Natur in Bosnien und Herzegowina: Die Neretva bleibt wild
Die Flüsse in Bosnien und Herzegowina gelten als unberührt. Jetzt feiern Umweltschützer*innen einen großen Erfolg gegen die Wasserkraft.
Die Umweltschützer in Bosnien und Herzegowina können ihren Erfolg bis heute noch nicht so recht fassen. In der Föderation sollen keine neuen Kleinwasserkraftwerke mehr genehmigt werden, bereits bewilligte werden auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.
Jahrelange Kampagnen, auch von ausländischen Umweltschützern unterstützt, waren zunächst fruchtlos, ebenso monatelanger Protest von Bürger*innen. Doch letzten Dienstag wendete sich das Blatt. Die bosniakische Nationalpartei SDA, die „Partei der Demokratischen Aktion“, machte eine dramatische Kehrtwende, weil die Wasserkraft zu viel Sympathien bei ihren ländlichen Wähle*innen kostet.
Das ermöglichte dem Parlament des bosniakisch-kroatischen Teilstaates, gegen den Bau weiterer Kleinwasserkraftwerke vorzugehen. Auch serbische Gemeinden in der serbisch dominierten Teilrepublik wollen sich dem anschließen. Im Augenblick sind 106 kleine Wasserkraftwerke in Betrieb, in Bau und Planung sind 340, Investoren sprechen sogar von bis zu 600.
Bosnien und Herzegowina verfügt noch über eine große Anzahl bisher unberührter Gebirgsbäche und kleiner Flüsse, die Waldgebiete durchziehen und von seltenen Pflanzen gesäumt sind. Nach Ansicht von europäischen Umweltschützern ist Zentralbosnien mit seinen glasklaren Flüssen und Bächen das Herzstück der schützenswerten Flusssysteme des gesamten Raums Südosteuropa. Die Neretva begeistert mit ihrem grünen Wasser jährlich Hundertausende Touristen in Mostar, die über die berühmte Alte Brücke gehen, um in den ungebändigten Fluss zu blicken.
Gegen die Kraftwerke kam es immer wieder zu Widerstandsaktionen der lokalen Bevölkerung. So verhinderten am Pfingstmontag 350 Menschen den Baubeginn eines Wasserkraftwerks am kleineren Fluss Neretvica. Europasweites Aufsehen erregte auch der Widerstand der Frauen von Krušica, das in Zentralbosnien nahe der Stadt Vitez liegt. Sie besetzten eine Brücke und rückten auch nicht ab, als schwer bewaffnete Polizisten das Recht der Investoren durchsetzen wollten. Ein Gericht gab den Flussschützerinnen Ende 2018 recht.
Die Behörden vergaben trotzdem weiterhin Konzessionen für lukrative Kleinwasserkraftwerke. Nach sieben Jahren sind die Investitionskosten amortisiert, dann werfen die Kraftwerke nur noch Profite ab. Die Eingriffe in die Natur und den Wasserhaushalt sind erheblich, Flussbetten trocknen aus, die Fauna verändert sich. Durch den Beschluss des Parlaments sind mit einem Schlag wertvolle Flüsse wie die Una, Šujica, Kruščica und Teile der Neretva vor Verbauung sicher.
Die Umweltschützer*innen in Bosnien und Herzegowina bekommen durch den Erfolg Rückendeckung für weitere Konflikte: In einem völlig ungeeigneten Karstgebiet mit höchstem Verseuchungspotenzial für das Flusssystem der Una, der Sava und damit der Donau, soll ein Atommülllager entstehen. Und unter chinesischer Führung ist ein Kohlekraftwerk in Tuzla geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!