Betriebsrat-Kündigung bei Friseurkette: Rechtlich nicht möglich
Die Friseurkette Klier kündigte den gesamten Hamburger Betriebsrat. Das Gericht aber wies das Unternehmen nun zum vierten Mal in die Schranken.
Schon zuvor hatten sich Betriebsrät*innen, Mitarbeiter*innen der Friseurkette Klier und Mitglieder der Gewerkschaft Ver.di ein paar Straßen weiter zu einer angemeldeten Kundgebung getroffen, um gegen Klier zu protestieren. Denn das Familienunternehmen mit Firmenzentrale in Wolfsburg, das bundesweit 1.400 Filialen unterhält, hat den gesamten Hamburger Betriebsrat fristlos gekündigt – und das, obwohl die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds rechtlich kaum möglich ist. „Ich habe so etwas noch nicht erlebt“, sagt Gewerkschaftssekretär André Kretschmar, der bei Ver.di die Friseurbranche betreut.
Drei der sechs Verfahren waren bereits erstinstanzlich abgeschlossen, die Kündigungen wurden vom Arbeitsgericht kassiert. Ein viertes befindet sich noch in der Beweisaufnahme, das sechste Verfahren soll am heutigen Donnerstag vom Arbeitsgericht Hamburg am Osterbekkanal verhandelt werden.
Klier ist nach eigener Aussage Europas größte Friseurkette, beschäftigt in den Ketten Klier, Essanelle, Hair Express, Cosmo und Super Cut rund 9.000 Mitarbeiter*innen. Der Betriebsrat, mit dem sich das Unternehmen jetzt in Hamburg vor Gericht streitet, vertritt seit seiner Gründung 2013 die Interessen von etwa 110 Beschäftigten in 17 Salons in Hamburg und Schleswig-Holstein. Schon die Gründung dieses Betriebsrates sei „problematisch gewesen“, erinnert sich Kretschmar: „Es war klar, dass das Unternehmen das nicht wünscht.“
Das Unternehmen spricht von „Vertrauensmissbrauch“
Vor Gericht treffen sich an diesem Mittwoch der Rechtsanwalt der Klier Hair Group und Katrin Rux, die Vorsitzende des sechsköpfigen gekündigten Betriebsrats mit ihrem Rechtsbeistand. Klier wirft ihr genau wie den anderen fünf Betriebsrät*innen vor, so Firmensprecher Rüdiger Schmitt, „über einen längeren Zeitraum Arbeitszeitenbetrug begangen“ zu haben.
Die teilweise freigestellten Mitglieder des Betriebsrates hätten ganze Tage für die Betriebsratsarbeit angegeben, in der Regel aber nur wenige Stunden getagt. Statt nach der Betriebsratsarbeit ihren Job in den Filialen wieder aufzunehmen, hätten sie Freizeit genommen und so ihre „Betriebsratstätigkeit missbraucht“. Die „Vortäuschung von mehr Arbeitszeit, als geleistet wurde“, stelle „einen schweren Vertrauensmissbrauch dar“, der nach Auffassung des Unternehmens eine fristlose Kündigung rechtfertige, so Schmitt.
Dem Vorwurf, „dass angeblich geleistete Betriebsratsarbeit nicht stattgefunden hat“, widerspricht Anwalt Christian Lewek vehement: Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich bei der Betriebsratsarbeit um eine Pauschalisierung gehandelt habe. Zwar seien die Sitzungen meist kürzer gewesen – was gegenüber dem Arbeitgeber auch dokumentiert wurde – dafür sei die Zeit für ihre Vor- und Nachbereitung nicht extra veranschlagt. An dem Betrugsvorwurf sei deshalb nichts dran.
Vielmehr vermutet Kretschmar, dass die Kündigungen ausgesprochen wurden, „um die Betriebsratsarbeit zu erschweren und Neugründungen zu verhindern.“ Auffällig sei, „dass die Kündigungen erfolgten, nachdem sich ein Gesamtbetriebsrat gegründet hat“. Auch in Hannover gehe das Unternehmen derzeit juristisch gegen die Gründung regionaler Arbeitnehmervertretungen vor, ergänzt er.
Für Richterin Karen Ullmann ist der Fall klar – sie weist die fristlose Kündigung zurück. „Der Arbeitgeber hat diese Praxis fast acht Jahre hingenommen und die Regelung nie kritisiert. Dann kann man nicht einfach fristlos und ohne Abmahnung kündigen, statt den Versuch zu unternehmen, eine Regelung zu finden, mit der beide Seiten zufrieden sind“, lautet ihre Urteilsbegründung.
Kretschmar appelliert nun an die Frisiersalonkette, „dass alle Kündigungen sofort zurückgenommen und die Gerichtsverfahren beendet werden, nachdem der Arbeitgeber nun viermal vom Arbeitsgericht in die Schranken gewiesen worden ist“. Kretschmar weiter: „Die Kolleg*innen wollen nichts weiter als ihre gesetzlichen Mitbestimmungsrechte wahrnehmen, das muss endlich auch die Geschäftsführung bei Klier respektieren!“ Ob das passiert, ist noch unklar. Unternehmenssprecher Schmitt kündigt an: „Erst wenn alle sechs Verfahren abgeschlossen sind und alle Begründungen vorliegen, werden wir entscheiden, ob wir die nächste Instanz anrufen.“
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