Ausstellung „Image Ballett“: Zuckrige Farbgebung
Bernhard Martins kombiniert Verfahren aus Surrealismus und Pop-Art. In Berlin-Zehlendorf sind Werke der vergangenen 20 Jahre zu sehen.
Sonntag im Haus am Waldsee, ich denke, ich höre nicht richtig: „Surrealismus getankt, Pop-Art gesoffen!“, nuschelt neben mir eine junge Frau in ihre Coronamaske. Sie meint damit die Malerei von Bernhard Martin, der bei seiner Ausstellung „Image Ballet“ zahlreiche große und kleine Formate zeigt, alle entstanden in den letzten 20 Jahren.
So ganz falsch liegt die Frau mit ihrer Bemerkung nicht, denn Martin (geb. 1966) bedient sich der Verfahren beider Kunstrichtungen – dem surrealistischen Prinzip hemmungsloser Kombinatorik und der Bildmontage, und, wie in der Pop-Art, dem freien Verwenden von Zitaten, Trivialem und Populärem.
Aber da ist noch Weiteres, das er zu bieten hat, darunter eine sehr persönliche Dimension bei der Annäherung an die Wirklichkeit, etwas Unverwechselbares in der seltsam zuckrigen Farbgebung und ebenfalls bei den Themen, die in seiner Malerei zur Sprache kommen und sichtbar werden. Es sind Themen und Fragen unserer Zeit, und sie werden, wie kann es anders sein, in Martins Malerei entworfen und formuliert zu den Bedingungen des digitalen Zeitalters und seiner Rechnerrealitäten, wo ein Tsunami an Bildern alles überflutet.
Und dennoch steht auch seine Kunst in einer Tradition, die mit der modern werdenden Malerei in der Romantik begonnen hat und seitdem in allen möglichen Formen, Facetten und Auswüchsen Gestalt angenommen hat und von der Kraft des Individuellen und der Energie des Subjektiven berichtet.
Fantastisches Eigenes, Eigensinniges und Neues
An dieser großen Geschichte der Moderne hat auch Bernhard Martins Malerei Anteil, der nun zu bereits bekannten Narrativen des Fantastischen Eigenes, Eigensinniges und Neues hinzufügt: Da ist der Teil, den man heute gerne als Sampling bezeichnet, also die montageartige Verwendung von grafischen und gestalterischen Elementen, die von Computeroberflächen oder ihren Zeichenprogrammen auf uns gekommen sind.
Auch sind mit Öl und Acryl gemalt immer wieder Anleihen bei Graffiti- und Street-Art erkennbar, und so wirken viele Lichteffekte und die schummrigen Farbverläufe wie mit der Spraydose hergestellt.
Mit seiner Fähigkeit, Technisches zu malen und Psychologisches darzustellen – etwa das Allein- oder Zusammensein von Menschen –, entsteht eine Bildwelt, die sich auf die unsere bezieht, eine Welt des Scheins und der Blendung, ein Potpourri von Oberflächen, Fakes und Vexierbildern. Sichtbar gemacht wird die Künstlichkeit vorgetäuschter Fülle, die Lebendigkeit suggeriert, dabei aber kaum mehr ist als ein gut gemachter Trick, eine spaßige Ablenkung und die Verschleierung harter Tatsachen im Hintergrund.
Doch Vorsicht, bei dieser Kunst geht es nicht um Verschwörungsvermutungen oder Esoterik, vielmehr um Beobachtungen über den Zustand einer Kultur, wo jeder mit Juwelen überhäuft wird, wenn er ein Spiel wie „Jewels“ liebt, selbst wenn es für ihn monatlich nur Hartz IV gibt. Bei Bernhard Martin geht es zu wie im Märchen – alle können wunderschöne Ringlein am Finger tragen, man muss nur in der Abteilung für Kinder-Kitsch fündig werden oder am Wochenende die richtigen Drogen nehmen.
Schillernde Farben im Künstlerkopf
Bernhard Martins Kunst bringt die infantile Lust an buntem Talmi, billigem Glitzer und Flitter ins Spiel. Er tut dies als Maler auf hohem technischem Niveau, wenn er bei einer Art von Selbstbildnis bunt schillernde Farben auf eine Leinwand schüttet, die zugleich auch den Künstlerkopf füllen.
Es sind die leuchtenden Farben des Jewels-Spiels, die er immer wieder in seinen Bildern kombiniert – Smaragdgrün, Rubinrot, Citringelb und Saphirblau wirken hier gläsern, unecht, stehen für Künstlichkeit, Illusion und das Schöne, das diese Malerei unserer Gegenwart anscheinend auch attestieren will.
Haus am Waldsee bis 5. Juli, Di.–So., 11–18 Uhr, Eintritt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro, bis 18 Jahre frei. Katalog zur Ausstellung mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Buchhandlung Walther König, 24 Euro
Martin malt keine Idyllen, selbst wenn es oberflächlich so scheinen mag, so ist die Idylle bereits vergiftet oder verseucht. Damit stellt sich die Frage, ob solche Kunst in ihrer grellen Verspieltheit einen aufklärerischen oder sogar moralischen Impetus behaupten will. Im Interview äußert sich der Künstler zurückhaltend bescheiden, ihm gehe es vor allem um die Form der Malerei, denn sie allein bleibt: „Der Inhalt ist immer nur aus der Zeit geboren.
Aber es ist natürlich trotzdem mein Blick auf die Welt in mir und um mich, der möglicherweise aus meinen Bildern spricht, meine Art des Vagabundierens … es geht darum, dass meine Bilder neben diesem Potpourri auch immer zwei andere Elemente enthalten. Unverschämte Verschwendung und Großzügigkeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!