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Coronahilfe für ArmeImmerhin etwas mehr

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die Große Koalition beschließt Coronahilfen für Hartz IV-Empfänger und Familien. Die Kritik, dass das viel zu wenig sei, ist überzogen.

Ärmere Familien in Deutschland sollen mehr Coronahilfen bekommen Foto: IPA/imago

D ie Koalition hat am Mittwoch beschlossen, dass ärmere Familien mehr Coronahilfen bekommen. Und das ist nicht wenig. Es gibt 150 Euro mehr pro Erwachsenen im Hartz-IV-Bezug. Und 150 Euro an Kinderbonus pro Kind. Eine vierköpfige Familie im Hartz-IV-Bezug erhält damit 600 Euro als einmalige Coronahilfe. Kindern, die bisher noch kein Laptop haben, muss das Jobcenter ein digitales Endgerät finanzieren.

Jeder, der kein oder kaum Einkommen hat, kann Hartz IV beantragen, ohne dass für die ersten zwei Jahre enge Grenzen beim Vermögen und bei den Wohnkosten gelten. Diese Regelung wird bis Ende 2021 verlängert. Gut so.

Eine Gruppe von Sozialverbänden und die Linkspartei haben zwar recht, wenn sie bemängeln, dass es keine spürbare dauerhafte Erhöhung des Regelsatzes von Hartz IV im Monat geben wird und auch nicht für jeden Monat der Pandemie einen Zuschlag von 100 Euro. Trotzdem ist es nicht in Ordnung, die Hilfen als „beschämend“ und „armutspolitisches Trauerspiel“ zu geißeln, wie es der Paritätische Wohlfahrtsverband tut. Eine Krise, die, mit den Soloselbstständigen, mit den Kulturschaffenden, mit vielen privaten DienstleisterInnen neue Opfergruppen hervorgebracht hat, ist vielleicht kein guter Zeitpunkt, um eine nochmal milliardenschwere dauerhafte erhebliche Aufstockung der Grundsicherung durchzusetzen.

800 Millionen Euro kostet der Zuschlag für Hartz-IV-BezieherInnen, zwei Milliarden Euro der Kinderbonus für Familien. Eine Milliarde Euro kostet das verlängerte Förderprogramm für die Kulturbranche, 3,5 Milliarden die geringere Mehrwertsteuer in der Gastronomie – und das sind nur die am Mittwoch beschlossenen Programme der Coronahilfen.

Es kann einem schon bange werden, wenn man sich fragt, wer wie genau die milliardenschweren Hilfen bezahlt, was dafür an neuen Staatsausgaben vielleicht in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. In einer Zukunft, in der man dann womöglich auf die Vergangenheit der Pandemie und deren Zwänge verweist. Das muss man mitdenken.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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3 Kommentare

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  • 2,8 Milliarden für Arme. Das ist etwas mehr als ein Viertel des Verkehrsbudgets für 2020 (8,41 Milliarden). Es bleibt dabei: das Auto ist der Deutschen liebstes Kind :-(

  • Wer die "besten" Argumente lesen will, warum die Armen möglichst billig in der Coronakrise abgespeist werden müssen, sollte die taz lesen.

    Nur zum Vergleich:



    Der Staat zahlt den Apothekern 6 Euro/Maske, die sie für 0,6 bis 095 € einkaufen.



    Das macht bei 6 Masken 36 € plus 2 € Eigenanteil, also 38€ bei Einkaufskosten von maximal 6€. Den Steuerzahlern kostet der luxuriöse Extraprofit für Apotheken ca. 2.500.000 €. Deshalb empfinde ich die Argumente, Arme kurz zu halten, für brutal.

    • @Rolf B.:

      "Hübsche" Rechnung, die Sie da aufmachen… aber für müssten ja sonst für Apotheker sammeln, das will ja dann auch niemand, ne?!



      Es ist hoffnungslos für die AlG2-Bezieher, sie dienen weiterhin als lebendes "Schreck-Exempel" vor einem möglichen Ausschluß aus der Gesellschaft - einem Ausschluß kommt AlG2 faktisch nämlich gleich.



      Von so etwas Lächerlichem wie der nicht mehr vorhandenen Menschenwürde für die Betroffenen mal ganz abgesehen.