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Die Verantwortung von SuperreichenVon König Midas lernen

In der globalen Wirtschaftskrise explodieren die Vermögen der extrem Reichen. Deren Exzesse sind buchstäblich tödlich für unseren Planeten.

Irgendwo muss das Geld ja hin: Yachten auf der Düsseldorfer Messe Boot 2020 Foto: Michael Kneffel/imago

K önig Midas war reich. Extrem reich. Unermesslich und unantastbar, denn alles, was er berührte, verwandelte sich in Gold, die Rosen im Garten seiner Tochter ebenso wie die gegrillte Dorade auf seinem Teller. Weswegen er gemäß einer der vielen Legenden, die sich um ihn ranken, verhungerte.

König Mansa Musa aus Mali war reich. Extrem reich. So reich, dass der Goldpreis in Kairo zusammenbrach, als er mit Tausenden von Höflingen auf Hadsch ging, auf Pilgerschaft nach Mekka und Medina. Bei der Rückreise konnte er seine riesige Entourage kaum ernähren, so wenig war sein Gold inzwischen wert.

Mythen sind unterhaltsam und lehrreich. Zu viel Reichtum galt seit je eher als Fluch. Nicht nur für die Onkel Dagoberts, sondern auch für die jeweilige Gesellschaft. Weswegen es höchste Zeit ist, darüber nachzudenken, was mit uns gerade geschieht, da die Vermögen der Ultrareichen explodieren.

Schon vor der Pandemie „erwirtschaftete“ das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als das Bruttosozialprodukt von 169 Staaten – darunter alle Länder im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent. Die Ultrareichen haben vom ­Coronavirus besonders profitiert. Laut dem Bloomberg-Milliardärsindex sind die 500 reichsten Menschen der Welt trotz der globalen Wirtschaftskrise nun 813 Milliarden Dollar reicher als zu Beginn des Jahres. Das Gesamtvermögen der Ultrareichen sei im Juli auf einen neuen Höchststand von 10,2 Billionen Dollar, gegenüber 8,9 Billionen Dollar Ende 2017, gestiegen. Der größte Reibach wurde im Technologie- und Gesundheits­sektor gemacht. Die Nettovermögen in den Bereichen Unterhaltung, Immobilien und Finanzen wuchsen im Vergleich dazu um bescheidene 10 Prozent.

Einem Bericht der Schweizer UBS zufolge haben die Milliardäre dieser Welt ihr Vermögen von April bis Juli dieses Jahres um mehr als ein Viertel gesteigert, also zu einem Zeitraum, als Milliarden von Menschen ihre Arbeit verloren oder nur aufgrund von staatlichen Programmen überleben konnten. Diese Unsummen wurden zumeist auf den Aktienmärkten ergattert, die sich erstaunlich schnell von ihrer anfänglichen Baisse erholten. Laut UBS hat die Zahl der Milliardäre mit 2.189 einen neuen Höchststand erreicht.

Wer sich über die Verhältnisse hierzulande informieren will, sei auf die Webseite der World Inequality Data Base verwiesen. Eine Grafik ist besonders interessant: Der Anteil am Gesamteinkommen der obersten zehn sowie der untersten fünfzig Prozent. 1984, als ich zu studieren begann, lag der Anteil der Oberen bei 23,3 und der Unteren bei 30,2 Prozent. Dreißig Jahre später hat sich die Verteilung umgedreht. Nun erhalten die oberen zehn Prozent 30,4 und die untere Hälfte nur mehr 25,9 Prozent. Wir haben also eine massive Umverteilung von unten nach oben erlebt. Und da behaupten immer noch viele in der Politik, sie seien gegen Umverteilung.

