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Umweltkatastrophe in UgandaWasser bis zum Hals

Eine schwimmende Insel im Victoriasee hat sich gelöst und verstopft zwei Dämme. Das führt zu massivem Stromausfall. Auch Kenia ist betroffen.

Grenzenlose Gewässer – in Uganda und Kenia verlieren Menschen wegen der Wassermassen ihr Zuhause Foto: reuters/Thomas Mukoya

Kigali taz | Mitten in der Präsidentenansprache zur aktuellen Lage an der Corona-Front gingen Ende April in Uganda alle Lichter aus. Daraufhin herrschte in manchen Landesteilen tagelanger Stromausfall.

Der Grund: Eine neun Fußballfelder große, schwimmende Insel war vom Festland abgebrochen und war auf dem Victoriasee herum getrieben. Letztlich wurde sie durch die Strömung in den Abfluss des Nils geschwemmt und verstopfte dort zwei Dämme, die zur Stromgewinnung dienen.

Die Turbinen des Nalubaale-Damms direkt am Nilabfluss, des daneben liegenden Kiira-Damns sowie des acht Kilometer flussabwärts gelegenen Bujagali-Damms stehen bis heute aufgrund von Überhitzung teilweise still.

Das Land wird nun zum Großteil über Notstromaggregate versorgt, doch auch diese sind überlastet. Regelmäßig kommt es in verschiedenen Bezirken zu Stromausfällen oder gezielten Abschaltungen durch den Stromanbieter. Auch der Westen Kenias ist betroffen, weil Uganda Strom ins Nachbarland exportiert.

Schwimmende Wasserhyazinthen

Seitdem bemüht sich ein ganzes Bataillon von Soldaten und Ingenieurens mit Baggern, Baukränen und Hebeanlagen den schwimmenden Morast aus den Dammmauern zu säubern. Dabei handelt es sich zum Großteil um schwimmende Wasserhyazinthen, die den See und dessen Ufer seit Jahrzehnten wie eine Plage besiedeln.

Wasserhyazinthen kennt man in Europa als Gartenteichblumen. Im Victoriasee, dem größten Süßwassersee Afrikas und zweitgrößten See weltweit, richten sie seit Jahrzehnten eine gewaltige Umweltkatastrophe an.

2005 wurde der See vom Globalen Naturfund zum meist gefährdeten See erklärt. Laut einem 2018 erschienenen Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist ein Fünftel der 651 untersuchten Arten im Viktoriaseebecken vom Aussterben bedroht.

Die Wasserhyazinthe ist keine heimische Pflanzenart, sie wurde eingeschleppt. Seit den 1990er Jahren sind 90 Prozent der ugandischen Küstenufer davon bedeckt. Sie raubt dem See und den darin lebenden Tierarten den Sauerstoff, verwandelt das Wasser in eine grün-schleimige Brühe, die übel riecht und den über 30 Millionen Menschen, die rund um den See leben, das Leben zur Hölle macht. Krankheiten wie Malaria, sinkende Fischbestände, mangelnde Trinkwasserreserven und Parasiten sind die Folge.

Starke Regenfälle

Und jetzt kommt auch noch der Stromausfall hinzu. Durch die Verstopfung der Dämme steigt nun der Wasserstand des Sees. Mittlerweile erreicht er ein Rekordhoch von 13 Meter über dem Normalstand, so hoch wie seit 1964 nicht mehr.

Hinzu kommen seit rund einem Jahr starke Regenfälle in der ganzen Region des Victoria-Beckens, auch in Ugandas Nachbarländern Ruanda, Kenia und Burundi. Von dort fließen zahlreiche Flüsse in den Victoriasee.

Dies führt nun zu einem Teufelskreis: Denn der See überschwemmt immer mehr Marschland und Sumpfgebiete entlang der Ufer. Dort brechen immer weitere Landstriche ab, die aufgrund der Ströme Richtung Nilabfluss treiben.

So geschah es, dass Ende April, kaum war der Großteil der ersten schwimmenden Insel auf den Dämmen entfernt, eine zweite Insel auf den Nil zutrieb. Schlepper mit Kränen mussten diese umleiten, doch sie zerbricht nun stetig in kleinere Teile, die nun eine weitere Blockade erzeugen können. Hellen Adoa, Staatsministerin für Fischerei, warnt mittlerweile von „mehreren weiteren Inseln“, die sich auf den Nilabfluss zubewegen werden.

