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Umbruch in GroßbritannienLondon will BBC auf rechts wenden

Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt BBC ist der britischen Regierung zu links. Nun sollen zwei Ultrakonservative auf wichtige Posten.

Bald BBC-Chairman? Ex Telegraph-Chef und Gebührenverweigerer Charles Moore Foto: Daniel Hambury/Stella/imago images

In Deutschland heißt es gerne, die Renter*innen seien die beste Lebensversicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deren Lebenserwartung steigt, es werden immer mehr und sie gucken alle gern traditionelles TV-Programm. Das trifft auch für Großbritannien zu. Doch dort könnten der öffentlich-rechtlichen BBC bald zwei Rentner extrem gefährlich werden.

Denn die britische Regierung setzt auf zwei pensionierte ultrakonservative Journalisten, um die ihnen zu kritische und unberechenbare BBC künftig sanft umzulenken. Paul Dacre, von 1992 bis 2018 rekordverdächtige 26 Jahre lang Chefredakteur der rechtskonservativen Daily Mail, und Charles Moore, von 1992 bis 2003 Chefredakteur des rechtskonservativen Daily Telegraph, könnten demnächst an wichtigen Schalthebeln in Sachen BBC sitzen.

Dacre, der die Daily Mail auf populistisch-fremdenfeindlichen Boulevard ausrichtete, wird als nächster Chef der mächtigen britischen Medienaufsicht Ofcom gehandelt. Die Ofcom reguliert zentral den gesamten Medien- und Telekommunikationsbereich auf der Insel. Anders als in Deutschland, wo die Landesmedienanstalten nur für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständig sind, reguliert die Ofcom auch weite Teile der BBC.

Was Dacre politisch von der BBC hält, fasst er gerne in dem Satz zusammen, der Laden verströme eine Art „kulturellen Marxismus“ und versuche, die eigentlich konservative gesellschaftliche Stimmung zu unterminieren, in dem er „all deren Werte auf den Kopf stelle“.

Schwierige Ansichten

Wie gut, könnte man meinen, dass es neben dem Intendanten bei der BBC noch einen Chairman gibt, der dem BBC Board vorsteht. Dieses „Board“ ist kein Rundfunkrat im deutschen Sinne, sondern eher ein zehnköpfiger Aufsichtsrat, in dem sowohl Senderbosse als auch unabhängige Persönlichkeiten sitzen.

Dacre hat über die BBC gesagt, der Laden verströme eine Art kulturellen Marxismus

Von diesem „Chair“ könnte nun landläufig eine robuste Verteidigung der BBC-Positionen erwartet werden und dass er oder sie mit Leuten wie Dacre in den Clinch geht. Doch der Favorit von Premierminister Boris Johnson für den Posten des nächsten BBC-Chairman ist niemand anderes als Charles Moore.

„Wenn ich mich bei der BBC um einen Job bewerben würde, wüssten sie, dass ich gegen Abtreibung, die gleichgeschlechtliche Ehe, für die Fuchsjagd und skeptisch in Sachen Klimawandel bin“, hat Moore vor ein paar Jahren im Telegraph geschrieben. „Und sie würden sagen: So jemand können wir nicht nehmen.“ Auch wenn sich an seinen Ansichten nichts geändert haben dürfte, hat er nun beste Aussichten, den momentanen Chairman David Clementi zu beerben.

Clementis Amtszeit endet im Februar 2021. Selbst dass Moore schon mal wegen Nichtbezahlens der Rundfunkgebühren rechtskräftig verurteilt wurde, scheint dem keinen Abbruch zu tun. Mal im Ernst: EinE Beitragsverweiger*in als Gremienchef*in wäre hierzulande – noch? – ein Ding der Unmöglichkeit.

Aber Johnsons Regierung will ohnehin eine Abkehr von der gesamtgesellschaftlichen Finanzierung der BBC. Sein für Medien und damit auch die BBC zuständiger Kulturminister Oliver Dowden macht keinen Hehl daraus, dass für ihn auch ein Abomodell wie bei Netflix infrage kommt.

Cummings Handschrift

Die Doppelpersonalie Dacre/Moore kommt dabei vermutlich direkt aus dem Skizzenbuch von Johnsons Oberberater Dominic Cummings. Der will die BBC radikal schleifen und kommt dabei immer weiter voran. Dass der erst seit wenigen Wochen amtierende neue Director General Tim Davie als erste Amtshandlung seinen Mitarbeiter*innen verbot, auf Social Media ihre Sicht der Dinge kund zu tun, passt ins Bild.

Auch an Cummings zweiter Baustelle geht es zügig voran. Er will möglichst bald in Großbritannien einen rechtskonservativen Nachrichtensender als Alternative zur BBC. Vorbild ist natürlich Fox News aus den USA. Für den Konzern des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch bastelt denn auch der frühere Fox-News-Chef David Rhodes an einem britischen Klon.

Daneben ist das Konsortium All Perspectives am Start. Es plant einen Nachrichtenkanal namens GB News und hat dafür schon eine Lizenz von der Ofcom. Nach britischen Presseberichten hat GB News eine Sicht von der BBC, die sogar Dacre und Moore harmlos aussehen lässt. Da heißt es: Die BBC sei „eine Schande“ und „muss aufgelöst werden“.

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6 Kommentare

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  • Eine große Mitschuld an der Entwicklung tragen die innerparteilichen Labour-Rechten, die vor lauter Hass auf Jeremy Corbyn die Konservativen lieber an der Macht ließen...

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      eine neue dolchstoss-legende, mit den altbekannten implikation, corbyn war für viele einfach völlig unwählbar, aber auf die kritiker!nnen wollte man ja nicht hören

      • @90564 (Profil gelöscht):

        Ja, für die finanzstarken Globalisten war er zu links, zu unbequem. Die Geschäftemacherei darf man halt nicht ungestraft stören.

        • 9G
          90564 (Profil gelöscht)
          @Linksman:

          das chiffre "zionisten" ist ihnen wohl zu offensichtlich, ihr dogwhistling ist ohrenbetäubend

          • @90564 (Profil gelöscht):

            Dass Sie bei Worten wie "Globalisten" und "Geschäftemacherei" sofort, ganz unvermittelt ausgerechnet auf "Zionisten" kommen, kennzeichnet Ihr recht überschaubares Weltbild.

  • kann man nur hoffen das die Mitarbeiter einen geraden Rücken haben und notfalls kündigen.