sich das ändert insbesondere wenn es sich um das Tema Harz 4 dreht. Lippenbekenntnise die es mangels Durchsetzungskraft oder ernst gemeinten Willen eh nie schaffen haben wir doch jetzt das letzte Jahrzehnt genug gehabt, es wird Zeit das wir Sinnvolle Aspekte die dem grauen Harz 4 weniegstens etwas mehr Menschlichkeit und Moral geben in die tat umgesetzt werden . Sonst werden wir alle die in diesem schönen Land leben mit den Negativen auswirkungen konfrontiert werden ...Eins muss ich da noch ganz Persöhnlich loswerden jeder der in dieser Sozialschiene schon einmal Gefangen war weiss zu gut das man zu Achtzig Prozent nur noch Beifahrer ist und die anderen Zwanzig Prozent die weichen stellen.Alleine dieses Gefühl was Menschen seit Harz 4 ertragen müssen können die meistenten sich nicht vorstellen geschweige den Jahre lang aushalten.Also ist diese debackel kaum mit Worten zu erklären vielleicht sollten wir in diesem Falle es auch garnicht versuchen sondern einfach mal das Herz entscheiden lassen... Wer ein Prozent von seinem Glück im Leben abgeben kann bekommt Hundert Prozent dazu ...

  • "Eine deutliche Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes sei „absolut überfällig“. "

    Ja, aber auch ohne Corona, weil Hartz-IV ist zu niedrig und sonderbar berechnet.

    Dies ist von fachkundlicher Seite schon oft vorgebracht worden. Es gibt Vereine von Sozialrichtern, die starke Verbesserungen für Hartz-IV-BezieherInnen fordern.

    Es wurde ignoriert. Seit 2003 läuft das Hartz-Programm und seither hat sich die Bevölkerung der Logik verweigert.

    Diese Sozialpolitik wird nicht akzeptiert. Darum muss es geändert werden.

    Interessanterweise bleibt aber alles fast gleich. Heute ist ALG I schon von ALG II geprägt, der Prozess der Hartz-Reformen geht weiter. Es sickert in andere Bereiche weiter durch, er findet sich heute bei der Berechnung eines Beitrags für die Nachmittagsbetreuung in der Schule, wie in einem Prozesskostenhilfeantrag wieder.

    Hartz steckt inzwischen in so vielen staatlichen Institutionen drinnen, dass ich mich wundere, wenn Grüne und SPD jetzt Veränderungen einfordern.

    Mindestens die SPD hatte x Gelegenheiten, hier was zu ändern, das tat sie nie, sondern regierte mit Merkel und der CDU, oft sogar so, dass genau dieses Sozialsystem und diese Sozialphilosophie erhalten blieb.

    Gerade Scholz ist ein Verfechter dieser Linie gewesen, er redet gerne von einfachen Angestellten, vom Normalarbeitnehmer, aber er tut eher wenig für diese Menschen.

    In Hamburg als Bürgermeister hieß es, Unternehmer und Reiche könnten einen tollen Beitrag zur Gestaltung der Stadt leisten ... ja, heute haben wir diesen Beitrag, Mietenexplosion, Eigentumswohnungen und teure Grundstücke, ansonsten ist alles gleich.

    Die Normalarbeitnehmer zahlen eben immer mehr Miete, jedes Jahr steigt der Betrag. Soweit die Erfolgsbilanz dieses Gedankens.

    Und an der Hartz-Front sagen Leute in den Jobcentern, dass es stockt, dass die Leute sich ihre Lösungen selbstständig bauen, selten über das Jobcenter. Und die Gespräche sind immer von Misstrauen und Angst geprägt.

    Also: Grüne, SPD dann mal zu!

  • Den Vorstoß finde ich zwar nachvollziehbar und inhaltlich auch erstmal zutreffend. Eine Gerechtigkeits-Problematik sehe ich aber darin das jeder unter Corona leidet, mehr aber nur die bekommen sollen, die ohnehin bereits substituiert werden.



    Das halte ich, wenn es nur bei dieser Maßnahme bliebe, gegenüber der breiten Mitte der Gesellschaft, welche diese Kosten primär trägt, für schwer vermittelbar.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Julius Anderson:

      ... wenn Sie da man nicht die sozialpolitische Bildung und Kompetenz ihrer Mitmenschen fehl einschätzen ...

    • @Julius Anderson:

      Die Gerechtigkeits-Problematik liegt nicht darin das Harz IV-Beziehern mehr Unterstützung bekommen, sondern, das sich das Kapital aus jedweder Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl windet. Die Schwachen sollen mit einem Minimum irgendwie klarkommen, damit die Starken weiterhin ihre Rendite einfahren können und die Mittelschicht sich wieder besseren Wissens nicht ungerecht behandelt fühlt. Neoliberale Logik, jeder ist sich selbst der Nächste.

  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    ... um die Sicherheit im Land zu erhalten, ein sicher nicht ganz verkehrter Denkansatz ...

    • @02612 (Profil gelöscht):

      Diesen Argumentationsansatz finde ich immer recht schwierig. Damit lässt man dem Sozialstaat den Charme eines Schutzgelderpressers angedeihen.

      Abgesehen davon hat sich diese Prognose in Deutschland noch nie substanziell bestätigt, was an der Glaubwürdigkeit kratzt.

      • 0G
        02612 (Profil gelöscht)
        @Julius Anderson:

        Nichts ist zu schwierig, als das es mit etwas gutem Willen und etwas Mühe zu verstehen wäre ...