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Giftanschlag auf Agenten Sergei SkripalDer Vorläufer

Das Gift Nowitschok wurde schon 2018 beim Anschlag in England vom russischen Geheimdienst benutzt. Was lässt sich von Großbritanniens Vorgehen lernen?

Ein Spezialteam am 13. März 2018 in Salisbury unweit der Bank, auf der die Skripals gefunden wurden Foto: Henry Nicholls/reuters

Am 4. März 2018, an einem Sonntagnachmittag, fanden Passanten in der englischen Kleinstadt Salisbury einen Mann und eine junge Frau bewusstlos auf einer Parkbank und holten Hilfe. Was als einfacher Notruf begann, entwickelte sich innerhalb weniger Wochen zu einer der größten diplomatischen Krisen in der Beziehung wischen dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges. Und aus heutiger Sicht ist es eine lehrreiche Vorversion dessen, was Deutschland im Zuge des Giftanschlags auf den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny bevorstehen könnte.

Die beiden Erkrankten von Salisbury waren Sergei Skripal, ein in Großbritannien aufgenommener Überläufer des russischen Geheimdienstes, und seine aus Moskau zu Besuch angereiste Tochter Julia. Die Ärzte stellten Vergiftungen fest, sowohl bei den beiden als auch bei einem der herbeigerufenen Polizisten. Ermittlungen und Tests ergaben eine Vergiftung mit einem Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe.

Als „Nowitschok“ – russisch: Neuling – wird eine in der Spätphase der Sowjetunion entwickelte Reihe hochgiftiger chemischer Kampfstoffe bezeichnet, die noch unregistriert war, als die internationale Chemiewaffenkonvention mit ihrem weltweiten Verbot bestehender chemischer Waffen 1997 in Kraft trat. Es sind binäre Kampfstoffe, also aus zwei jeweils für sich unverdächtigen Substanzen bestehend, die erst direkt vor dem Einsatz kombiniert werden und deren einzelne Bestandteile deshalb problemlos hergestellt, gelagert und transportiert werden können.

Seit ein russischer Wissenschaftler 1992 die Struktur der Nowitschok-Kampfstoffe veröffentlicht hatte und dafür ins Exil gehen musste, waren sie in Fachkreisen bekannt. Zu Sowjet­zeiten soll es zwei Forschungs- und Produktionsstätten für Nowi­tschok gegeben haben: Schi­khani in Russland und Nukus in Usbekistan. Nukus, das seit Ende der Sowjetunion brachlag, wurde 1999 mit US-Hilfe abgebaut und ­­dekontaminiert. Schikhani blieb in Betrieb. Was dort geschah, ist nicht bekannt.

Seit November 2019 auf der Verbotsliste

Salisbury markierte den Eintritt von Nowitschok aus der Theorie in die Wirklichkeit. Deswegen ist es ein Einschnitt in der Geschichte der internationalen Waffenkontrolle. Die internatio­nale Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) nahm Nowitschok aufgrund des Skripal-Attentats im November 2019 in ihre Verbotsliste auf. Ein von Russland verübtes Nowitschok-Attentat auf Nawalny wäre also nicht nur ein Verbrechen, sondern auch der erste Bruch eines interna­tio­nalen Waffenkontrollabkommens über ABC-Waffen durch eine Großmacht – völkerrechtlich vergleichbar mit dem Zünden einer Atombombe und politisch von ähnlicher Sprengkraft.

Im Fall Skripal spielte die OPCW eine zentrale Rolle. Auf britische Bitte hin reiste ein OPCW-Team nach Salisbury, nahm eigene Proben, untersuchte sie in vier unabhängigen Laboren und kam zu einem eindeutigen Schluss: Die Analysen, so die öffentliche Kurzfassung des Abschlussberichts von April 2018, „bestätigen die Befunde des Vereinigten Königreichs bezüglich der Identität der in Salisbury verwendeten toxischen Chemikalie“, deren Name und Struktur genau zu nennen dem vertraulichen Gesamtbericht vorbehalten blieb. Das Team „merkt an, dass die toxische Chemikalie von hoher Reinheit war“.

