piwik no script img

Die steile TheseCorona-Immune sind unsere Rettung

Was ist mit denen, die Covid-19 besiegt haben? Wenn wir diesen Superheld*innen mehr Freiheiten einräumen, sollten sie auch ein paar Pflichten haben.

Unsere immunarroganten Superhelden können über dieses Virus nur lachen Foto: dpa

Es ist ein neuer Typ Mensch entstanden, an den wir uns gewöhnen müssen. Noch gibt es von ihm nicht allzu viele Exemplare, aber es werden täglich mehr: die Corona-Überlebenden. Diese Menschen bringen große Herausforderungen mit sich. Und sie sind eine Riesenchance.

Seit fast zwei Monaten erleben wir in Deutschland nun die Coronapandemie, und sie wird uns wohl noch weit länger beschäftigen, als die Locker-Laschets dieses Landes uns glauben lassen wollen. Denn bevor es einen Impfstoff oder ein wirksames Medikament gegen Covid-19 gibt, ist das Virus nicht unter Kontrolle.

Was erst so langsam klar wird: Wir werden auch eine Zeit mit einer Zweiteilung der Gesellschaft erleben, die es in dieser Form noch nicht gab.

Auf der einen Seite ist da die große Masse an Menschen, die sich nicht anstecken soll, die deshalb Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen, Menschenansammlungen meiden soll. Und da sind auf der anderen Seite diejenigen Menschen, die das Coronavirus schon erwischt hat und die die Krankheit überstanden haben. 141.700 Personen sind das bislang in Deutschland, das ist die offizielle Zahl. In Wahrheit sind es noch viel mehr, denn viele haben die Krankheit ohne oder mit wenigen Symptomen durchgemacht.

Du Virus. Du Mensch. Du Welt. Ich Superheld

Die meisten stecken die Infektion auch ziemlich gut weg, wenn auch die Gefahr besteht, dass sie langfristig körperliche Schäden davontragen, die man jetzt vielleicht noch gar nicht kennt. Die Menschen sind geheilt. Damit sind sie immun gegen das Coronavirus, zumindest für eine Weile.

Ob das nur ein paar Monate sind oder eher Jahre, hat die Wissenschaft noch nicht endgültig herausgefunden. Eine Zeit lang jedenfalls können sich bereits Erkrankte nicht mehr infizieren – und auch keine anderen Personen anstecken.

Trifft man diese beneidenswerten Menschen, kann man bemerken, dass sie ein bisschen selbstbewusster durch die Gegend laufen als andere, mit Abstand nur als symbolischer Pflicht. Man kann ein scheues Lächeln beobachten, das ihnen übers Gesicht huscht. Es will sagen: Hah, du kannst mir nichts. Du Virus. Du Mensch. Du Welt. Ich Superheld.

Dieser erlebte Sieg über Corona – wer will es diesen Menschen verübeln, dass sie sich als Sie­ge­r*in­nen fühlen – kann sich dann aber in Richtung einer Immunarroganz bewegen. Habt euch doch nicht so. Ich habe es auch überlebt. Und will jetzt wieder mein normales Leben.

Das private Leuchten im Gesicht ist das eine. Der gesellschaftliche und rechtliche Umgang mit mutmaßlich Corona-Immunen etwas ganz anderes. Wir erleben seit März heftige Einschränkungen der Grundrechte, die es in der Geschichte der Bundesrepublik in dieser Härte noch nie gegeben hat.

Diese sind im Großen und Ganzen auch gerechtfertigt, weil das Virus eben kein Feind ist, den man auf die Schnelle anders besiegen oder mit dem man irgendwie verhandeln könnte.

Darf man Corona-Immunen die Grundrechte verwehren?

Viele der Einschränkungen gibt es, weil die Menschen das Virus verbreiten. Und das tun die Corona-Immunen eben nicht. Darf man auch ihnen also überhaupt die Grundrechte verwehren? Darüber diskutieren Jurist*innen, und bald werden wir alle uns stärker damit beschäftigen müssen.

Reisen, Tanzen, Sauna. Dürften Corona-Immune nun plötzlich mehr als andere, wäre das allen anderen in jedem Fall schwer zu vermitteln, weil: Was wären das für Vorbilder? Und es gäbe keine Gleichbehandlung. Aber Moment: Heißt Gleichbehandlung wirklich, dass man alle gleich schlecht behandelt, wenn es vernünftigerweise auch anders zu regeln wäre? Wohl kaum.

Es geht dabei nicht nur um das private Wohlbefinden, sondern auch um die in diesen Zeiten offenkundig noch viel wichtigere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes. Einen immunen Krankenpfleger kann ein Krankenhaus natürlich besser einsetzen als einen, dem jederzeit die Ansteckung droht. Eine immune Handelsvertreterin kann sich natürlich viel besser und sicherer durch Deutschland und die Welt bewegen.

