Einstufung durch den Verfassungsschutz: Drei Szenarien für die AfD
Ob der Verfassungsschutz die AfD als „Verdachtsfall“ bezeichnen darf, klärt sich wohl erst in Monaten. Worauf es nun ankommt.
Am vergangenen Mittwoch lehnte das Verwaltungsgericht Köln zwar eine Zwischenentscheidung zugunsten der AfD ab – aber nur deshalb, weil der Verfassungsschutz weitreichende Stillhaltezusagen gemacht hatte. Diese Zusagen sind ein erster Erfolg des vorbeugenden AfD-Eilantrags.
Zunächst hatte der Verfassungsschutz am 22. Januar zugesagt, er werde eine Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht öffentlich bekannt machen, solange das Gericht über den Eilantrag der Partei berät. Das ist im Beschluss des Verwaltungsgerichts nachzulesen, der der taz vorliegt.
Damit war die AfD aber offensichtlich noch nicht zufrieden. Denn der Verfassungsschutz besserte seine Stillhaltezusage am 27. Januar nach. Das Amt werde eine etwaige Einstufung auch nicht nutzen, um AfD-MandatsträgerInnen und AfD-WahlbewerberInnen nachrichtendienstlich zu überwachen. Das genügte nun dem Verwaltungsgericht Köln, um noch am selben Tag den AfD-Antrag als nicht mehr notwendig abzulehnen.
Abgeordnete werden nicht ausgespitzelt
Damit sind AfD-Landtags-, Bundestags- und Europa-Abgeordnete sowie entsprechende KandidatInnen bis auf Weiteres vor Telefonüberwachung und V-Leuten des Bundesamts geschützt. Für AfD-Vorstandsmitglieder ohne Mandat und Kandidatur gilt die Stillhaltezusage des BfV aber nicht. Auch FunktionärInnen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ sowie des angeblich aufgelösten Rechts-außen-„Flügels“, die schon länger überwacht werden dürfen, sind hier nicht mitgemeint.
Die Stillhaltezusage des Bundesamts gilt bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Eilverfahrens. Wann dieser sein wird, kann das Kölner Verwaltungsgericht noch nicht sagen. Doch so viel ist klar, es geht hier um Monate, nicht um Wochen oder gar Tage. Immerhin müssen die RichterInnen zum Beispiel das rund 1.000-seitige Gutachten durcharbeiten, auf das das Bundesamt laut Medienberichten die Einstufung der AfD als Verdachtsfall stützen will.
Zwar muss das Bundesamt im Eilverfahren die Sach- und Rechtslage nur „summarisch“, also überschlägig, prüfen. Bei einer komplexen Lage und schwerwiegenden Eingriffen kann dies freilich geraume Zeit dauern.
Der zeitliche Aufschub nutzt zunächst der AfD. Selbst wenn der Verfassungsschutz die Partei in der vorigen Woche, wie wohl geplant, als bundesweiten Verdachtsfall eingestuft hat, darf das Amt nicht darüber reden. Die ersten Landtagswahlkämpfe im März beginnen für die AfD also ohne entsprechende Belastung. Für den weiteren Fortgang sind dann aber drei Szenarien zu unterscheiden.
Eigentor oder reine Weste?
Im ersten Szenario hätte die AfD mit ihrer vorbeugenden Klage ein Eigentor geschossen. Wenn das Verwaltungsgericht Köln die Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall erst kurz vor der Bundestagswahl bestätigt, wäre dies ein Paukenschlag, der die Partei in diesem heiklen Moment stark verunsichern würde. Auch das Werben um konservative CDU/CSU-Anhänger wäre dann ausgerechnet in der entscheidenden Phase des Bundestagswahlkampfs massiv erschwert.
Das haben die AnwältInnen der Partei vermutlich bedacht. Sie scheinen also auf das zweite Szenario zu hoffen. Danach würde das Verwaltungsgericht Köln kurz vor der Bundestagswahl feststellen, dass die Einstufung der AfD rechtswidrig war. Die Partei wäre damit nicht nur entlastet, sondern könnte sich zugleich auch in der heißen Phase des Wahlkampfs als unschuldiges Opfer der Altparteien darstellen.
Denkbar ist allerdings auch, dass sich die VerwaltungsrichterInnen ganz aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten und die summarische Prüfung bis in den Oktober oder das nächste Jahr hinein ziehen. Ungewöhnlich wäre eine derartige Dauer nicht. 7,5 Prozent aller Eilverfahren an Verwaltungsgerichten dauern in NRW länger als sechs Monate. Auch das würde unter dem Strich aber der AfD im Wahlkampf nützen.
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