Deutsche Wirtschaft nach Corona: Der Absturz
In einem nie da gewesenen Ausmaß ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal eingebrochen. Die USA trifft es ähnlich schlimm.
„Was bislang weder Börsencrashs noch Ölpreisschocks geschafft haben, vollbrachte ein 160 Nanometer kleiner Winzling namens Corona“, kommentiert DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle die Zahlen. Er spricht von einer „Jahrhundertrezession“. Tatsächlich wurde ein so heftiger Einbruch der Wirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht registriert. Selbst während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise schrumpfte die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2009 „nur“ um 4,7 Prozent.
Die aktuelle Krise trifft so ziemlich alle Branchen. Der Außenhandel war schon im ersten Quartal deutlich zurückgegangen. Damals hatte die Pandemie vor allem China und Italien zugesetzt, beides wichtige Absatzmärkte für deutsche Exporteure. Im April und Mai verschlimmerte sich die Lage noch, als das Virus fast alle großen Volkswirtschaften erfasste. Nicht zuletzt deswegen hielten sich Unternehmer mit Investitionen in Ausrüstungen im zweiten Quartal zurück. Nur der Staat erhöhte seine Ausgaben.
Anders als in der Finanzkrise von 2009 entfällt diesmal zudem der Konsum als wichtige Konjunkturstütze. Er ist im zweiten Quartal um rund 20 Prozent abgesackt. „Ja, wo hätte es auch herkommen sollen, die Läden waren ja geschlossen“, stellt Uwe Burkert von der Landesbank Baden-Württemberg fest. Im April hatten von Kneipen bis Autohäuser nahezu alle Gewerbe und Geschäfte zu. Und auch im Mai und Juni trauten sich viele Menschen nicht in die Geschäfte, sondern blieben lieber zu Hause. Der Onlinehandel konnte zwar zulegen, den Umsatzeinbruch im stationären Handel aber nicht ansatzweise auffangen.
Bangen vor dem Herbst
Für die zweite Jahreshälfte erwartet Analyst Burkert zwar eine Erholung der Wirtschaft. Wie kräftig diese ausfallen wird, hängt ihm zufolge jedoch weniger von der Wirtschaftspolitik ab, sondern von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen. Burkert rechnet damit, dass selbst im besten Fall – sprich ohne zweiten Lockdown – es einige Quartale dauern wird, bis der Verlust an Wirtschaftsleistung wieder aufgeholt ist. Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe warnt ebenfalls vor zu großer Zuversicht: „Nach wie vor bestehen hohe Gefahren durch Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste, der USA-China-Konflikt kommt erschwerend hinzu.“
Dramatisch ist auch der Einbruch bei der Deutschen Bahn (DB). Der Staatskonzern fuhr im ersten Halbjahr einen Nettoverlust in Höhe von 3,7 Milliarden Euro ein. Die Fahrgastzahl sank um 37 Prozent auf 663 Millionen Reisende, der Umsatz ging um knapp 12 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro zurück. Im Vorjahreszeitraum hatte die Bahn noch 205 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Konzernchef Richard Lutz sprach von der „schlimmsten finanziellen Krise seit ihrem Bestehen“.
Keine guten Nachrichten kamen gestern auch aus den USA, einem der wichtigsten Handelspartner: Dort brach die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal ebenfalls massiv ein. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspricht das Minus des US-BIP ebenfalls etwa 10 Prozent. Anders als in Deutschland tobt die Pandemie dort derzeit aber noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen