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Longlist zum Deutschen BuchpreisSouveräne Mischung

Beim Lesen nur nicht langweilen lassen: Die diesjährige Longlist zum Deutschen Buchpreis würfelt viele Schreibansätze durcheinander.

Kein alten Hasen darunter: die diesjährige Jury beim Deutschen Buchpreis Foto: vntr media/Börsenverein

Dieses Jahr ist die Longlist zum Deutschen Buchpreis mit noch einmal besonderer Aufmerksamkeit erwartet worden. Das liegt an der Zusammensetzung der Jury. Von einem Generationswechsel in der deutschsprachigen Literaturkritik zu sprechen ist zwar schon deshalb schwierig, weil sich eindeutig identifizierbare Generationen längst aufgelöst haben; es gibt sie einfach nicht mehr, die in sich festgefügten Kohorten graurückiger Positionsbesetzer einerseits und mit den Hufen scharrender Nachwuchskräften andererseits.

Aber etwas von Coolness und Frische strahlt die diesjährige Jury tatsächlich aus. Keine sogenannten alten Hasen sind darunter. Es gibt Bloggerinnen und Twitterer. Es gibt auch eine Ausstrahlung, die nicht nach pflichtschuldigem Dienst an der Literaturvermittlung aussieht, sondern nach dem Willen, Texte zu entdecken und sich beim Lesen bloß nicht zu langweilen.

Und tatsächlich scheint mir, wenn man jetzt auf die Liste guckt, aus den Jurydiskussionen eine ziemlich souveräne Mischung unterschiedlicher Schreibansätze herausgekommen zu sein. Erwartete Namen, Überraschungen, alte Bekannte, schöne Debüts und Autor*innen, bei denen auch Literaturredakteure erst noch einmal nachgoogeln müssen, quer durcheinander.

Romane aus dem Frühjahrsprogramm sind auf der Longlist stark vertreten. „Serpentinen“ von Bov Bjerg, „Allegro Pastell“ von Leif Randt, „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel und auch „Ich an meiner Seite“ von Birgit Birnbacher waren mehr oder weniger zu erwarten.

Überraschend und schön ist, dass Eva Sichelschmidt mit „Bis wieder einer weint“ und auch Frank Witzels „Inniger Schiffbruch“ vertreten sind; unterschiedlicher können Auseinandersetzungen mit Familiengeschichte in der alten Bundesrepublik nun wirklich nicht ausfallen.

Auch ein Versepos auf der Liste

Und wirklich toll, dass durch die Liste auf Anne Webers Heldinnenepos „Annette“ nun noch einmal aufmerksam gemacht wird: Erneuerung der Literatur durch einen Rückgriff auf die Form des Versepos, darauf musste man erst einmal kommen.

Von den Namen bei den gerade erschienenen oder noch bis zum Oktober erscheinenden Titeln, die zumindest Literaturredaktionen eh auf dem Schirm haben, finden sich „Malé“ von Roman Ehrlich, „Aus der Zuckerfabrik“ von Dorothee Elmiger, „Herzfaden“ von Thomas Hettche und „Die Unschärfe der Welt“ von Iris Wolff. Deniz Ohdes Debütroman „Streulicht“ wird sicher sowieso noch für Aufmerksamkeit sorgen.

Robert Seethalers Mahler-Betextung „Der letzte Satz“ fällt dagegen einigermaßen aus der Liste heraus, weil das wie ein Kompromiss für Buchhandelstische wirkt.

Damen mit bemalten Händen

Und dann geht schon das Gegoogel und das Nachblättern in den Verlagskatalogen los (beziehungsweise das Nachwischen auf dem Tablet, da die Kataloge inzwischen oft nur noch elektronisch versandt werden).

Was war noch mal Helena Adler „Die Infantin trägt den Scheitel links“, Arno Camenisch „Goldene Jahre“, „Mission Pflaumenbaum“ von Jens Wonneberger, „Die Dame mit der bemalten Hand“ von Christine Wunnicke oder „Triceratops“ von Stephan Roiss? Da gäbe es jetzt also die Gelegenheit, sich auf möglicherweise interessante Lektüren einzulassen oder auch sie nachzuholen.

Viele engagierte Verlage

Auffällig dabei ist jedenfalls schon mal, dass viele kleinere, engagierte Verlage auf der Liste berücksichtigt sind: Jung und Jung, Engeler, Müry Salzmann, Berenberg zum Beispiel.

Die Shortlist mit noch sechs Kandiat*innen kommt am 15. September raus, dann muss sich diese Jury noch einmal anders zeigen, weil sie sich dann noch einmal schärfer zwischen realistischen und avancierten Schreibansätzen entscheiden muss. Der/die Preisträger*in verkündet wird am 12. Oktober.

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