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Europa und die Moria-KriseAuf der Flucht vor Verantwortung

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das Desaster auf Moria löst keine Anstrengungen zum gemeinsamen Handeln aus. Im Gegenteil: Es geht weiter nur um Abwehr.

Die afghanische Frau hat im Camp der Hilfsorganisation „Team Humanity“ Unterschlupf gefunden Foto: Murat Turemis

M enschen in miserabel ausgestatteten Lagern über Jahre, wartend auf ihre Zukunft: Die Lage der Migranten auf Lesbos ist bitter. In Deutschland ist das ein großes Thema. Ganz anders sieht es in weiten Teilen der EU aus. Die Unterstützung für diese Menschen beschränkt sich häufig auf Lippenbekenntnisse, so das Thema überhaupt eine Schlagzeile wert ist.

Eine Ursache für diese Tatsache liegt in der Politik der Bundesregierung vor fünf Jahren begründet, als diese Hunderttausende Migranten ins Land ließ. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dieser Schritt war richtig, weil er die Humanität vor bürokratischen Einzelregelungen gestellt hat. Die bis heute andauernde Folge davon aber ist, dass viele EU-Mitglieder sich von der Verantwortung für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge endgültig enthoben glauben.

Diese Lage ist aber auch für die Bundesregierung Grund genug, umfassende Hilfsleistungen mit Verweis auf eine notwendige europäische Lösung zu verweigern, der sich wiederum die meisten EU-Mitgliedsstaaten mit Hinweis auf die Politik der Bundesrepublik verschließen. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Aus der Verpflichtung zum moralischen Handeln erwächst keine gemeinsame Politik. Partikular­interessen stehen über kollektiver Verantwortung. Und dabei setzt sich immer mehr der Wunsch durch, gar keine Migranten mehr aufnehmen zu müssen.

Die EU-Kommission folgt nun dieser Linie. Ihre Pläne sehen an erster Stelle die Abwehr von Flüchtlingsbewegungen vor. Jahrelang hat Europa keine Einigung über eine Verteilung der Migranten finden können. Die Konsequenz lautet: Die Verteilung möge außerhalb Europas stattfinden. Das Desaster auf Moria löst nicht etwa Anstrengungen zum gemeinsamen Handeln bei der Integration von Flüchtlingen aus. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht weiter nur um deren gemeinsame Abwehr. So kann man einen Konflikt innerhalb der EU vielleicht kurzfristig lösen. Den Verfolgten aber hilft das nicht.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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9 Kommentare

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  • Danke.

    Desaströse Geflüchteten Lager, Verteilungsmanagement asylberechtigter Geflüchteter der EU, deren Partnerländer in Griechenland, Italien, Malta, Spanien verstellt Blick auf ursächlich humane Katastrophe gescheiterten Systemchange, Nationbuilding nach Nine Eleven 01 durch völkerrechtswidrig asymmetrisch Kampfdrohnen Krieg gegen internationalen Terrorismus, an dem Deutschland, neben anderen Ländern, mit Bundeswehr an 12 Auslandseinsatz Schauplätzen beteiligt ist, der erst Ströme Geflüchteter auslöst, die aber nun jene Länder, die nicht am Krieg beteiligt sind, veranlasst, sich durch Verweigerung Aufnahme Geflüchteter in inhumanen Kollaborationsstatus zu versetzen, zu feige, Widerstand gegen unvermindert militärische Interventionspolitik EU Länder Belgien, Italien, Deutschland, England, Frankreich, Niederlande, Spanien, Polen in Koalition Williger im Krieg gegen internationalen Terrorismus ohne Exit Perspektive zu leisten.

    Verpflichtung moralischen Handelns ist das Eine, Verpflichtung völkerrechtsgemäßen Handelns nach Genfer Flüchtlingskonvention, Haager Landkriegsordnung am Syrien-. Jemen, anderen Kriegen beteiligt genannten Ländern dazu USA, Russland, Katar, Iran, Saudi Arabien, Israel, Türkei ist das Übergeordnete.

    EU befindet sich im eingenebelten Auge des Orkans inhumaner Wirklichkeit im Umgang mit 80 Millionen Geflüchteten inner-, außerhalb ihrer Heimatländer (UNHCR Bericht 2019), die nicht nur Bindungskraft Menschenrecht-, Völkerrechts untergräbt, sondern innere Gefüge Europäischer Union hinwegzufegen droht, außer Regionen innerhalb EU Mitgliedsstaaten nehmen Menschenrechts- , Völkerrechts Wächterrolle wahr, lösen ihr Widerstandrecht nach Weltgesetz aus bei drohender, gegenwärtiger Gefahr Verbrechen gegen Menschlichkeit durch direkte Aufnahme Geflüchteter nach EU Massenzustromrichtlinie 2000 aus Lehren Jugoslawienkriegs gegen Zentralregierung Unterlassung, nicht selber in Kollaboration zu geraten, sondern inneres EU Gefüge zu retten

  • Es gibt kein Land in der EU, das sich dem deutschen Sonderweg anschließen will, wenn man mal davon absieht, dass Luxemburg zwei Dutzend Migranten aufnehmen würde.

