Proteste gegen Kohle-Leitentscheidung: Dörfer werden umgesiedelt
Es gibt kaum noch Hoffnung für die bedrohten Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier. Die Landesregierung hält an den Umsiedlungen fest.
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) verteidigte die bereits beschlossene Umsiedlung am Tagebau Garzweiler. Für eine gesicherte Energieversorgung sei der Abbau von Braunkohle in NRW bis zum Kohleausstieg Deutschlands erforderlich, sagte Pinkwart am Donnerstag im Landtag. Der Bund habe im Gesetz „insbesondere die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II“ festgestellt. Die Umsiedlungen müssten deshalb fortgeführt werden.
Eine Leitentscheidung ist die gesetzliche Grundlage für den Braunkohle-Abbau in NRW. Darüber muss der Landtag abstimmen. Die neue Leitentscheidung war nach dem Beschluss zum Kohleausstieg notwendig geworden. Spätestens 2038 soll in Deutschland Schluss sein mit der Kohleverstromung.
Dementsprechend kann auch die Braunkohleförderung reduziert werden. Die finale Fassung will die CDU/FDP-Landesregierung im Frühjahr 2021 beschließen. Bis zum 1. Dezember können Bürger, Kommunen und Verbände ihre Meinung zum Entwurf abgeben.
Fünf Erkelenzer Ortschaften
Die Umsiedlung von fünf Erkelenzer Ortschaften soll „sozialverträglich fortgesetzt und bis 2028 abgeschlossen werden“. Mehr als die Hälfte der Bewohner aus den betroffenen Dörfern sei bereits umgezogen, sagte Pinkwart. Rund 80 Prozent hätten ihre Umsiedlung verbindlich vereinbart. Der Tagebau in Garzweiler solle aber zunächst auf bereits unbewohnte Ortschaften ausgerichtet werden. Damit werde der zeitliche Druck bei der Umsiedlung genommen.
Das Bündnis „Alle Dörfer Bleiben“ nannte den Entwurf „eine Katastrophe“. „Die Menschen aus den Dörfern wurden mal wieder völlig ignoriert“, erklärte Britta Kox aus dem betroffenen Dorf Berverath. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mache sich erneut „zum Handlanger des Kohlekonzerns“ RWE. Das Bündnis kündigte für die nächsten Wochen und Monate „starken Widerstand gegen die Pläne von RWE und Landesregierung“ an.
Die Klimaallianz Deutschland erklärte: Die Umsiedlung und Zerstörung von weiteren Dörfern ist in Zeiten des beschlossenen Kohleausstiegs nicht mehr akzeptabel.“ Die Grünen warfen der Landesregierung vor, klare Entscheidungen zu scheuen. „Die Dörfer könnten gerettet werden, wenn Sie es wollten“, sagte die Grünen-Abgeordnete Wibke Brems.
Die Aufforderung an RWE, die noch bewohnten Dörfer so lange wie möglich zu verschonen, lasse vermuten, „dass sich die Landesregierung inzwischen auch nicht mehr sicher ist, dass die Kohle unter den Dörfern tatsächlich gebraucht wird“. Letztlich würden Gerichte entscheiden, ob die Umsiedlungen fortgesetzt werden müssten.
Klimaaktivisten sollen Wald räumen
Bereits seit längerem steht fest, dass der seit Jahren umkämpfte Hambacher Forst erhalten bleibt. Pinkwart rief die Klimaaktivisten auf, den Wald zu räumen. Der Wald solle nun mit anderen ebenfalls vom Tagebau verschonten Waldgebieten vernetzt werden. „Die Vernetzung der Wälder und ihre gedeihliche Entwicklung könnten dadurch gefördert werden, wenn die rechtswidrig errichteten Baumhäuser jetzt endlich geräumt würden.“
Die Zahl der Aktivisten im Hambacher Forst schwankt nach Polizeiangaben stark, nach Auskunft im Juni sollen es ungefähr 100 Personen sein. Die Waldbesetzer sollen an die 100 Baumhäuser errichtet haben.
NRW trage wesentlich dazu bei, dass Klimaziele Deutschlands und auch des internationalen Pariser Abkommens erreicht werden könnten, sagte Pinkwart. Bis in das Jahr 2028 erfolgten alle endgültigen Stilllegungen von Braunkohleblöcken ausschließlich im Rheinischen Revier. Bis 2029 übernehme NRW damit 70 Prozent der zu reduzierenden Braunkohlekapazitäten. Daraus folge auch der bei weitem größte Beitrag zur CO2-Einsparung.
Für die Dörfer, die direkt an den Tagebau Garzweiler II angrenzen, sieht die Leitentscheidung nun größere Abstände der Abbaugrenze des Tagebaus zu den Ortsrändern vor. Die Abstände sollen auf mindestens 400 Meter vergrößert werden.
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