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Die Folgen der ÖkonomisierungWem gehören die Krankenhäuser?

Der Verkauf der Krankenhäuser an Asklepios war für Hamburg ein durchwachsenes Geschäft. Jetzt geht die Diskussion wieder in die andere Richtung.

Renoviert: Asklepios-Klinikum Wandsbek Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Es war ein starkes Stück, als der damalige Hamburger Erste Bürgermeister Ole von Beust und sein Finanzsenator Wolfgang Peiner (beide CDU) im Juli 2004 verkündeten, sie würden auf den Volksentscheid gegen die Privatisierung der landeseigenen Krankenhäuser pfeifen, – fast drei Viertel der Stimmen waren gegen die Privatisierung abgegeben worden.

Ganz abgeebbt ist die Diskussion, ob der Verkauf an den in Familienbesitz befindlichen Asklepios-Konzern ein Fehler war, seitdem nie. Zuletzt 2017 haben die Fraktionen der SPD, Grünen und Linken in einem gemeinsamen Antrag festgestellt, dass der Verkauf für die Stadt „ein schlechtes Geschäft“ gewesen sei. Auch der aktuelle rot-grüne Senat sieht den Verkauf „kritisch“. Und die Linke sucht noch immer nach Wegen, wie sich ein Rückkauf bewerkstelligen ließe.

Nachdem Senate unter Führung von SPD wie CDU um die Jahrtausendwende herum im großen Stil öffentliches Eigentum verkauften, hat sich der Zeitgeist inzwischen gewandelt. Hamburg hat die Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme zurückgekauft und wieder einen Stromversorger gegründet. Mit der Rückkehr des Staates in der Coronakrise und der Frage, wie wir künftig leben wollen, könnte die Debatte neuen Schub bekommen.

Der ehemalige Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) behandelte 2003 rund 45 Prozent aller Fälle in Hamburg. Als der CDU-FDP-Schill-Senat Anfang der 2000er beschloss, ihn zu verkaufen, hatte er bereits ein jahrelanges Sanierungsprogramm hinter sich. SPD-geführte Senate hatten den Landesbetrieb hergerichtet und ein CDU-geführter Senat hat ihn verkauft.

Schon die Stadt hat rationalisiert

Wie andere defizitäre öffentliche Unternehmen, etwa das Wohnungsbauunternehmen Saga, wurden die Krankenhäuser rechtlich verselbstständigt. Im Zuge der Sanierung, die 2005 abgeschlossen werden sollte, wurden Profitcenter geschaffen, die Abläufe in den medizinischen Abteilungen gestrafft, aber auch Dienstleistungen wie die Reinigung oder Hauswirtschaft outgesourct und 3.000 Stellen abgebaut. Ein in Hamburg prominentes und umstrittenes Opfer war das Hafenkrankenhaus. Der damalige SPD-Senat trug das mit.

Als er 1992 zum LBK gekommen sei, erinnert sich der frühere Vorstandssprecher Heinz Lohmann, habe er festgestellt: „Wir haben die höchsten Fallkosten.“ Die Kosten einer Behandlung hätten rund 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt gelegen. Zu dieser Zeit habe sich abgezeichnet, dass die Krankenkassen nicht einfach weiter Betten finanzieren würden, sondern das System zur Kostendämpfung umgekrempelt werden würde.

Früh führte Lohmann intern Fallpauschalen ein, die es möglich machten, die Kosten für bestimmte Behandlungen an verschiedenen Häusern zu vergleichen. Trotz dieser Bemühungen machte der Landesbetrieb kräftig Verluste. 2003 waren sie mit 86,9 Millionen Euro besonders hoch.

Unter anderem lag das daran, dass der Landesbetrieb die Altersversorgung seiner Mitarbeiter umstellte und dazu eine Unterstützungskasse gründete, für die er in den Anfangsjahren Prämien nachzahlen musste. Außerdem hatte ihm der Senat die Renten für ehemalige Mitarbeiter aufgebürdet – 2003 allein 36 Millionen Euro.

