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Die AfD und der VerfassungsschutzFehlstart mit Folgen

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Der Sicherheitsapparat verstolpert die Einstufung der AfD. Das unterstreicht einmal mehr, dass man sich auf ihn allein nicht verlassen sollte.

Die Einstufung der AfD verstolpert: man braucht mehr als nur den Verfassungsschutz Foto: Christian Ohde/imago

E s hätte ein Signal werden können. Wohl noch diese Woche wollte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen. Die Botschaft: Der Staat ist wachsam, er lässt auch Angriffe des Rechtsextremismus, die über die Parlamente geführt werden, nicht unbeachtet. Doch aus dem Signal wird vorerst nichts. Und das hat sich der Sicherheitsapparat selbst eingebrockt.

Denn vergangene Woche hielten es einige für opportun (zitiert wurde ein namenloser Landesinnenminister), in Medien bereits über die baldige Einstufung zu plaudern. Die AfD reichte prompt Eilklagen gegen den Verfassungsschutz ein, um genau das zu verhindern. Nun ist das Verfahren zumindest verzögert.

Dabei war von Vornherein klar: Eine Einstufung der AfD wird juristisch heikel. Die Partei hat früh angekündigt, sofort dagegen zu klagen. Und rechtlich ist sie ein Grenzfall: Funktionäre rudern nach Provokationen immer wieder zurück, Parteichef Meuthen forderte zuletzt Mäßigung. Neben klaren Rechtsextremen gibt es immer noch Akteure, die zumindest nach außen beteuern, keinen radikalen Weg einschlagen zu wollen. Zuletzt verfasste die Partei eine Erklärung, in der sie Migranten nun doch als deutsche Staatsbürger akzeptiert (was auch schon einiges sagt).

Kommt die Einstufung, sollte diese also rechtssicher sein. Eine Niederlage des Staates vor Gericht wäre fatal – deren Ausschlachten durch Rechtsextreme, gerade im Wahljahr, wäre gewiss. Dabei ist es richtig, die AfD einzustufen. Bis hoch in die Parteispitze ziehen sich dort Islamfeindlichkeit und Rassismus. Alexander Gauland nennt NS-Verbrechen einen „Vogelschiss“, andere werten Zuwanderung als „Zersetzung“ des Landes, erklären dem Islam den Kampf. Alles klar rechtsextreme Narrative.

Unbenommen bleibt, dass es mehr braucht als nur den Verfassungsschutz. Es sind Gesellschaft und Politik, die im Gesamten Paroli bieten müssen. Dass der Sicherheitsapparat bereits die Einstufung der AfD verstolpert, unterstreicht einmal mehr, dass man sich auf ihn allein nicht verlassen sollte.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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7 Kommentare

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  • Herr Litschko, Sie verkennen hier das der Verfassungsschutz kein Propagandaorgan ist, welches im Sinne der taz-Leserschaft der zu handeln hat.

    Darüber hinaus ist die Möglichkeit zur Klagen gegen den Staat oder Organe des Staats ein Bestandteil rechtsstaatlicher Prozesse und kein ärgerliches Hindernis. Wenn man versuchen würde die Grünen zu verbieten wären Sie sicher auch dieser Meinung.

  • Wenn die AfD tatsächlich ein rechtsextremer Verdachtsfall ist, dann sollte dieses Verstolpern eine entsprechende Einstufung auch nicht dauerhaft verhindern können.

  • "Der Sicherheitsapparat verstolpert die Einstufung der AfD. Das unterstreicht einmal mehr, dass man sich auf ihn allein nicht verlassen sollte."

    Eine spannende Weltsicht! Wenn staatliche Stellen sich also nicht so verhalten wie der Autor sich das vorstellt, muss man offenbar das Recht selbst in die Hand nehmen...

    Mit dieser Einstellung ist einem die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutz gewiss - zu Recht.

  • Der Verfassungsschutz hat die Einstufung nicht "verstolpert".



    Er hat der AFD ermöglicht, juristisch gegen diese vorzugehen - bevor andere, die wirklich diese Absicht haben, dies erwirken könnten.



    Ähnlich der Verhinderung des NPD-Verbotes durch eine "stümperhafte" Vorbereitung/Durchführung des Verfahrens....



    Die Taktik: Anderen, die solche Verbote/Einstufungen wirklich durchsetzten wollen zuvor kommen und den Prozess durch Verfahrensfehler oder ähnlich "verstolpern", so daß es keine 2. Möglichkeit mehr gibt.

    Wer wirklich glaubt der Verfassungsschutz habe die AFD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen wollen sieht wohl nicht die Nähe des VS zu Rechten Weltbildern und verkennt die Strategie der "Verstolperungs-Taktiker"...

    • @Hoppla:

      Jo,



      Deshalb muss der Nds-Innenminister jetzt auch unbedingt öffentlich über ein Verbot von Antifa-Gruppen nachdenken.



      Anders, als die "Verfassungs-Schutz-Ämter", hatten genau diese Gruppen schon vor Jahren treffsicher und mit guten Argumenten vor der AFD gewarnt.

      • @Wagenbär:

        Nicht nur vor Jahren schon sondern ganz aktuell wiedermal vor der AFD und einem aus dem Blood&Honour, Stefan Ernst und Verfassungsschutz Dunstkreis:



        "AfD Kreis Kassel stellt militanten Neonazi zur Wahl auf"



        task.noblogs.org/p...nazi-zur-wahl-auf/

  • Ich sehe den VS über alle Maaßen eher rechts verortet, von daher wundert mich die vorauseilende Aushöhlung des Vorhabens durch Plaudertaschen nicht wirklich...