Wenn Corona-Immune irgendwann mehr dürfen sollen, in welcher Ausprägung auch immer, muss man ja erst mal wissen, wer überhaupt immun ist. Führt man jetzt aber – wie es der Gesundheitsminister zwischenzeitlich vorhatteeinen Immunitätsausweis ein, der mit mehr Rechten einherginge, würde dies eine große Gefahr bergen. Wer große Vorteile hat, wenn er coronaimmun ist, dürfte ein großes Interesse daran haben, diese Immunität zu erlangen. Und so lange es keinen Impfstoff gibt, gäbe es dafür nur eine Möglichkeit: sich mit dem Virus infizieren.

Es geht um Zeit und Nähe, Nähe ohne Leiden

Da man Coronaviren aber nicht einmal im Darknet kaufen kann (meines Wissens jedenfalls), ist der einfachste Weg möglichst intensiv möglichst viele Menschen zu treffen, die gerade ansteckend sind. Es drohen Coronapartys, und zwar richtige Coronapartys, nicht diese Coronapartys, die die Polizei so nennt, weil sich ein paar Jugendliche verbotenerweise auf einer öffentlichen Grün­fläche mit Getränkeflaschen in der Hand gruppieren.

Nein, es drohen dann Coronapartys analog zu den Masernpartys, die in der irrsinnigen Annahme begangen werden, dass es gesünder sei, eine Krankheit „durchzumachen“, als das Kind zu impfen, was viel weniger Nebenwirkungen mit sich bringt.

Im Falle von Covid-19 ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die manche Menschen dazu bringen wird, freiwillig das Virus in sich aufzunehmen. Eine Rechnung, bei dem das Risiko einer schweren Erkrankung und von Langzeitschäden leichtsinnig beiseite gewischt wird.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Was also ist ein Ausweg aus dem Immunitäts-Dilemma? Der alte Grundsatz: „Wer Rechte hat, hat auch Pflichten.“ In der Coronapandemie braucht es einen neuen Gesellschaftsvertrag: Wenn ihr schon immun seid und euch das Vorteile bringt, dann bringt euch aber auch bitteschön ein bisschen in die Gesellschaft ein.

Denn die Corona-Immunen werden gebraucht, lasst also die Superheld*innen super Taten tun. Es gibt so viele Orte, in denen Nähe eigentlich unabdingbar ist, aber jetzt so gefährlich. Lasst die Immunarroganten also nicht nur ihr Blut spenden, sondern auch in den Pflegeheimen arbeiten, in den Krankenhäusern und Kitas! Für die Kernaufgaben dürften die meisten nicht ausreichend ausgebildet sein, aber das, was auch zählt und gerade zu kurz kommt, das können sie mitbringen: Zeit und vor allem Nähe. Nähe ohne Leiden.

Im FCJ, im Freiwilligen Corona-Jahr, können sich die Immunen ein paar Stunden in der Woche ehrenamtlich einbringen. Und wer keinen ordentlich bezahlten Job hat, sollte dafür natürlich bezahlt werden, dass er oder sie nun Corona-Care-Arbeit macht.

Es ist am Ende dann auch egal, ob sie sich besser fühlen als die anderen oder nicht. Sie können nun ihre Superkräfte ausleben, und das hilft uns allen. Im Gegenzug bekämen sie dann auch mehr Freiheiten, sie dürften jederzeit die gefährdeten Großeltern treffen oder mit anderen Corona-Immunen tanzen, ganz ohne Abstand. Das wäre doch ein fairer Deal, oder?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • ein unglaublicher unsinn: niemand ist zu irgendwas verpflichtet nur weil er eine erkrankung überstanden hat. gleichbehandlung setzt gleichheit voraus und die ist hier nicht gegeben. immune sind für niemanden eine gefahr und damit jede corona-spezifische einschränkung für diese personen verfassungswidrig weil grundlos.

  • Ziemlich unseriöser Artikel. Zum einen gibt es bisher nur eine durch Vergleich mit anderen Corona-Viren vermutete Immunität - die aber bisher nicht nachgewiesen ist.



    Zum Anderen kann auch eine Person, die selber immun ist, das Virus durch Schmierinfektion weitertragen.



    Immunitätsausweis: Als Journalist werden Sie in ein paar Monaten vermutlich sehr viel tun, um einen Nachweis, dass Sie geimpft sind oder anderweitig immun gewordnen sind, zu bekommen. Warum? Weil Länder wie China, Süd-Korea oder Japan Ihnen bei der Einreise die Wahl lassen werden: 14 Tage Quarantäne oder Nachweis der Immunität, egal wie das "Papier" dann genannt wird.

