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Hamburger AfD verliert ParlamentsmandatDa waren es nur noch sechs

Detlef Ehlebracht tritt aus der Hamburger AfD aus und verlässt die Bürgerschaftsfraktion. In der Fraktion gehörte er zu den Moderateren.

War 2015 mal Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft: Detlef Ehlebracht Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Erneut verliert die AfD im Norden ein Parlamentsmandat. In Hamburg hat Detlef Ehlebracht die Bürgerschaftsfraktion und die Partei verlassen. Aus persönlichen Gründen, erklärte der nun ehemalige parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion. Mit dem Rückzug schrumpft die AfD auf sechs Mandatsträger. Sie verliert aber nicht ihren Fraktionsstatus.

„Wir bedauern die Entscheidung von Detlef Ehlebracht und halten sie für falsch“, sagten die Fraktionsvorsitzenden Dirk Nockemann und Alexander Wolf und forderten ihren Ex-Parteifreund auf, das Mandat an die Partei zu geben. Der 57-Jährige möchte aber als Parteiloser weiterhin der Bürgerschaft angehören.

Über die persönlichen Motive hinter Ehlebrachts Austritten kann nur spekuliert werden. Erst am Wochenende war auf dem Bundesparteitag der Streit zwischen dem Netzwerk um den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und dem Ex-„Flügel“-Zusammenschluss um den thüringischen Landtagsfraktionschef Björn Höcke offen aufgebrochen. Letztere fanden, Meuthen habe sich zu deutlich gegen den Höcke-Kurs gewandt, gestritten wurde deshalb über einen Abmahnungsantrag gegen Meuthen. Wieder einmal ging der Ansatz einer Sachpolitik medial im Parteistreit unter.

Möglich, dass es Ehlebracht deshalb nun gereicht hat. Denn obwohl er seit 2015 für die AfD in der Bürgerschaft sitzt, fiel er kaum mit den gängigen Ressentiments seiner nun Ex-Partei auf. Der gelernte Flugzeugmechaniker und Fachinformatiker gehörte zu den Moderateren bei den Radikalen, große Auftritte lagen ihm im Vergleich zu den AfD-Granden in der Hansestadt nicht.

Große Auftritte lagen Ehlebracht im Vergleich zu den AfD-Granden in der Hansestadt nicht

Auch mit seinen Themen Verkehrspolitik und Stadtentwicklung prägte er nicht das politische Profil der Fraktion, sagt Felix Krebs, der für das Hamburger Bündnis gegen Rechts die Bürgerschaftsarbeit der Fraktion beobachtet. „Fern von jeglicher sachorientierten Politik setzt die Partei auch in Hamburg ausschließlich auf die Hetze gegen Geflüchtete, Muslime und den politischen Gegner“, sagt Krebs. Da dürfte sich Ehlebracht nicht nur ungeliebt, sondern auch weitgehend überflüssig gefühlt haben, vermutet Krebs. In der Hamburger AfD-Spitze habe Ehlebracht zudem kaum Rückhalt.

Zu dem Rückzug – spekuliert wiederum das Hamburger Abendblatt – könnte auch geführt haben, dass unlängst bekannt geworden war, dass Wolf 2011 an einer Veranstaltung bei der „Hamburger Burschenschaft Germania“ mit dem NPD-Mitglied und Nazibarden Frank Rennicke teilgenommen haben soll.

Felix Krebs hingegen betont, dass das Hamburger Bündnis gegen Rechts schon zuvor öfter auf Wolfs 30-jährige Biografie in der völkischen Burschenschaftsszene aufmerksam gemacht habe. „Spätestens seit dem Skandal um sein Nazi-Liederbuch ist sein Hintergrund nicht nur in der AfD bekannt“, so Krebs. In den vergangenen Wochen hat sich Wolf indes auffallend stark zu Meuthen hingewendet und begrüßte die Abgrenzung zum Ex-Flügel-Personal.

Der Zeitpunkt von Ehle­brachts Austritten mag überraschen, die Entwicklung weniger. Schon länger hat Ehlebracht mit dem immer radikaleren Kurs der Partei gefremdelt. Der Familienvater stand eher dem ehemaligen AfD-Bürgerschaftsfraktions- und Landesvorsitzenden Jörn Kruse nahe.

Als Kruse 2018 wegen der anhaltenden Rechtsentwicklung der AfD Fraktion und Partei verließ, wurde bereits spekuliert, ob Ehlebracht ihm bald folgen würde. Nockemann charakterisierte sein Verhältnis zu ihm damals mit größtmöglicher Distanz: „Klar gab es öfter Spannungen und die wird es auch weiter geben. Mit dem einen versteht man sich menschlich gut, mit anderen weniger.“

Bereits beim Rückzug von Kruse hatte die Fraktionsspitze das Parlamentsmandat haben wollen. Damals wie heute blieb die Bitte ohne Erfolg.

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1 Kommentar

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  • Wer wollte es Herrn Ehlebracht denn verdenken? Da gibt es sicher attraktivere Angebote aus der Flugzeug- und Informatikbranche für ihn.