Eine andere Möglichkeit als die, dass die Chemikalie aus einem staatlichen Chemiewaffenlabor stammte, war damit so gut wie ausgeschlossen. Da kein anderes Land außer Russland Programme zur Entwicklung von Nowitschok-Kampfstoffen besaß, war damit aus britischer Sicht die Täterschaft geklärt. Moskau wies Bitten der OPCW um Aufklärung über Nowitschok mit dem Hinweis auf das Fehlen dieser Kampfstoffe auf der C-Waffen-Verbotsliste zurück und sprach von „Kampagne“ und „Hysterie“. Der politische Flurschaden war immens.

Innerhalb weniger Tage nach Vorlage der ersten britischen Ermittlungsergebnisse durch Premierministerin Theresa May im Parlament am 12. März 2018 wiesen 29 Länder 153 russische Diplomaten aus – die größte Massenausweisung dieser Art in der Geschichte. May war als anerkannte Sicherheitspolitikerin genau die Richtige, um im Fall Skripal westliche Solidarität zu mobilisieren und jene politische Härte zu zeigen, die ihr in anderen Angelegenheiten wie etwa beim Brexit fehlte.

Seltener Moment der Geschlossenheit

Für Großbritannien war die Affäre Skripal inmitten der Brexit-Zerwürfnisse ein seltener Moment nationaler Geschlossenheit. Nie stellte sich Labour-Chef Jeremy Corbyn so weit ins politische Abseits wie mit seinen Zweifeln an der russischen Täterschaft.

Die Affäre Nawalny dürfte in Deutschland kaum dieselbe Wirkung entfalten: Die Freundschaft mit Moskau geht in der Politik bei vielen tief, von der Linken über Teile der SPD bis zur AfD – aus völlig unterschiedlichen Motiven, was die Entwicklung einer einmütigen Haltung unmöglich macht. Die deutsche Russlandpolitik wird stärker von tief sitzenden Interessen und Emotionen als von einzelnen Ereignissen geprägt.

In Großbritannien vertraut man Moskau gar nicht mehr. Die Beziehung ist vergiftet

Die Vergiftung der Skripals – beide leben jetzt unter neuer Identität in Australien – war dabei nur der erste Akt der Affäre. Der zweite Akt war der Tod von Dawn Sturgess. Die junge Engländerin fand mit ihrem Freund am 30. Juni 2018 in Salisbury ein altes Parfümfläschchen und probierte den Inhalt auf ihrem Handgelenk aus. Sie und ihr Freund landeten im Krankenhaus, mit derselben Vergiftung wie die Skripals. Sturgess starb. Der Anschlag hatte ein indirektes Todesopfer gefordert.

Der dritte Akt war die Identifizierung der mutmaßlichen Täter. Am 3. September 2018 präsentierte die britische Polizei ihre Ermittlungsergebnisse. Demnach waren am 2. März zwei Russen mit Pässen auf die Namen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow nach London geflogen. Sie besuchten Salisbury am 3. und erneut am 4. März, bevor sie abends nach Moskau zurückflogen. Die Polizei hatte die beiden schon früh als Verdächtige ausgemacht und in ihrem Londoner Hotelzimmer ­Nowitschok-Spuren gefunden. Videoaufnahmen von Überwachungskameras zeigten sie in der Nähe von Skripals Haus in Salisbury, mehrere Kilometer von der touristischen Altstadt entfernt. Sie hätten, so die Polizei, beim ersten Besuch die Lage ausgespäht und beim zweiten das Gift an Skripals Haustürgriff angebracht.

Während sich die beiden in einem peinlichen Auftritt im russischen Fernsehen als harmlose Touristen präsentierten, bewiesen die von den Briten veröffentlichten Aufnahmen ihrer Pässe bei der Einreise, dass sie fast identische Passnummern hatten, aus einer Serie, die der russische Militärgeheimdienst GRU ausstellt. Weitere Ermittlungen enthüllten „Boschirow“ als GRU-Oberst Anatoli Tschepiga und „Petrow“ als GRU-Militärarzt Alexander Mischkin. Ein dritter GRU-Agent mit Erfahrung in Auslandsoperationen, Denis Sergejew, hielt sich vom 2. bis 4. März in London auf und traf sich mit den beiden. Detaillierte Belege veröffentlichte die Investigativplattform Bellingcat zusammen mit russischen Investigativmedien.