Sind diese Realitäten nur Schönheitsflecken auf dem makellosen Körper des Kapitalismus oder maligne Melanome, die wirtschaftlich und sozial destruktive Auswirkungen haben? Letzte Woche erschien auch eine Studie von Oxfam und dem Stockholmer Umweltinstitut, nach der das wohlhabendste Prozent der Weltbevölkerung zwischen 1990 und 2015 für den Ausstoß von mehr als doppelt so viel Kohlendioxid verantwortlich war wie die ärmere Menschheitshälfte.

Wer viel mehr Geld hat, als er oder sie ausgeben kann, investiert meist in destruktive Industrien wie fossile Brennstoffe und Bergbau. Extremer Reichtum wird nicht „verdient“, sondern extrahiert – der Natur entrissen von unterbezahlten Arbeitern, gesichert durch Monopolmacht und politische Einflussnahme. Darüber sollten wir ein demokratisches Gespräch führen: Ab welcher Ziffer wird Raffen und Horten sozial unverträglich? 10 Millionen? 50 Millionen? 100 Millionen?

In der Epoche eines drohenden ökologischen Zusammenbruchs sind derartige Exzesse buchstäblich tödlich. Die Existenz von Milliardären ist mit der Einsicht in planetarische Grenzen unvereinbar. Wer auf einem halbwegs intakten Planeten halbwegs human leben möchte, muss etwas gegen diese perverse Ungleichheit unternehmen. Das ist weniger radikal, als es auf den ersten Blick erscheint: Selbst ein klassisch sozialdemokratischer Wirtschaftswissenschaftler wie Thomas Piketty stellt klar: „Eine drastische Verringerung der Kaufkraft der Reichsten hätte an sich schon erhebliche Auswirkungen auf die Verringerung der Emissionen auf globaler Ebene“. Erst kürzlich forderte er eine Sondersteuer für hohe Vermögen.

Christentum als politisches Programm

Das wäre sogar im Interesse der Ultrareichen, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr Reichtum angesichts von Milliarden hungernder und dahinsiechender Menschen zu gewalttätigen Konflikten führen wird. Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich zerreißt irgendwann einmal das soziale Gefüge. Wie mir Hans Peter Haselsteiner, Inhaber der Strabag, Platz 24 auf der österreichischen Milliardärsliste, vor Jahren anvertraute, müsse seine Klasse für ein Auskommen aller sorgen (daher seine Unterstützung eines bedingungslosen Grundeinkommens), denn sonst könnte sie alles verlieren.

Vielleicht könnten wir vor der Bundestagswahl 2021 ausnahmsweise mal das Christentum als politisches Programm ernst nehmen. Schlagen wir nach in der Apostelgeschichte (2,44–45): „Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“

So wie König Midas, der gemäß einer anderen Legende alles aufgab, umherwanderte, Pan anbetete und Schüler von Orpheus wurde. Ein gelungenes Lied, das ist wahrer Reichtum. Und es tut niemandem weh.

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5 Kommentare

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  • Im Artikel wird beim Vermögen nicht sauber zwischen ecchten "Bargeld" und Vermögen auf dem Papier unterschieden. Richtig ist, dass die Superreichen in diesem Jahr deutlich reicher geworden sind. Aber nur auf dem Papier. Denn sie haben ihr "Vermögen" nicht als Bargeld auf dem Konto, sondern ihr "Vermögen" besteht aus der BEWERTUNG ihrer Aktien an der Börse. Da die Börse in beiden Richtungen fast immer zu Exzessen neigt, sind solche Aussagen zunächst "Momentaufnahmen", die sich schnell wieder ändern können.



    Bsp.: Wenn der Wert deren Aktien an der Börse bspw. von 100 Mrd. EUR auf 150 Mrd. EUR gestiegen sind, existiert dieser Gewinn von 50 Mrd. EUR zunächst nur auf dem Papier. Wenn es morgen zu einem neuen "Lockdown" kommt und der Wert der Aktien auf 50 Mrd. EUR abschmiert, existiert dieser Verlust von 100 Mrd. EUR auch nur auf dem Papier. Die Gewinne und Verluste (und damit Bargeld auf dem Konto) werden nur dann realisiert, wenn die Superreichen ihre Aktien verkaufen!