Wasser im Wohnzimmer

Mittlerweile steht den Ugandern das Wasser buchstäblich bis zum Hals. In Munyonyo, dem schicken Vorstadtviertel der Hauptstadt Kampala, wo die reiche Schickeria am Seeufer lebt, fließt Wasser nun durch die Wohnzimmer der Superreichen. Betroffen ist auch das neu errichtete Victoria-Hotel, dessen Golfplatz unter Wasser steht.

In den übrigen Landesteilen sowie in den Nachbarländern verursachten starke Regenfälle in den vergangenen Wochen zahlreiche Erdrutsche. Es kam zu zahlreichen Toten.

Die genaue Zahl ist nach wie vor nicht bekannt, weil Menschen spurlos verschwanden und kaum Leichen geborgen wurden. Allein Ruandas Ministerium für Notfall- und Katastrophenschutz meldet 65 Tote, in Kenia wurden bis zu 200 Todesopfer und über 100.000 zerstörte Häuser gemeldet.

Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) betrachtet die Überschwemmungen mit Sorge. Durch die Corona-Krise seien laut WFP-Angaben ohnehin über 20 Millionen Menschen in der Region von Hunger betroffen. Ernteausfälle durch Fluten könne diese Krise noch verschärfen. Hoffnung ist nicht in Sicht: Die meteorologischen Institute der Region kündigen für die nächsten Wochen weitere Regenfälle an.

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13 Kommentare

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  • Windräder bauen, geht doch woanders auch...

  • Biogasanlagen bauen, fertich

    • @uli moll:

      noch einfacher:



      Erzählen, das Pflänzchen wäre gut für die Potenz - bald ausgerottet

      • @uli moll:

        "Erzählen, das Pflänzchen wäre gut für die Potenz - bald ausgerottet"

        Die Menschen, denen Sie die Pflänzchen geben wollen, wären allerdings auch bald ausgerottet. Wasserhyazinthen können jede Menge Schadstoffe aufnehmen ... und würde die bei Genuß durch den Menschen an denselben auch wieder abgeben.

        Auch bei Verwendung in Biogasanlagen besteht die Gefahr, dass sich dort dann z.B. Schwermetalle in nennenswerter Größenordnung akkumulieren.

        • @Martin74:

          Auch richtig was du schreibst. Aber Beifuss wird auch nachgesagt, dass er viele Schadstoffe aufnimmt und wird trotzdem auch als Lieferant für heilsame Pflanzenwirkstoffe angeboten. Oder gerade deswegen?

          Die Schwermetalle, die möglicherweise aufkonzentriert werden, sagen nichts eben Nutzen oder Schaden der Wasserhyazinthe aus sondern über andere Fehler in unserer Lebens-und Produktionsweise. ZU oft neigen wir zum Verdünnen statt uns die Ursache anzugucken.



          Ökologie ist einfach ein kompliziertes Terrain und wir müssen vorsichtig sein uns aber auch mit dem was gegeben ist arrangieren. Und die Wasserhyazinthe ist weltweit so verbreitet, dass es kein zurück mehr gibt.

        • @Martin74:

          ay Martin74,



          Punkt zwei: OK, doch nicht so die pralle Idee. Schade.



          Wie ist das dann mit Kompostieren?

          Aber Punkt eins ... ehrlich, was Leute so alles einwerfen für die Potenz, da spielt das echt keine Rolle.



          (Mal abgesehen davon: Dieser Vorschlag war reiner Zynismus, ausgelöst durch all die Arten, die aus solchen Gründen ausgerottet wurden und werden. Ein solches Vorgehen wäre zwar wirksam, wenn man einen der bekannten Gurus davon überzeugt, aber zutiefst unethisch. Dass du trotzdem so sachlich antwortest freut mich sehr!)