Eine Affäre mit Folgen

Seit diesen Veröffentlichungen sind die russischen Dementiversuche verstummt. Die britische Staatsanwaltschaft hat gegen „Petrow“ und „Boschirow“ Anklage erhoben, dass es einen Prozess geben wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Affäre Skripal ist polizeilich weitgehend aufgeklärt – und zugleich zu den Akten gelegt. Das Attentat auf Nawalny, das in Russland selbst verübt wurde und dessen Hergang daher nicht von deutschen Behörden ermittelt werden kann, wird hingegen wohl nie aufgeklärt werden.

taz am wochenende

Seit über zwei Jahren werden Frauen, die sich offen gegen rechts positionieren, mit dem Tod bedroht. Absender: „NSU 2.0“. Steckt ein Polizist dahinter? Eine Spurensuche in der taz am wochenende vom 05./06. September. Außerdem: Die Theaterhäuser öffnen wieder – mit strengem Hygienekonzept. Was macht Corona mit der Kunst? Und: Eine Kräuterwanderung im Schwarzwald. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Die politischen Folgen der Affäre Skripal wirken in Großbritannien weiter nach. Eine parlamentarische Untersuchung des russischen Einflusses im Land wurde eingeleitet und erstattete vergangenen Juli Bericht. Neue Gesetze ermöglichen ein gezielteres Vorgehen gegen illegal angelegtes Fluchtkapital. Die Öffentlichkeit ist verunsichert: Wie kann es sein, dass russische Agenten unbemerkt und straflos gegen Exilrussen auf der Insel vorgehen? Warum ist London eine Geldwaschanlage für den obszönen Milliardenreichtum russischer Oligarchen?

Das Verhältnis zu Russland steht auf der britischen politischen Agenda – weit über die normale Außenpolitik hinaus. Und der Fall Skripal prägt die Wahrnehmung: Es gibt kein Vertrauen mehr zu Moskau, die Beziehung ist auf Dauer vergiftet.

In Deutschland steht diese Debatte noch am Anfang. Anders als in Großbritannien war das deutsche Verhältnis zu Russland jedoch schon immer ein politisches Kernthema. Eine grundsätzliche Debatte über die Konsequenzen des Nawalny-Attentats in Deutschland dürfte politisch noch folgenreicher werden als in Großbritannien – zumal Nawalny eine öffentliche Figur ist und sein Schicksal auch in Russland ein Politikum. Gleichzeitig dürften hierzulande aber auch die Widerstände gegen einen härteren Umgang mit Russland größer sein.

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13 Kommentare

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  • Ganz schön dilettantisch, der GRU: Agenten, die an der Ausweisnummer identifiziert werden können. Hochgiftige Kampfstoffe, deren Opfer überleben. Und dann noch die Wahl eines eindeutig (!?!) rückverfolgbaren Giftes.



    Man muss sich wirklich wundern ...

  • Es war doch von Anfang an klar, dass es der Russe war. Alles andere wird nicht diskutiert. Die Presse folgt der Staatsführung, hinterfragt wird nichts.

    Das die USA ein Werk für Nowitschok abgebaut hat, hätte ich auch noch weglassen. Aber nun steht es im Artikel und wir glauben einfach mal, dass dabei nichts nach Amerika gegangen ist. Ist ja hier auch kein Krimi, denn dann stünde der Täter nicht von der ersten Minute an fest.

    Die Deutschen haben Nowitschok seit den 90igern auch, wie die JungeWelt berichtet, sowie diverse andere Länder. Und bulgarische Gangster haben damit auch schon gemordet. Egal, lassen wir weg.

    Interessant, dass auf internationaler Eben es keinen Recht zu geben scheint. Das wird schneller verurteilt als ermittelt wird. Eine Unschuldsvermutung gibt es nicht. Eine Verteidigung gibt es nicht. Andere potentielle Täter und deren Motive gibt es nicht. Mit dem Angeschuldigten werden keine Informationen ausgetauscht. Beweise werden nicht vorgelegt. Genau die Art Gesellschaft, die man sich wünscht.

    Welche Motive gäbe es denn noch so - Oligarchen im Exil, die Putin schaden wollen? Gegenspieler von Nordstream 2? Nawalny als Märtyrer?

