Justiz in Russland: Demütigen und schwächen
Der Hausarrest des linken Oppositionspolitikers Nikolai Platoschkin wird bis zum 2. Januar 2021 verlängert. Angeblich besteht Fluchtgefahr.
Die Machthaber wollten mit dem Hausarrest einen Gegner demütigen und schwächen, erklärte Anschelika Egorovna Glaskowa, Lebensgefährtin von Platoschkin und Vorstandsmitglied der „Bewegung für einen neuen Sozialismus“, gegenüber der taz. Ihm seien Spaziergänge und Friseurbesuche genauso verboten wie ein für die Eheschließung notwendiger Notarbesuch.
Glaskowa ist sich sicher, dass das Urteil bereits vor der Sitzung gefällt worden sei. „Bei uns in Russland arbeiten Staatsanwaltschaft, Ermittlungsbehörden und Richter Hand in Hand, wenn von oben ein bestimmtes Urteil angeordnet worden ist. Und dieses Urteil ist ein Auftrag von oben“.
Dafür spreche auch, dass kurz vor der Verhandlung eine neue Richterin den Fall übernommen hatte, sich ein Mann in Zivil direkt neben diese Richterin gesetzt habe, sich das Gericht für die Beratung gerade einmal fünf Minuten zurückgezogen habe und 15 Bürgschaften von Abgeordneten der Staatsduma und des Moskauer Stadtrates vom Gericht ignoriert worden seien.
Folter wie 1937
Erneut sehe man, dass nun wieder Zustände wie 1937 herrschten. „Auch heute wird wieder in den Kellern des Geheimdienstes in der Ljubljanka gefoltert“, so Anschelika Egorovna Glaskowa.
Platoschkin versammelt auf seinem Youtube-Kanal mehr als eine halbe Million Abonnenten und hatte bei den Nachwahlen zur Staatsduma 2019 als Parteiloser auf dem Ticket der Kommunisten im sibirischen Chabarowsk mit fast 25 Prozent der Stimmen die Kandidatin der russischen Regierungspartei geschlagen.
Seit 4. Juni 2020 ist Platoschkin in Hausarrest. Er darf nur mit seinen Eltern und seinem Anwalt in Kontakt treten. Die Anklage wirft ihm bewusste Verbreitung von offensichtlich falschen Informationen und Aufhetzung zu Massenunruhen vor.
Im September musste Platoschkin wegen Präinfarktsymptomen auf der Intensivstation eines Moskauer Krankenhauses behandelt werden. Die Verteidigung will sich nun an den Europäischen Menschengerichtshof wenden.
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