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Vatikan stoppt „Pastoralteams“Alle Einsichten ignoriert

Stefan Hunglinger
Kommentar von Stefan Hunglinger

Wo es an Priestern mangelt, setzen katholische Gemeinden auf Teams mit Laien. Gute Lösung, die obendrein Frauen stärkt. Nur der Vatikan liebt's nicht.

Machen die ganze Arbeit, aber bleiben im Hintergrund: Frauen in der katholischen Kirche Foto: Pippocarlot/imago

D ie katholische Kirche hat mit Priestermangel zu kämpfen. Zum Beispiel in Deutschland, wo es bei Weitem nicht genug Nachwuchs gibt, um in jeder Gemeinde einen Pfarrer zu haben. Deshalb haben einige Bischöfe mehrere Pfarreien zu Großgemeinden zusammengelegt – und den Pfarrern bezahlte und ehrenamtliche Laien zur Seite gestellt.

Das Prinzip nennt sich „Pastoralteam“ und es ist unter anderem deshalb ein Erfolg, weil dort auch Frauen echte Verantwortung tragen können. Im Pastoralteam wird nämlich – im idealen Fall zumindest – auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Nur der Vatikan hat leider etwas dagegen.

Die römische Kleruskongregation, also so etwas wie die höchste Priesterbehörde im Vatikan, hat jetzt die betreffenden Bischöfe zurückgepfiffen. Rom fürchtet nämlich um die Sonderrolle der geweihten Priester. Deshalb fordert die Kongregation in einem neuen Schreiben eine „Umkehr“ von dieser „illegitimen“ Umstrukturierung. In der traditionellen katholischen Vorstellung verfügen Priester über eine besondere Gottesnähe und sind daher unersetzlich, aber darum geht es nicht alleine.

Seit Januar arbeiten deutsche Laienvertreter*innen und progressive Bischöfe im Synodalen Weg daran, die Macht in der Kirche umzuverteilen, und zwar schlicht deshalb, weil es nicht mehr anders ging. Die sogenannte MHG-Studie im Auftrag der Bischofskonferenz über Strukturen des Missbrauchs in der Kirche hatte deren katastrophales Ausmaß ja vor zwei Jahren wissenschaftlich belegt. Männerbünde, so die Studie, sind Teil des Problems, und: Priester werden als zentrale Leitungsfiguren gleichzeitig idealisiert und überfordert.

„Missachtung der realen Situation“

Die neueste Weisung von oben ignoriert also nicht nur diese Einsichten und verkennt die pragmatischen Lösungen der hiesigen Bischöfe. Dem Vatikan scheint auch egal zu sein, dass immer mehr Katholik*innen – bei Maria 2.0. etwa – gleichberechtigte Teilhabe fordern. Sie drohen, „mit den Füßen abzustimmen“ und zu gehen. Dies wäre das Aus vieler Gemeinden, denn vor allem Frauen leisten dort meistens die ehrenamtliche Arbeit.

„Der Text zeugt von einer tiefen Missachtung der realen Situation von Seelsorge und Pfarrgemeinden“, kommentierte der Wiener Theologieprofessor Johann Pock das neue Papier. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sprach von einer „abenteuerlichen Realitätsferne“.

Doch nicht nur in der katholischen Wissenschaft und Laienvertretung regt sich Widerstand, sondern auch unter den Oberhirten. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf etwa will auf dem eingeschlagenen Weg bleiben. Auch der progressive Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück weigert sich, die „Pastoralteams“ wieder abzuschaffen. In seiner Zuständigkeit rückte 2019 die Gemeindereferentin Christine Hölscher an die Spitze einer Großgemeinde auf. Zwei Priester stehen ihr dort zwar zur Seite, aber sie ist die Chefin über die Finanzen, das Personal und die Immobilien.

Die Bischöfe täten gut daran, Rom zum Trotz solche Pastoralteams zu stärken. Papst Franziskus würden sie damit sogar beim Wort nehmen, denn der hatte zu Beginn seiner Amtszeit den Ortskirchen mehr Autonomie zugestanden.

Mutig sein

Die Bischöfe könnten sogar noch weiter gehen und bei den Umstrukturierungen weniger – wie bisher – auf Unternehmensberater hören und stattdessen auf die Erfahrungen von Basisgemeinden in Lateinamerika und Frankreich schauen, die ebenfalls die Bedeutung von Laien in der Vergangenheit gestärkt haben. Auch beim Abbau toxisch-männlicher Macht sollten die deutschsprachigen Ka­tho­lik*innen mutig – prophetisch, will mensch fast sagen – vorangehen, denn der Missbrauch, den die bestehenden Strukturen begünstigen, ist ein globales Problem.