    Und jetzt mit dem Fall Skripal zu kommen, bei dem nichts geklärt ist und viele der Behauptungen unschlüssig sind ... naja, tolle Leistung.

    Als Sie den Russen abholten, schwieg ich ... und als Sie mich abholten, war keiner mehr da, der etwas sagte?

    • @Beorn:

      "Alles andere wird nicht diskutiert."



      Bislang habe ich keine andere Erklärung gehört, die auch nur im Mindesten plausibel wäre, nur viel Geraune, dass man nichts beweisen könne (vgl. Klimawandeldebatte) und wildeste Spekulationen.



      "Die Deutschen haben Nowitschok"



      Deutschland ist (wie übrigens auch Russland) Mitglied der Chemiewaffenkonvention, die sie 2019 auch Nowitschok umfasst. Das Vorhalten entsprechender Bestände wäre daher ein schwerer Verstoß gegen internationales Recht. Die Probe die der BND in den frühen 90ern in die Hände bekam wurde unmittelbar zur Untersuchung nach Schweden verbracht.



      "Und jetzt mit dem Fall Skripal zu kommen, bei dem nichts geklärt ist"



      Bellingcat hat das eigentlich recht gut rekonstruiert. Seitdem haben wohl auch die Dementis aus dem Kreml aufgehört. Auf ein unterschriebenes Geständnis wird man aber wohl vergebens warten.



      "Interessant, dass auf internationaler Eben es keinen Recht zu geben scheint."



      Erwarten sie, dass in Russland nun eine unabhängige Untersuchung durchgeführt wird, die Immunität der Urheber aufgehoben und ein Prozess nach internationalen Standards durchgeführt wird? Die Untersuchungen werden laufen wie bisher auch, entweder verlaufen sie irgendwann ergebnislos im Sande oder aber der Öffentlichkeit werden recht bald zB ein paar tschetschenische Rebellen als Täter präsentiert bevor man sie für immer in einem Straflager verschwinden. Eine Aufarbeitung des Falls nach rechtlichen Mindeststandards wäre allenfalls in ferner Zukunft in Den Haag denkbar, falls sich irgendwann einmal die politischen Verhältnisse in Russland weit genug geändert haben sollten. Wer nicht bereit ist das abzuwarten und sich zu dem Mordanschlag auch schon heute verhalten will wird dies eben auf Grundlage der vorhandenen Informationen tun müssen, die aber sind ausreichend und eindeutig genug, es sei denn ("Als Sie den Russen abholten") man spekuliert sich etwas über die sinistren Machenschaften irgendwelcher Dunkelmänner im Hintergrund zusammen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Der Vorläufer vom Vorläufer vom Vorläufer

    Das russische Regime blieb immer beim eisernen Prinzip, nichts zuzugeben. Die unbedingte Loyalität, wie sie offenbar auch der Tatverdächtige im Tiergarten-Mord an den Tag legt, ist dabei eine auf Gegenseitigkeit.

    Bis heute sitzt Andrej Lugowoj, Hauptverdächtiger der Ermordung des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko 2006 in London,



    ======



    als Abgeordneter im Parlament.



    ======



    Litwinenko war in einem Londoner Krankenhaus qualvoll an einer Vergiftung mit dem radioaktiven Stoff Polonium 210 gestorben. Zuvor hatte er sich mit Lugowoj und dem Geschäftsmann Dmitrij Kowtun auf eine Tasse Tee in einem Londoner Hotel getroffen. Ermittler konnten eine regelrechte Polonium-Spur nachverfolgen, die die beiden hinter sich hergezogen hatten.

    Konsequenzen für das russische Regime : nada, nix, niente.

    Im Gegenteil:

    Im November 2007 gab Lugowoi bekannt, für die Partei LDPR des Nationalisten Wladimir Schirinowski bei den Duma-Wahlen 2007 kandidieren zu wollen. Die Partei schaffte den Einzug ins Parlament, wodurch Lugowoi ein Abgeordneten-Mandat und parlamentarische Immunität erhielt.

    2015 erhielt er einen Verdienstorden von Wladmir Putin.