    Statt jetzt laut nach "Vermögenssteuer" zu schreien, stellen sich mir viel ursächlichere Fragen. Warum werden deren Geschäftsmodelle an der Börse so hoch bewertet? Eine mögliche Ursache könnte sein, dass der Wettbewerb nicht richtig funktioniert. Vor allem Tech-Werte (wie Google, Facebook, etc.) konnten ihre Bewertungen an der Börse zuletzt massiv steigern. Diese Tech-Werte betreiben meist "Plattformen", die zu einer Monopolisierung neigen. Daher werden hier - nicht leistungsgerechte - Gewinne realisiert, die nur durch diese Monopolmacht realisiert werden. Hier wäre die Politik gefordert durch Regulierung und Wettbewerb deren Monopolmacht zu brechen. Aber hier kommen wir zum nächsten Problemfeld, dem des Lobbyismus. Denn die Superreichen haben halt die besten Anwälte und Lobbyisten, um dieses zu verhindern und ihr Vermögen abzusichern.

  • Vermögenssteuer. Jetzt!

    Warum haben wir sie eigehtlich abgeschafft? Warum Frankreich?

    • @tomás zerolo:

      Ich schätze mal, weil die Vermögenden das so wollten.

  • Die meisten Superreichen pfeifen auf irgendwelche Verantwortung...



    Machen die nich!

  • Danke.

    Global 2.189 Milliardäre, ungeachtet Hedge-, Pensions-, Staatsfond, die als Vermögensverwaltungstanker Billionen $ bewegen , sind die Money, Money Junkies unserer Zeit, die nicht am Geldwesen genesen, zum Wohl, Gedeih der Weltbevölkerung investieren, sondern im Glauben an den Batzen spekulativ aufgeblähter Geldmengen hängen wie Heroinabhängige an der Nadel, sich permanent, dank Zentralbanken Geldschöpfung mit Negativzins, eine höhere Dosis zu verpassen, weil sie das Rauschen in ihren Hirnen, Ohren, Safes Dagobert Duck Syndrom halluzinierend für Fahrtwind auf dem „Meerwert“ halten, der sie auf Kreuz- , Wallfahrt zu den Götzen des Kapitalismus ins Weite unendliche Nirgendwo trägt. Was für ein Trugschluss. Denn ihr aufgeblähtes Blasenwirtschaftswesen ist auf Kredit, d. h. auf Sand von Klima-, Umwelt, Ressourcenschulden gebaut, hat sich in einer gespaltenen Weltwirtschaft Finanzwelt mit asymmetrisch aufgestelltem Währungssystem zur Hyper- Vermögensinflation ausgeformt, während Lohnabhängige, arbeitslose, unterbeschäftigte Leistungsbezieher auf prekären Arbeitsplätzen staatlicher Lohnersatzhilfen, Rentner durch Deflation ihrer Kaufkraft, spätestens nach Verbrauch ihres Restvermögens für staatliche, private Arbeitgeber Lohnsubvention, vor Schonvermögen für die Altersvorsorge, soweit vorhanden, ungeahnt zu Gläubigern entwickeln ohne Begriff wer bei ihnen verschuldet ist, auf jeden Fall der Fälle weltweit 2.189 Milliardäre, ungeachtet Hedge-, Pensions-, Staatsfond, die als Narrenschiff Vermögensverwaltungstanker Billionen $ bewegen, ohne Sinnen noch Trachten schon gar nicht Expertise für Ausgleichs-, Entchädigungsmechanismen, angesiedelt beim IWF. Weltbank, WHO, Word Food Programm (WFP), UNO, UNHCR und anderes, was der Weltbevölkerung wirklich als Ganzes zeitnah und nachhaltig hilft.