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Israel und Emirate in BerlinSymbolik mit der Brechstange

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Bin Sajid stellt die Annäherung der Emirate an Israel in den Kontext des Holocausts. Ein Versuch, die Europäer wieder ins Boot zu holen.

Die drei Außenminister geben nach ihrem Treffen eine Pressekonferenz vor der Villa Borsig in Berlin Foto: Hannibal Hanschke/dpa

A lles andere als subtil war die Symbolik, die vom ersten Außenministertreffen Israels und der Emirate am Dienstag ausging: Nicht nur trafen sich die beiden Chefdiplomaten ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt; sie begrüßten sich sogar an den Betonstelen des Holocaust-Mahnmals und posierten zu dritt für die Kameras: der Israeli, der Araber und der Deutsche. Die Ortswahl ist in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen.

Denn keinesfalls lag Deutschland für das Treffen der bislang verfeindeten Länder nahe. Im Gegenteil: Für ihre passive, ja kaum existente Rolle in der von der Trump-Administration aggressiv vorangetriebenen Annäherung zwischen Israelis und Arabern wurde die Bundesregierung – und mit ihr die EU – scharf kritisiert, in Jerusalem, in Washington, aber auch von vielen weltweit, die die israelisch-arabische Normalisierung willkommen hießen.

Mit seinem Berlin-Besuch hat der emiratische Außenminister Abdullah bin Sajid die Anerkennung des jüdischen Staats durch seine Regierung nun unmissverständlich in den Kontext des Holocausts gestellt. Was für deutsche Ohren wenig überraschend klingen mag, ist im regionalen Zusammenhang bemerkenswert. Bis heute leugnet Abu Dhabis ärgster Gegner, das iranische Regime, den Massenmord an den Juden.

Und auch in den Bevölkerungen arabischer Staaten fehlt nicht selten die Bereitschaft, nicht nur die kolonialen Aspekte der Staatsgründung Israels, sondern den Staat auch als Folge von Antisemitismus und Holocaust wahrzunehmen. Auffällig ist derweil, dass Deutschland in der Frage der israelisch-arabischen Annäherung nur noch aufgrund seiner Nazivergangenheit mitreden kann.

Gemeinsam mit ihren europäischen Kolleg*innen waren die deutschen Diplomat*innen in den letzten vier Jahren der Zaungast, der mit entsetzter Verblüffung beobachtete, was Trump in Nahost alles in Bewegung setzte. Selbst die von der Netanjahu-Regierung angekündigte Annexion von Teilen des Westjordanlands haben am Ende nicht die Europäer verhindert, sondern die Amerikaner beziehungsweise die Emiratis mit ihrer Bereitschaft, Israel anzuerkennen.

Bleibt zu hoffen, dass die EU ihre Ohnmacht überwindet. Die Emiratis wollen die Europäer in Sachen Nahost offenbar wieder ins Boot holen, waren doch sie es, die für das Treffen am Dienstag Berlin vorschlugen. Gemeinsam – und bestenfalls in Abstimmung mit einer Biden-Regierung in Washington – gilt es nun den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wiederzubeleben, um die von Trump und Netanjahu einseitig vorangetriebene Einstaatenlösung zu verhindern.

Denn auch wenn die Zweistaatenlösung immer unrealistischer wird: Eine konsensuale und die Menschenrechte wahrende Einstaatenlösung liegt in noch viel weiterer Ferne. Ziel der Europäer kann nur sein, an einer gerechten und vor allem ausgehandelten Lösung des Nahostkonflikts festzuhalten.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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5 Kommentare

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  • Zitat: „Auffällig ist derweil, dass Deutschland in der Frage der israelisch-arabischen Annäherung nur noch aufgrund seiner Nazivergangenheit mitreden kann.“

    Echt jetzt? Ich meine: Ist es wirklich „auffällig“, wenn „die Deutschen“ von israelischen und arabischen Polit-Strategen in genau der Rolle angesprochen werden, die sie selbst für sich gewählt haben über sehr viele Jahre hinweg?

    Womöglich finden es die beiden weitgereisten Chefdiplomaten ja nur irgendwie angebracht, ihre deutschen Kollegen (und *innen?) im Auftrag ihrer Herren zu erinnern an die „guten alten Zeiten“. An jene Zeiten, meine ich, in denen sich die israelische Regierung noch der „unverbrüchlichen Freundschaft“ der Deutschen (Regierung) sicher sein konnte und sich darauf verlassen durfte, dass ihrer deutschen Amtskollegen ihre wichtigste Aufgaben in der gebetsmühlenartig vorgetragenen Bitte um Vergebung und das Einräumen unendlicher Möglichkeiten der Wiedergutmachung entsprechend den Vorstellungen der jeweils herrschenden israelischen Regierung gesehen haben.

    Könnte es denn nicht sein, dass Netanjahu und seine Leute das ungute Gefühl haben, diese „guten alten Zeiten“ könnten demnächst zu Ende gehen? Nicht (nur), weil „die Deutschen“ das vielleicht so wollen, sondern weil sich Israel unter seinem aktuellen Führer im gleichen Maß entfernt von den einstmals in Europa gültigen demokratischen Grundsätzen, in dem es sich arabischen Alleinherrschern annähert?

    Wenn mich nicht alles täuscht, sorgt Netanyahu für eine Zukunft vor, in der es gerade solchen Deutschen, die aus der Geschichte lernen wollen (oder wenigstens so tun als ob), immer schwerer fallen könnte, jede Idee der israelischen Führung kritiklos gut zu heißen.

    Aber was soll’s? Im Grund ist das ziemlich überflüssig. Die Emirate werden schließlich auch nicht von lupenreinen Demokraten regiert. Mit Kritik hält sich die Bundesregierung trotzdem auffällig zurück. Pfeif auf die Menschenrecht, gel? Hauptsache, „die Wirtschaft“ leidet nicht.

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      hach, die juden, welche aus der shoa profit ziehen und die "kolonialen aspekte israels", nächste woche fragt man sich dann wieder schockiert, wo diese steilvorlagen für antisemit!nnen nur herkommen

  • Trumps Fummelei ist keine Einstaatenlösung. Die Einstaatenlösung würde gleiche Rechte für alle beinhalten. Das wiederum wollen die Israelis nicht.

    • @Hans Schnakenhals:

      auf mephistotelisch: die das Böse will und doch das Gute schaft. denn das Arangement des Trump- Plans würde, so umgesetzt, doch die Daumenschrauben für die israelische Gesellschaft enger ziehen, auch wenn Netanjahu es für einen Triumpf hält, es würde schwieriger werden als es jetzt schon ist vor der Welt und sich selbst diesen Zustand zu rechtfertigen und noch zu behaupten, das hätte alles so seine demokratisch rechtsstaatliche Ordnung. Irgendwann werden die Verhältnisse eine Entscheidung erzwingen, ob man demokratisch bleiben will, ein- oder zweistaatlich, egal, oder einstaatlich mit Indianerreservaten undemokratisch. Die Palästinenser werden auf jeden Fall nicht so nett sein letzteres still über sich ergehen zu lassen.

  • Eine Zweistaatenlösung ist genauso unrealistisch, aber ebenso unrealistisch ist, dass sich die PalästinenerInnen ewig in einer solchen Situation festhalten lassen, in der sie einerseits keine eigene Staatlichkeit erreichen können, aber gleichzeitig nicht dieselben Rechte wie alle Bürger des faktisch einen Staates akzeptieren werden.



    Seltsam mutet das erste Treffen hierzulande an, wenn sich die beiden Länder doch jetzt so gut verstehen, sollten sie sich doch besser dort treffen.



    Die EU, die weiterhin so tut als ob durch diese offizielle Normalisierung nun die Annexion von 30% der Westbank verhindert wurde (und damit die Zweistaatenlösung noch zu retten sei) wirkt lächerlich, oder heuchlerisch, denn sie weiss genau, dass schon jetzt das Jordantal ausgebeutet und beschlagnahmt wird. Die de-facto Annexion ist damit bereits gegeben, nur die offizell erklärte noch nicht.