    Ansonsten: Im Juli 2006 hat das russische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es russischen Staatsorganen ausdrücklich erlaubt, Terroristen im Ausland zu „liquidieren“ - siehe russischen Tiergartenmord. Darüber hinaus handhabt das russische Regime im virtuosen Zusammenspiel mit seinem obersten Geheimdienstchef Putin Tatsachen äußerst flexibel: wer nun als Terrorist zu gelten habe und wer nicht - kann schon mal passieren



    - siehe Boris Nemtzow, Anna Politkowskaja und Alexei Anatoljewitsch Nawalny, das die Morde dem russischen Regime wichtiger sind als deren Aufklärung und deren Einordnung.

    Die Frage nach Sanktionen stellt sich spätestens nach dem Tiergartenmord - aufgrund ungezählter und bislang nicht aufgelisteter russischer Morde.

    Seit wann lässt man Massenmörder unbehelligt?

  • Was sich aus Großbritanniens Vorgehen lernen läßt?

    Vor allem, daß nahezu einheitlich und weit entfernt brauchbarer Erkenntnisse immer ganz schnell jemand ausgeguckt wird, dem man je nach aktueller politischer Begehrlichkeit die Schuld zuschiebt.

  • Niemand weiß genaues nicht. Dafür haben Viele aber bereits erstaunlich früh eine festgefügte Meinung.

  • sehr gute Zusammenfassung

  • Vielleicht sollte man in Deutschland erstmal vor der eigenen Haustür kehren und gegen die Verbrechen hiesiger Geheimdienste und Staatsschützer vorgehen. Zugegebenermaßen, ganz untätig bleibt die Politik nicht, wie die Auflösung der KSK Einheit zeigt, aber weder gibt man sich große Mühe die Verwicklungen des Verfassungsschutzes bei den NSU Anschlägen aufzuklären, noch die Seltsamkeiten um Anis Amris Anschlag, z.B. der schnellen Rückführung von Karim H.. Auch auf Polizei-Ebene wird selten durchgegriffen, wie der vermeintliche Selbstmord des Oury Jalloh zeigt und auch ältere Verwicklungen von Geheimdienstlern, wie beim Anschlag am Oktoberfest 1980 bleiben ungeklärt. Gleichzeitig beweisen alle diese deutschen Fälle, das man nicht Verschwörungstheoretisch davon ausgehen kann, dass alles von oberster Spitze geplant wird, sondern das diese Staatsapparate ein gewisses Eigenleben führen (Eigenregie im Sinne einer von Oben vorgegebenen Direktive betreibt ja jede Institution/Behörde) oder noch kleiner gedacht, dass einige Beamte, ideologisch durch den Job aufgestachelt, ihr eigenes Ding treiben (siehe KSK, der LKA Hutbürger, NSU 2.0). Im Falle Russland fällt zumindest auf, das diese im Text angesprochenen Anschläge auf für den Staat ungefährliche Dissidenten, Oppositionelle, stümperhaft fehlschlagen, ihr Nutzen für die russische Staatsräson unklar bleiben, man also auch davon ausgehen könnte, das es sich um Anschläge russischer Chauvinisten handelt, die der Staatsapparat nicht unter Kontrolle hat.

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Bester Kommentar! Danke Colonel Ernesto Bella

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Die Missstände u.A. bei Polizei und Geheimdiensten hierzulande sind erheblich und müssen dringendst abgestellt werden. Aber soll man ("erstmal vor der eigenen Haustür kehren") diese Missstände ernsthaft zum Anlass nehmen sich in den internationalen Beziehungen nicht mehr zu anderen Misständen zu verhalten und ggf. auch Konsequenzen zu ziehen? Warum sollte man die Existenz von zB den "Fortbildungszentren" in Xinjiang nicht zu kritisieren weil es zu viele Nazis bei der Polizei gibt?



      Einen "Nutzen für die russische Staatsräson" muss es nicht zwingend geben, man weiß von anderen Fällen, dass es für Putin gegenüber Leuten die er für Verräter oder politische Gegner hält auch persönlich werden kann.



      Der Punkt, dass es natürlich Gruppen und Teile des Staatsapparates gibt die sich nicht komplett kontrolliern lassen ist zwar vollkommen richtig, beim Zugriff auf die ABC-Arsenale würde ich dann aber doch eine hunderprozentige Kontrolle erwarten.

  • Es ist doch wirklich verflixt.

    "......– völkerrechtlich vergleichbar mit dem Zünden einer Atombombe und politisch von ähnlicher Sprengkraft."

