Reaktionen auf rechte Hetze eines Arztes: Meinungsschwache Kollegen
Der Bramscher Allgemeinarzt und AfD-Schatzmeister Siegfried Sonneck hetzt im Netz. Die Ärztekammer distanziert sich nur vage.
Regelmäßig wettert Sonneck, der in einer Allgemeinarztpraxis in Bersenbrück angestellt ist, gegen Menschen, die nicht seinem Weltbild entsprechen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung. Trotzdem distanziert sich die Ärztekammer bisher nicht eindeutig von den Aussagen ihres Mitglieds.
Bei den Ermittlungen geht es um einen Post in der privaten Facebook-Gruppe „Der Islam in Deutschland gehört verboten“. Sonneck spricht darin Muslimen den Integrationswillen ab, berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung. Muslime „lehnen den Staat ab“, behaupte der Allgemeinarzt und spreche von „Aggressionen und Attacken auf unsere freiheitliche Demokratie“.
„Die Polizei untersucht das derzeit“, bestätigt Alexander Retemeyer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück. „Wir haben Herrn Sonneck zur Vernehmung vorgeladen“, sagt Frank Oevermann, Sprecher der Polizeiinspektion Osnabrück. „Ob er dem nachkommt, wissen wir noch nicht.“
Gegenüber der taz äußert sich Sonneck nicht zu seinen Posts. AfD-Kreisverbandschef Florian Meyer nennt das alles ein „Missverständnis“. „In keiner Weise“ seien Sonneck, dem Kreisverband und dem Kreisvorstand „Verallgemeinerungen zu der Integrationsbereitschaft oder -willigkeit der zum Islam zugehörigen Gläubigen und Mitglieder“ zuzuschreiben.
Die Bramscherin Filiz Polat, die für die Grünen im Bundestag sitzt und dort Sprecherin für Migration und Integration ist, sieht das naturgemäß anders. Sie hat die Osnabrücker Bezirksstelle der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) aufgefordert, sich von den „zum Teil rassistischen“ Tweets des Arztes zu distanzieren, „mit denen er Stimmung gegen Muslime und Geflüchtete macht“.
„Es ist wichtig, dass Hass und Hetze im Netz nicht unkommentiert bleiben“, sagt Polat. Sie hoffe, dass die ÄKN „ihrer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird“ und Stellung beziehe. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass rassistische und volksverhetzende Äußerungen ein gefährliches gesellschaftliches Klima schaffen“, sagt Polat.
Von der ÄKN Osnabrück habe sie keine Antwort erhalten, dafür eine von der ÄKN Hannover. „Sehr knapp und allgemein“ sei diese gehalten gewesen, sagt Polat, „ohne auf den konkreten Fall einzugehen.“ Das reiche ihr nicht. „Ich habe den Eindruck, als wolle man die Sache schnell vergessen.“
Auf Nachfrage der taz bestätigt die Ärztekammer in Hannover, dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Sonneck dort bekannt sei. Man habe bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht angefordert, sagt Thomas Spieker, Sprecher der ÄKN. Zudem werde die Ärztekammer den Fall „im Rahmen der Berufsaufsicht eigenständig prüfen“. Das geschehe aber nicht in Osnabrück: „Das berufsrechtliche Verfahren wird in Hannover geführt.“ Die ÄKN fordere „eine Besinnung auf die ärztlichen Grundwerte“, rufe „zu einem fairen und menschlichen Miteinander auf“. Ob das bedeutet, dass die ÄKN Sonnecks Social-Media-Aktivitäten verurteilt, lässt er offen.
„Im Rahmen der Berufsaufsicht kann die ÄKN vorgehen“, teilt er mit. Über „einschlägige Strafverfahren“ erhalte die ÄKN „genauso wie auch die zuständige Approbationsbehörde Mitteilung“. Vager geht es kaum.
Der Bezirksstellenleiter schweigt
Auch aus der Osnabrücker Bezirksstelle der Ärztekammer kommt keine Distanzierung. Leiter Steffen Grüner schweigt. Auch er ist bei Twitter aktiv. Grüner nutzt dort Worte wie „Linksfaschismus“, „Haltungsjournaille“ und „Ökopopulismus“, retweetet den rechten Publizisten Roland Tichy, den Vorsitzenden der Werteunion Alexander Mitsch und den geschassten Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.
Sein ursprünglicher Twitter-Account war Grüner für diese Botschaften aber womöglich zu auffällig. Er nannte sich mit Klarnamen „DrSGruener (Metaphysiker)“, postete seit Februar aber nichts mehr. Seit Mitte Juni gibt es den Account „metaphysik4“. Name, Inhalte und Stil sind ähnlich. Die ÄKN Osnabrück vermittelt kein Gespräch mit ihm, um ihn danach zu fragen.
„Es irritiert mich, dass es von der Bezirksstelle Osnabrück bisher keine Reaktion gegeben hat“, sagt Polat. „Ich gewinne zunehmend den Eindruck, dass sich der Vorsitzende der Bezirksstelle Osnabrück mit Herrn Sonnecks Ansichten grundsätzlich gemein macht.“
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