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TV-Sendung „Serienquartett“ auf OneJetzt stimmt die Kombi

Der WDR hat das Ensemble der TV-Sendung „SERIöS – das Serienquartett“ komplett ausgetauscht. Nun plaudert darin etwa Sarah Kuttner über Fernsehserien.

Neu und seriös: Emily Thomey, Hanna Huge, Sarah Kuttner und Robert Hofmann Foto: WDR

Eine ambitionierte deutsche Fernsehsendung schmiert schon mit der ersten Ausgabe gnadenlos beim Feuilleton ab. Wacker gibt’s trotzdem anderthalb Staffeln, ehe der Sender sich entscheidet, die komplette Besetzung auszuwechseln und über „Format-Weiterentwicklung“ nachdenken will. Wovon beim Neubeginn aber noch nicht wirklich was zu merken ist.

Klingt alles ein bisschen durcheinander? So ist das öffentlich-rechtliche Serienquartett auf Spartensender One auch – und trotzdem füllt der Kultur-Talk mit der kirren Eigenschreibweise „SERIöS“ eine Nische: brauchbare Streamingtipps im deutschen Fernsehen.

Die werden nun vorgetragen, teilweise vorgestritten und vorgesprudelt von Youtuber Robert Hofmann, Podcasterin Emily Thomey („Glotz und Gloria“), Hanna Huge von Serienjunkies und Sarah Kuttner. Mit knapp 20-jähriger Fernsehroutine und konkurrenzloser Geschwätzigkeit mogelt sich letztere ein bisschen in den Vordergrund, hat ihre Serienaffinität mit dem Podcast „Das kleine Fernsehballett“ aber längst ausgewiesen.

Die vier dürfen nun über Cliffhanger, Pilotfolgen und Spoiler fachsimpeln, weil das bisherige Quartett keine Zeit mehr hatte. So stellt es zumindest der produzierende Westdeutsche Rundfunk dar. Kurt Krömer, Ralf Husmann, Anette Hess und Annie Hoffmann hätten „durch Corona […] sehr viele andere unvorhergesehene Projekte“, heißt es vom Sender. Sie sind vermutlich die einzigen Künstler*innen des Landes, denen es so geht. Zwar ist es schade, dass die Praxisperspektive der Drehbuchautor*innen Husmann und Hess nun fehlt. Dafür sind mit Thomey und Huge schlaue Filmkritikerinnen dazugekommen. Zudem ist es gelungen, das Ensemble weiblicher und jünger zu machen, was dem Thema gerecht wird.

Die Sendung

„SERIöS“ läuft Dienstag, 30. Juni um 21.50 Uhr auf One und bereits ab 14 Uhr in der ARD-Mediathek.

Konzeptionell ändert sich hingegen erst mal nicht viel: Weiterhin stellt jeder Vielgucker eine Serie vor, zeigt einen Trailer und darf sich dann wahlweise mit der Zustimmung oder dem Spott des Panels auseinandersetzen. Der Exschauspieler Hofmann („Oh Boy“) widmet sich dem Schauspielepos „Hollywood“ von Netflix und redet dabei internetzackig. Emily Thomey bringt die Kostümsatire „The Great“ über Katharina die Große in die Runde. Die angenehm relaxte Hanna Huge möchte über die etwas ältere französische Workplace-Comedy „Call my Agent“ reden, Sarah Kuttner ist regelrecht verknallt ins Schnörreskammerspiel „Warten auf’n Bus“ vom RBB.

Eine variantenreiche Auswahl, für die man auf drei Abos (und die ARD-Mediathek) zugreifen müsste – was freilich immer noch günstig zu haben ist im Vergleich zur Anschaffung neuer Literatur. Wer weniger tief im Seriengame involviert ist, kann sich hier auf jeden Fall Inspiration holen. Schade nur, dass das Analyseniveau auch nach der Neubesetzung selten über Geschmacksfragen hinausgeht. Logisch, man kauft den Vieren allesamt ab, dass sie sich auskennen – die Dekonstruktion der Beispiele verharrt dabei aber zu oft zwischen Namedropping und „Fazit: Ich fand’s mega geil.“ Ein Manko, das schon der Vorgängercrew um Krömer attestiert worden war.

Es ist gelungen, das Ensemble weiblicher und jünger zu machen

Es ist ja auch ein Urproblem der Filmkritik: Man soll etwas besprechen, ohne es angemessen in Worten ausdrücken zu können – der Filmemacher Peter Weiss hat schon in den Fünfzigern darauf hingewiesen. Insofern könnte ein Fernsehtalk all den Pod­casts der Teilnehmerinnen etwas voraushaben: Er vermag, mit Videomaterial zu arbeiten. Zumindest bei der RBB-Produktion „Warten auf’n Bus“, wo Rechtefragen kein Problem sein sollten, hätte man sich mehr Szenenanalyse vorstellen können.

Trotzdem guckt man sich die Plauderei gerne an – vor allem, weil die Protagonist*innen, sich direkt gut zu verstehen scheinen, meinungsfreudig und gelöst daherreden. Die Dynamik passt. Umso erstaunlicher, da coronabedingt in der Salonkulisse vier Flatscreens miteinander diskutieren. Auf den Punkt bringt es Emily Thomey in der Mitte der Sendung im Gespräch mit Hanna Huge: „Fast schade, dass ich die Serie gesehen habe, ich finde die Art, wie du’s erzählt hast, viel schöner.“ Über Serien reden, ist halt was anderes, als sie zu gucken. Das muss man schon selber machen.

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