    Richtig. Und deswegen wird Moskau jedwede Beteiligung immer leugnen. Egal ob Putin bzw. der Kreml direkt verantwortlich sind, einige Geheimdienstler o.ä. auf eigene Faust agieren oder eine von Moskau völlig unahängige Gruppe dahintersteckt.

    "Eine andere Möglichkeit als die, dass die Chemikalie aus einem staatlichen Chemiewaffenlabor stammte, war damit so gut wie ausgeschlossen."

    Ja, aber wer sagt das die Chemikalien aus einen russischen Labor stammen? Salisbury ist nicht weit von Porton Down entfernt. de.wikipedia.org/wiki/Porton_Down

    "Da kein anderes Land außer Russland Programme zur Entwicklung von Nowitschok-Kampfstoffen besaß, war damit aus britischer Sicht die Täterschaft geklärt."

    Auch hier wieder: was weiß die Öffentlichkeit diesbezüglich wirklich? Zitat aus dem Wiki Artikel: "Weite Teile der Anlage unterliegen auch heute noch der Geheimhaltung."

    Bin wahrlich kein Fan von "Graf Vlad" Putin; traue ihm und seinen Geheimdiensten derartige Anschläge zu. Aber was wenn dem nicht so ist?

    Was wenn es eine Terrorgruppe gibt, die irgendwie in den Besitz von Nowitschok kam und dieses Gift nutzt um z.B. die europäisch - russischen Beziehungen zu stören oder andere Ziele verfolgt?

    Wenn dem so sein sollte kann man nur hoffen das z.Z. mittels Schattendiplomatie versucht wird diese ausfindig zu machen und das Gift sicherzustellen.

    Und dies gelingt auch hoffentlich. Wenn nicht und die Verantwortlichen kommen auf die Idee dieses Gift nicht gegen einzelne sondern gegen Menschenmassen einzusetzen droht eine unvorstellbare Katastrophe.

    Wie gesagt, nur eine Vermutung, die man m.M.n. aber unbedingt in Betracht ziehen sollte.

    • @Tobias Schmidt:

      "Salisbury ist nicht weit von Porton Down entfernt."



      Na, dann werden es wohl die Briten gewesen sein und Nawalny hat entsprechend die Bundeswehr auf dem Gewissen, schließlich ist der ja kerngesund und qietschfidel in den Flieger gestiegen.



      "Weite Teile der Anlage unterliegen auch heute noch der Geheimhaltung."



      Die Geheimniskrämerei um Teile von Militär und Geheimdienste ist natürlich aus demokratietheoretishe Perspektive kritikwürdig. Man weiß nicht genau was da vor sich geht, dieses Nicht-Wissen dann aber als Hinweis auf eine potentielle Urheberschaft ist eine unzuslässige Schlussfolgerung und höchst spekulativ.



      "Was wenn es eine Terrorgruppe gibt, die irgendwie in den Besitz von Nowitschok kam und dieses Gift nutzt um z.B. die europäisch - russischen Beziehungen zu stören oder andere Ziele verfolgt?"



      Eine Terrorgruppe die es auf die EU-Russland-Beziehungen abgesehen hat ist aber noch nirgendwo in Erscheinung getreten und solch eine Zielsetzung wäre für eine Terrororganisation auch recht ungewöhnlich. Ebensowenig gibt es bislang Hinweise darauf, dass sich Terroristen angeeignet haben könnten und auch dieses Mittel wäre eher ungewöhnlich. Zuletzt gabe es ´95 den Anschlag der Aum-Sekte in Tokio mit Sarin, danach haben noch al Quaida und der IS mäßig 'erfolgreich' mit Chlor- bzw. Senfgas hantiert.



      Was mich aber tatsächlich sehr interessieren würde ist die Frage danach woher der Impuls kommt ersteinmal jede noch so abwegige Erklärung für die Vergiftung Nawalnys widerlegen zu müssen, bevor man sich der Frage nach Motiv, Mitteln und Möglichkeit zuwendet und auch das Offensichtlich in Betracht zieht.

    • @Tobias Schmidt:

      Ausschließen kann man das nicht, aber angesichts Russlands Reaktionen ist es doch auch wieder ziemlich unwahrscheinlich.



      Aber man kann ja hoffen…