    Für mich stellt sich die Frage, ob der desolate Zustand der EU auch in der Flüchtlingsfrage nicht auch Ergebnis der deutschen Einbildung ist, dass nur ein deutscher Sonderweg richtig ist. Die z.T. extreme Ablehnung deutscher Vorschläge in der EU resultiert womöglich in erster Linie daraus, dass die deutsche Haltung, dass es nur gut oder böse gibt, alle weiteren Gedanken ad absurdum führt.



    Am deutschen Wesen wird auch dieses Mal nicht die Welt genesen.

    Auch wenn es uns nicht passt. Viele Nationen wollen nicht von uns bevormundet werden. Schon der Begriff der "Koalition der Willigen" macht die deutsche Überheblichkeit deutlich.



    Wir brauchen eine EU- und Außenpolitik, die nach Gemeinsamkeiten sucht und keine, die auf moralische Überlegenheit setzt.

    Warum wirbt Deutschland nicht als Zwischenlösung in der EU darum, Griechenland massiv zu unterstützen?



    Stattdessen wird den Griechen unterstellt, sie hätten kein Interesse an dieser Hilfe.

  • Das Problem beginnt doch schon damit, dass die Themen Flucht und Migration auch in Deutschland nur manchmal aus humanitärer, immer aber auch aus öknomischer Perspektive verhandelt wird, wobei diese letztlich auch nur eine Form verbrämter Ressentiments ist.



    Mann könnte all diese Menschen aufnehmen und statt sie einem speziellen Ausländerrecht zu unterwerfen und sie in Containersiedlungen im Nirgendwo zu stecken, damit sie auch ja nicht Fuß fassen können, könnte man sich, wenn man denn schon einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise anhängt, überlegen, wie es wohl wäre wenn man hier anders agieren würde. Gebt ihnen von Anfang an richtige Wohnungen, ausreichenden und guten Sprachuntericht, ein gute Versorgung mit Schulen, Ausbildung und Zugang zu Unversitäten. Ich würde mal behaupten, dass das Investitionen (aktuell werden für Bundesanleihen ohnehin Negativzinsen fällig) sind, die sich in 10-20 Jahren bestens ammortisiert haben und gleichzeitig auch noch gegen Demografieproblem und Fachkräftemangel helfen.

    • RS
      Ria Sauter
      @Ingo Bernable:

      Wo sollen die Wohnungen, die Arbeitsplätzeherkommen?

  • "Dieser Schritt war richtig, weil er die Humanität vor bürokratischen Einzelregelungen gestellt hat."



    ...für alle die kurzfristig denken.



    Das nennt man Aktionismus, gutgemeint ist nicht gleich gut gemacht.



    Leider heute Standard.

  • "Ganz anders sieht es in weiten Teilen der EU aus."

    Ganz offensichtlich haben die Menschen anderer Länder die EU Verträge besser verstanden als ein paar Menschen in Deutschland. Die EU ist ein wackeliges Konstruckt, niemand wollte bei deren Gründung irgendwelche zusätzliche Verantwortung übernehmen. Daher Schengen / Dublin. Daher auch die klaren Zuständigkeiten. Es gibt keinen Grund für ein geeinsames Handeln. Man kann allenfalls Griechenland unterstützen, ein neues Lager zu errichten.

  • Migranten pauschal als Verfolgte umzutiteln hilft auch nicht.

    • @Chutriella:

      Es geht hier aber nicht primär um jene Migranten die mit PhD in der Tasche per Flugzeug und aus freiwilligen Stücken kommen. Sondern um Menschen die aus purer Angst um ihr Leben oft genug zu Fuß aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan flüchten.

      • @Ingo Bernable:

        Ich fürchte fast, eine „saubere“ Trennung zwischen denen, die aus Angst um ihr Leben flüchten, und denen, die wirtschaftliche Interessen verfolgen, wird schwierig werden auf die Dauer.

        Wer erst mal überlebt hat, der will schließlich auch weiterleben, muss also irgendwie Geld auftreiben. Und wenn der Hunger und die Kälte erst einmal besiegt sind, kommen neue Bedürfnisse. Dafür sorgt schon die werbende Wirtschaft mit ihrem Traum vom ewig währenden Wachstum.

        Die deutschen Wohlstandsbürger sind für diese Zusammenhänge der beste Beweis. Vermutlich tun sie sich genau deswegen mit bestimmten Formen der Humanität so unglaublich schwer: Sie schließen von sich auf andere. Sie fürchten quasi den eigenen Schatten, denn wer wüsste besser als sie, wie weit sie gehen würden um des eigenen lieb gewordenen Wohlstandes willen?