piwik no script img

Bertelsmann-Studie zur AfDWie rechts ist die AfD?

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Eine neue Studie zeigt: Rassismus ist der Markenkern der AfD. Viele ihrer WählerInnen bleiben ansprechbar für demokratische Parteien.

Mehr als die Hälfte der AfD-WählerInnen ticken latent oder offensichtlich rechtsextrem Foto: Sachelle Babbar/imago

D ie AfD kannte lange nur eine Richtung: nach oben. Bei fast jeder Wahl gewann sie hinzu. Egal wen sie aufstellte, egal welche Skandale sie produzierte, egal wie rechtsextrem sie redete – sie hatte Erfolg. Diese Ära scheint sich ihrem Ende zu nähern. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird die AfD wohl weniger glänzend abschneiden. Wir werden dann erstmals rechte Spitzenkandidaten erleben, die erklären müssen, warum der Höhenflug der AfD vorbei ist. Das bedeutet keine Entwarnung: Auch 10 Prozent für die AfD sind viel.

Die neue Bertelsmann-Studie über die Klientel der AfD erhellt, warum es mit der Hausse der Partei vorbei ist. Mehr als die Hälfte ihrer WählerInnen ticken latent oder offensichtlich rechtsextrem – mit bemerkenswerten Schwerpunkten. Es ist erschreckend, dass 13 Prozent die NS-Zeit verherrlichen. Aber die ideologische Bindungskraft der Rechtspopulisten ist weder der Antisemitismus noch die Neigung zur Diktatur. Sondern: Ausländer raus. Zwei Drittel der AfD-Sympathisanten finden, dass uns Ausländer ausnutzen, bedrohen und dass sie bei Gelegenheit wieder verschwinden sollten. Dieser Kitt hält die AfD zusammen.

Migration war nach dem Flüchtlingsherbst 2015 Grund für ihren Aufstieg, das Verschwinden des Migrationsthemas ist nun Grund für die Stagnation der Rechten. Trump’sche Verschwörungsthesen über gestohlene Wahlen oder das Bündnis mit CoronaleugnerInnen sind bemühte Versuche, Ersatz für den Erfolg mit xenophoben Affekten zu finden. Die AfD lebt von der Skandalisierung der Migration.

Können demokratische Parteien AfD-Wähler zurückholen? Ein Viertel hat ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Interessanter ist jedoch, dass 44 Prozent der AfD-Sympathisantinnen nicht rechtsextrem denken, auch nicht latent. Die demokratischen Parteien haben also die Chance, das Bündnis von Konservativen und ProtestwählerInnen mit Rechtsextremen, das die AfD im Kern ausmacht, aufzulösen. Das wird schwierig. Aber die Studie zeigt: Es wäre möglich.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Schein

    Die gesamte Wirtschaft ist nicht demokratisch.



    Somit auch nicht die Gesellschaft.



    Es geht oft um repressive Toleranz (Marcuse). Also um Scheindemokratie...

  • "Viele ihrer [der AfD] WählerInnen bleiben ansprechbar für demokratische Parteien."

    Und weitere Wähler der anderen Parteien sind ansprechbar für die AfD!

    6/5 % der Wähler von CDU/Linkspartei haben laut Studie rechtsextreme Einstellungen. Latent rechtsextreme Einstellungen sogar 18/15 %.

  • Es ist doch jetzt schon klar, wie AfD-Funktionäre den Absturz bei den nächst anstehenden Wahlen erklären werden: mimimi!

  • Die Worte klingen gut. Aber: Welche Partei ist wirklich demokratisch? Einfach jede, die nicht die AfD ist? Soll es schon reichen, weniger schlimm als die AfD zu sein? Da habe ich meine Zweifel.

    • @Bunte Kuh:

      Bitte nicht so abstrakt.

      Welche Partei (außer der AfD) halten Sie denn für nicht "wirklich demokratisch"?



      Oder anders: Was bedeutet für Sie "demokratisch"?

    • @Bunte Kuh:

      Na, hören Sie mal ... da müssen wir wohl ins Gespräch darüber kommen, welches Verständnis von Demokratie jeweils zugrundeliegt.



      Mit der Frage, welche Partei denn wirklich demokratisch sei, relativieren sie jedenfalls die offensichtlich völkisch-nationalen Positionen, die von der AfD vertreten werden.

  • Ich finde die Erkenntnis der Studie nicht wirklich neu.



    15 - 20% rechtsorientierte gibt es fast in jedem europäischen Land, es gibt auch schon immer so 5% echte Nazis. Die waren halt früher in der NPD oder DVU. Die AfD hat es geschafft, die zu bündeln und jede Menge frustrierte Nichtwähler zu erreichen. Der Rest sind FDPler und CDUler, die sich eine konservative CDU von Alfred Dregger zurückwünschen. Die Partei wird auch weiter bröckeln, wenn die Themen ausgehen.



    Die demokratischen Parteien sollten sich trotzdem bemühen, ihre Abtrünnigen zurückzuholen. Was übrigens bedeutet, dass man mit AfD-Wähler/Sympatisanten auch reden muss. Die alle in die große Fascho-Schublade zu packen und sie zuzuknallen, ist da eher kontraproduktiv.

    • @Stefan L.:

      Wo sind die Studien, die belegen (oder wiederlegen), welche Wählergruppen aus dem linken Spektrum zur AfD gewandert sind ... in NRW beispielsweise von der SPD oder im Osten gar von der Linkspartei? Könnte doch sein.



      Grüne und Liberale - weil Sie in dem Zusammenhang auch die FDP erwähnten - schätze ich persönlich eher als resilient gegen die Verlockungen des Rechtspopulismus ein, Anhänger des politischen Katholizismus übrigens auch (die bilden eher den "linken" Flügel der CDU, eindeutig rechtsaffin sind dagegen protestantische "Preussen" ... das mal als kleiner Seitenhieb, den ich mir nicht verkneifen kann).

      • @Abdurchdiemitte:

        Wählerwanderungen? wahl.tagesschau.de...derung_embed.shtml

        • @Rudolf Fissner:

          510.000 von der SPD zur AfD



          420.000 von der Linken zur AfD



          Vergleichsweise wenige 120.000 von der FDP zur AfD. Die Wählerwanderung zeigt uns, dass Linkswähler anfälliger als liberale Wähler sind.

          • @Ted007:

            Ja, danke, darauf wollte ich hinaus ... nicht im Sinne des Hufeisens, sondern als Anlass zu einer (selbst)kritischen linken Reflexion des Themas.

    • @Stefan L.:

      Ja, aber man kann den Nicht-Faschos unter den AfD-Wählern auch erklären, wohin es führen kann, eine solche Partei zu wählen ... Nicht-Faschos müssten für logische und vernünftige Argumente eigentlich noch zugänglich sein, oder?

  • "Eine neue Studie zeigt: Ausländerfeindlichkeit ist der Markenkern der AfD. "



    Ja, das haben wir schon vorher gewusst...