  • Abermals ein unseriöser, unsauber recherchierter Artikel:



    Es ist klar, daß ein Berufsstände, die mit der Entwicklung von Immunessays, Antikörpern und Impfstoffen ihr Geld verdienen, also Mikrobiologen und zumeist auch Virologen, immer von einer Immunität ausgehen und daher immer nach Impfstoffen suchen.



    Bei vielen Krankheiten, bei denen es weder eine Immunität gibt noch die Entwicklung eines Impfstoffs gelungen ist, werden in regelmäßigen Abständen verheißungsvolle Erfolge verkündet mit entsprechenden Wertsteigerungen der universitären Ausgründungen, aber meist erwiesen sich diese dann als Flop!

    Warum nun hier bei Corona Covid19 mit dieser Penetranz eine längere Immunität behauptet wird, ist schleierhaft. Jedenfalls Fakt ist: Es ist lediglich eine bequeme Theorie, in meinen Augen ein gefährliches Wunschdenken. Denn es wiegt einerseits die einen in trügerische Sicherheit, andererseits spaltet es unnötigerweise die Gesellschaft.



    Statt hier nun von einer hypothetischen Verantwortung zu sinnieren und fabulieren, sollte das Handeln danach ausgerichtet sein: Solange eine Immunität nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist und keine Impfstoffe vorhanden sind, gilt das Gleichbehandlungsgebot.



    Dabei gilt der Nachweis von Antikörpern allein nicht als Beweis, denn es gibt viele Krankheiten, die trotz vorhandener Antikörper nicht zu einer Immunität führen!

  • Nach erlittenen Corona-Erkrankung entsteht kein „ neuer Typ Mensch“, sondern ein Mensch , der gegen das Corona-Virus, so wie auch vorher schon gegen viele andere Viren , eine gewisse Immunität gewonnen hat. Eine hinreichende Immunkompetenz hierfür haben wohl mehr als 99% aller Menschen: Bei aktuell 171.000 bestätigten Fällen, einer von Experten geschätzten Dunkelziffer im 10- bis 20-fachen Bereich und zuletzt 7.549 mit /durch Corona bedingten Todesfällen in Deutschland errechnet sich eine Überlebensrate von mindestens 99,5 Prozent oder besser.



    Vom „Superhelden“ kann also keinesfalls die Rede sein, vielmehr von einer ganz normalen immunologischen Schutzreaktion unseres Körpers als Folge einer, allerdings mit überdurchschnittlichem Risiko, behafteten Virus-Infektion.



    Klar ist: Wir müssen alle Menschen, die zu den Risikogruppen für Komplikationen oder vitaler Gefährdung gehören, unbedingt gut schützen. Dafür müssen wir alle etwas tun, unabhängig davon, ob wir bereits via naturalis - oder später dann durch Impfung - immunisiert sind oder nicht.



    Aber warum bitte sollte man neben einem diesbezüglichen Engagement nicht wieder ein ganz normales Leben im Rahmen unserer Gesellschaftsordnung führen wollen? Dies ist kein Egoismus und kein Privileg, sondern ein Grundrecht. Wie viel wichtiger ist denn die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ als die persönliche Freiheit?



    Als triumphierende „Sieger“ werden sich Menschen mit überstandener Corona-Infektion, die ja bereits persönlich eine mehr oder weniger unangenehme Krankheitsphase und das damit einhergehende Komplikationsrisiko durchlaufen mussten, in der Regel wohl eher nicht fühlen.



    „Immunarrogant“ ? Ich würde eher sagen, die „These“ ist nicht nur steil, sondern eine vielleicht gewollt arrogante Provokation, die aber bestenfalls Neiddiskussionen triggert. Für die Suche nach einem konstruktiven, gemeinsamen Weg aus der Krise erscheint sie mir eher kontraproduktiv.

  • 0G
    01349 (Profil gelöscht)

    Grundrechte hat man. Die muss man sich nicht verdienen.

  • Nur weiß halt keiner, wer immun ist, wenn man nicht alle testet. Aktuell wird so ein Test meines Wissens nur bei Angehörigen der Risikogruppe(n) bezahlt.

    • @Gostav:

      "Nur weiß halt keiner, wer immun ist, wenn man nicht alle testet."

      Warum sollte man "alle" testen müssen, um zu wissen, wer immun ist? Wenn Sie eine einzige Person testen, die zufällig immun ist, dann könnten Sie dieser Person bestätigen, dass sie immun ist.



      Die eigentlichen Fragen sind, ob es einen ausreichend zuverlässigen Immunitätstest geben wird, ob es das Prinzip Immunität bei diesem Virus hinreichend lange gibt, damit sich eine Bescheinigung überhaupt lohnt, und inwiefern die Immunität bei Änderungen des Virus erhalten bleibt.

  • Coole Geschichte, Bruder!