  • Naja ganz so einfach ist es nicht, eingeschleppte Arten? Ansonsten ist die Taz doch nicht so immagrationsfeindlich? Die Pflanze, Wasserhyazinthe ist eine Reaktion der Natur auf diese unendlichen Nährstoffe/Abfälle der am See liegenden Städte, die dort eingeleitet werden. Das grüne schleimige sind übrigens Algen und hat nichts mit den Wasserhyazinthen zu tun. Was die Natur versucht, ist diese massive Zuführung von Nährstoffen auszugleichen. Der See ist mittlerweile so angereichert, das das Wasser, wie eine Nährsuppe für Pflanzen ist, wie in Indoor Gärten genutzt wird. Die Pflanze entzieht die Nährstoffe dem See und bringt ihn famit wieder ins Gleichgewicht. Jetzt kann man zwei Sachen machen a) die pflanzen aus dem see nehmen und kompostieren oder b) die nährstoffe (abfälle bei uns genannt), die ungeklärt in den See geleitet werden vorher schon kompostieren.... nichts tun führt zum zuwachsen. Das ist aber auch nicht so schlecht, weil damit die Seefahrt eingeschränkt möglich ist auf dem See und damit der See wenigstens etwas geschützt ist vor seiner Ausbeutung.

    • @wasichschonimmersagenwollte:

      Bei Wikipedia finden Sie mehr Informationen zur dickstieligen Wasserhyazinthe, zum Beispiel, dass diese aus Südamerika eingeschleppte Art ohne Fressfeinde alle 2 Wochen die überdeckte Fläche verdoppelt. Dieses Wachstum hat nichts mit den Nährstoffen zu tun, das Problem kommt noch dazu. Dass unter den Blättern alle anderen Wasserpflanzen aus Lichtmangel (aus)sterben und damit auch die Fische, die diese Pflanzen, aber eben keine Wasserhyazinthe benötigen.



      Der See wird also auch nicht geschützt vor Ausbeutung - durch den Neozyt es bleibt demnächst nichts mehr übrig, was noch ausgebeutet werden könnte.

      Inzwischen wird versucht Rüsselkäfer auszusetzen, die die Wasserhyazinthen fressen. Damit wird eine Tierart eingeführt, die es in diesem Ökosystem vorher nicht gab, in der Hoffnung, dass sie die Pflanzenart, die es bis vor 100 Jahren dort nicht gab, klein zu halten. Mal abwarten, was das für das Ökosystem bedeutet.

      de.wikipedia.org/w...ge_Wasserhyazinthe

    • @wasichschonimmersagenwollte:

      Deinem Text stimme ich auch zu. Übrigens ist der Mekong auch voll davon. Und ja die Pflanze kann sehr nützlich sein weil sie Wasser reinigt. Ein Bekannter hat sie in Kambodscha als Pflanze in der Pflanzenkläranlage im Einsatz. Scheint dort die produktivste Pflanze zu sein.



      Sie bedarf in solchen Mengen der Bewirtschaftung. Kann sein als Futter, zumindest einige Tiere fressen und vertragen sie. Auf jeden Fall aber eine gute Grundlage für Kompost zusammen mit anderen organischen Substanzen.



      Viva Eichhornia!!

    • @wasichschonimmersagenwollte:

      naja, eingeschleppt ist die Pflanze schon, die kommt soweit ich weiß aus Südamerika, aber is eigentlich nur ein weiterer Komplexitätsaspekt....

      und, ich glaube die kann man essen...

      ansonsten geh ich völlig dakor, oder so...



      ohen uns würde sich die Natur schon wieder berappeln... ;-)

      • @Hans Petro:

        Die getrocknete Pflanzenfaser eignet sich auch zur Herstellung von Flechtmöbeln. waterhyacinth.de/

        • @Matthias Mack:

          Danke für den Link ;-)

  • TJa, so kommt das, wenn man die Natur in Form von Flüssen mit Staudämmen aufhält und sie ausnutzen will.



    Hierzulande und überall kämpft man mit Schlamm- und Sandablagerungen, weshalb die Stauseen regelmässig durchgepustet werden. Das geht mit Pflanzeninseln leider nicht.

    Wasserkraft klingt so schön öko und regenerativ, ist aber rundum immer eine Lebensraumkatastrophe, die nur mehr oder weniger auffällt.

    Vermutlich kommt irgendwann irgend ein Genie auf die Idee, die Pflanzen mit Giften zu dezimieren. Und flussabwärts sterben dann die Fische, Nutzpflanzen und Menschen.



    Intelligenter wäre wohl, sie kleinzuhäckseln und als Dünger zu kompostieren, aber das kostet ja wieder Geld.