Und deshalb könnte die jüngste „Instruktion“ aus dem Vatikan der Kirche sogar guttun. Denn wer von der Zentrale dermaßen missachtet wird, emanzipiert sich leichter.

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Stefan Hunglinger
Redakteur im Politik-Team der wochentaz. Schreibt öfter mal zu Themen queer durch die Kirchenbank. Macht auch Radio. Studium der Religions- und Kulturwissenschaft, Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Mehr auf stefan-hunglinger.de
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5 Kommentare

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  • Gemach. Gemach. But. So what.

    Nähern wir uns doch mit dieser naheliegenden Auszehrung der Alleinseeligmachenden - deren nüchternen Wahrnehmung und Einschätzung des ausgehenden 19.Jahrhunderts.



    Mein Urgroßvater sagte einst so:



    “Nun. Wenn sich ein Pfaffe ein paar Quadratkilometer zusammen geraubtes Land beliebt Vatikanstaat und sich Papst zu benennen. Was geht uns das an?“

    kurz - Der Show-Biz von Pillen-Paul &



    Plattenküsser Woityla mit RockimGefolge sind Out Over & Roger.



    &



    Dagegen ziehen Ratzefummel & Bola&Uppercut-Gaucho-Franz - doch keinen müden Hering mehr vom Teller.



    Zu recht. Das ist die verdiente Sackgasse.



    Normal. But. So what.

    • @Lowandorder:

      Sorry - I forgot - “…alte Einsichten…“ 😂

      Sorry - Alter. Einsichten? Mach Bosse.



      Was für Einsichten? Gelle.



      “Söchst du Wuust - inn Hunnenstall?“

      Na Mahlzeit

  • Ich bin es langsam leid. Erst wird meine Gemeinde mit vier anderen zwangsfusioniert und dann noch sowas. Wenn ich meinen Pastor nur noch Ostern und Weihnachten sehen kann, gehe ich halt zur evangelischen Konkurrenz. Da wird sich noch ernsthaft gekümmert und ich setze nebenbei ein Zeichen für die Ökumene.

    • @hedele:

      wenn Sie zur evangelischen Konkurrenz gehen-kommen Sie dann nicht aus dem regen in die traufe?



      der Martin Luther war doch ein noch schlimmerer antichristlicher irrlehrer als die meisten päpste.



      gerade in deutschland sollte es nach dem was lutheraner im sogenannten zweiten und dritten reich getan haben keine kirchen mehr geben die sich affimativ auf Martin Luther beziehen.



      mir gefällt von allen christlichen kirchen die altkatholische am besten-sie hat die frauen zum priesteramt zugelassen und glaubt nicht an die unfehlbarkeit des papstes,steht aber in der apostolischen sukzession

  • Ich hoffe sehr, dass der Heilige Stuhl mit aller Entschiedenheit und christlicher Strenge gegen unbotmäßige Verfechter irriger Lehren und unkatholischer Praktiken vorgeht, wie sie etwa den Mainzer Bischof Kohlgraf und seinen Osnabrücker Amtsbruder Bode in ihren Bistümern vertreten.



    Im Requerimiento heißt es: "Über alle Völker gab der Herr, unser Gott, einem, der St. Petrus genannt wurde, das Amt, der Herr und Vorgesetzte aller Menschen der Welt zu sein, dem alle gehorchen sollten, der das Haupt des ganzen Menschengeschlechtes sein sollte, wo immer die Menschen lebten und wären, und er gab ihm die Welt als sein Reich und seine Gerichtsbarkeit. … Diesen nennt man Papst, das will heißen: wunderbarer, höchster Vater und Bewahrer, weil er der Vater und Lenker aller Menschen ist.



    Diesem hl. Petrus gehorchten die, die zu seiner Zeit lebten, und nahmen ihn zu ihrem Herrn und König und Gebieter der Welt, und ebenso hat man alle die anerkannt, die nach ihm zum Pontifikat erwählt wurden. So ist es fortgegangen bis jetzt, und so wird es fortgehen bis zum Ende der Welt.“



    Kamen spanische Konquistadoren mit ihren Truppen zu einer Siedlung oder Stadt, wurde dies – und weitere allerchristliche Botschaften den Ureinwohnern Mittel- und Südamerikas in vollendetem Kastilisch vorgetragen. Sie wurden aufgefordert, die Autorität des Papstes und der spanischen Könige anzuerkennen und sich zum Evangelium zu bekehren, um so als freie christliche Untertanen der Krone von Kastilien zu leben. Anschließend wurden sie massakriert, ihre Frauen und Kinder versklavt.



    Was würde aus der katholischen Kirche, wenn Menschen ohne Penis zu Priestern geweiht würden? Oder, wenn Menschen ohne Penis Leitungsfunktionen ausübten?