Flüchtlinge an der EU-Außengrenze: Keine Hilfe mehr zu erwarten

In der bosnischen Grenzregion zu Kroatien sind jetzt private Hilfsorganisationen verboten. Die Situation wird für die Geflüchteten immer auswegloser.

Ein Mann mit Mundschutz passiert eine Menschenschlange.

Anstehen für Kleidung im Lager Miral im bosnischen Ort Velika Kladuša Anfang März Foto: Antonio Bronic/Reuters

BERLIN taz | Die Situation von Geflüchteten in Bosnien und Herzegowina an der EU-Außengrenze zu Kroatien spitzt sich weiter zu. Der Kanton Una-Sana, in dem die Flüchtlingslager Bira in Bihać und Miral in Velika Kladuša liegen, hat am Mittwoch privaten Hilfsorganisationen verboten, die Menschen in ihrer verzweifelten Lage weiter zu unterstützen.

Das berichtet die Organisation SOS Bihać, nach eigenen Angaben eine der beiden letzten verbliebenen privaten Organisationen, die in der Region noch tätig sind. Für die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Rote Kreuz gelte das Verbot nicht, solange sie nur in den offiziellen Camps arbeiten.

Aufgrund der Corona-Pandemie hat Bosnien und Herzegowina seine Grenzen geschlossen, internationale Helfer*innen haben überwiegend das Land verlassen. So sind die rund zehntausend Geflüchteten, die auf ihrem Weg von Afghanistan oder Syrien in die EU rund um Bihać gestrandet sind, auf private Hilfe angewiesen.

Zlatan Kovacevic von SOS Bihać ist einer der wenigen, die vor Ort noch tätig sind. Er erklärt am Telefon, dass viele der Geflüchteten in alten Fabrikgebäuden oder in den Wäldern hausten, weil die sich näher an der Grenze zu Kroatien befänden als die IOM-Lager. „Eigentlich sollte das Rote Kreuz dort Essen verteilen und Verletzten helfen, was sie aber nie getan haben. Nur SOS Bihać war stets in den alten Gebäuden unterwegs.“

Neues Camp mit ungewissen Standards

Wegen des Verbots sind jetzt auch Kovacevic und seinen Kolleg*innen die Hände gebunden. Auf den Routen Richtung kroatischer Grenze ist Hilfe nun komplett untersagt. Menschen, die beim Versuch, die Grenze zu überqueren, verletzte werden, müssen sich nun kilometerweit durch Wälder zurück in die Camps schleppen, um Hilfe erwarten zu können.

So erzählt Kovacevic von einem Zwischenfall am Mittwoch, als es fünf Menschen gelungen war, die Grenze zu Kroatien zu überwinden. „Sie wurden von Beamten aufgehalten und mussten mehrere Stunden im Regen warten. Als sie zurück nach Bihać gebracht wurden, verbrannten bosnische Polizisten ihr Hab und Gut. Ihnen zu helfen ist mir jetzt verboten.“

Dabei sollte sich die Situation ab diesem Freitag eigentlich verbessern. Laut SOS Bihać sollen dann die bisherigen IOM-Camps Bira und Miral geschlossen werden. Ein Bewohner berichtete der taz Ende März von den schlechten Zuständen im Bira-Lager, wo es nicht genug Nahrung oder Seife gebe und die Menschen die meiste Zeit eingesperrt seien.

Alle Geflüchteten sollen nun in das 30 Kilometer von Bihać entfernt liegende IOM-Camp Lipa gebracht werden. „Wir hatten die Hoffnung, dass dort alles besser wird, dass das Camp den internationalen Standards entsprechen würde“, erzählt Dirk Planert, der mit SOS Bihać zusammenarbeitet und sich seit den Kriegen der 1990er Jahre in der Gegend engagiert. Doch es stellte sich heraus, dass das Lager mit einer Kapazität für 6.000 Personen viel zu klein bemessen ist.

Bewusste Eskalation

Für Planert ist klar, dass bosnische Politiker*innen die Situation in den Lagern und an der Grenze bewusst eskalieren lassen, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen und damit Wählerstimmen zu gewinnen. Im Herbst finden in Bosnien und Herzegowina Lokalwahlen statt. „Der bosnische Sicherheitsminister will, dass die Menschen von allein wieder abhauen“, sagt Planert.

Tatsächlich sagte Sicherheitsminister Fahrudin Radončić von der konservativen Partei „Bund für eine bessere Zukunft“ (SBB BiH) vor einigen Wochen der größten bosnischen Tageszeitung Avaz, die ihm selbst gehört: „Ich werde es im gesamten Kanton Una-Sana und in Bihać so schlimm für Migranten machen, dass keiner mehr kommt.“ Seit der Drohung des Ministers berichten Geflüchtete, dass das örtliche Rote Kreuz seine Hilfe drastisch zurückgefahren habe.

Auch gehe mittlerweile die Grenzpolizei gegen die Geflüchteten brutal vor. Schläge und das Verbrennen von Eigentum sollen an der Tagesordnung sein. Offenbar will die Regierung nicht, dass die Menschen das Land in Richtung Kroatien verlassen.

Diese Strategieänderung scheint paradox, wollte Bosnien die Flüchtlinge in der Vergangenheit lieber schnellstmöglichst wieder loswerden. Doch in Bihać vermuten einige, dass es etwas damit zu tun haben könnte, dass die Chefin der bosnischen Grenzpolizei eine bosnische Kroatin ist – mit besten Kontakten zu ihrem kroatischen Kollegen auf der anderen Seite der Grenze.

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