„Die Ertragskraft reichte in den vergangenen Jahren nicht aus, um die Belastungen durch Restrukturierungsmaßnahmen und betriebliche Altersversorgung sowie Investitionen und Zinszahlungen zu tragen“, stellte der Senat 2004 in einer Drucksache zum Verkauf fest. Der LBK dürfe nicht weiter Schulden bei der Stadt auflaufen lassen, sagte Finanzsenator Peiner.

Asklepios machte die Stadt es von vornherein leichter: Beim Verkauf übernahm sie die Last der Rentenansprüche. Außerdem sicherte sie den ehemaligen LBK-Beschäftigten ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst zu, das 1.746 Menschen in Anspruch nahmen – weit mehr, als der Senat gedacht hatte. Darunter waren viele Leute aus dem nicht-medizinischen Bereich. Asklepios war sie los und die Stadt musste eine Beschäftigung für sie finden.

„Das reine Betriebsergebnis war Anfang der 2000er einigermaßen ausgeglichen“, erinnert sich Lohmann. Allerdings erwirtschafteten die Krankenhäuser in den ersten Jahren nach dem Verkauf auch keine Überschüsse. Das drückte den Kaufpreis, weil der Vertrag einen Abschlag vorsah, falls keine Gewinne erwirtschaftet würden. Dazu kam, dass 2004 plötzlich Sonderbelastungen bilanziert wurden, die bis dato keine Rolle gespielt hatten und das negative Eigenkapital sprunghaft vergrößerten. 245,6 Millionen Euro hat Asklepios überwiesen; weitere 75 fielen flach.

Das entscheidende Thema ist nicht die Privatisierung, sondern die Ökonomisierung des Gesundheits­systems

Hätte die Stadt die Krankenhäuser ohne die Pensionslasten also selbst weiterbetreiben können? „Man braucht einen Gesellschafter, der einen Modernisierungskurs uneingeschränkt teilt“, sagt Lohmann, der heute ein Beratungsunternehmen führt. Das bedeute, dass sich der Gesellschafter nicht gegen die wirtschaftliche Rationalität entscheiden dürfe. Für die Stadt als Gesellschafter wäre das schwierig, weil der Senat politisch erpressbar sei. „Unter dem Gesichtspunkt, vielen Ärger nicht zu haben, hat sich das für die Stadt auf jeden Fall gelohnt“, findet der ehemalige LBK-Chef.

Eigentlich sei das entscheidende Thema nicht die Privatisierung, sondern die Ökonomisierung des Gesundheitssystems, sagt der Politikwissenschaftler Detlef Sack von der Uni Bielefeld. Bei der Umstellung auf Fallpauschalen in den 1990er-Jahren wurde für jede Behandlung ein Vergütungssatz festgelegt. Kliniken, die darunter bleiben, können das Geld einstreichen. Wer zu teuer ist, erwirtschaftet ein Defizit. Auf die Genesung komme es dabei nicht an, sagt Sack.

Asklepios schiebt die Verantwortung für den Renditedruck auf die Länder, die nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz für Neubauten und neue Geräte aufkommen müssen. Sie investierten zu wenig, sodass die Krankenhäuser auch Investitionen aus dem laufenden Betrieb finanzieren müssten, so der Vorwurf.

Gegen den Willen des Volkes privatisiert: Hamburger Krankenhäuser Foto: Illustration: Imke Staats

In seinen Hamburger Kliniken hat Asklepios knapp die Hälfte der Investitionen getragen – seit 2005 waren das nach Senatsangaben 722 von 1.542 Millionen Euro, für die die Stadt nicht aufkommen musste. Ein Gutachten der Firma Mehrwertconsult im Auftrag der Hamburger Linken spricht von „notorisch zu geringen Investitionsmitteln der Länder für die Krankenhäuser mit der Folge eines Investitionsstaus in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro“.

„Unfreiwillig hohe Produktivität“

Dazu kommt laut Asklepios, dass die deutschen Fallkostenpauschalen im internationalen Vergleich gering ausfallen. Das hat den wirtschaftlichen Druck weiter erhöht und etwa dazu geführt, dass sich Mediziner und Pflegekräfte in Deutschland um mehr Patienten kümmern müssen, als das im Ausland der Fall ist. „Diese unfreiwillige, hohe Produktivität ist die wesentliche Ursache für die trägerunabhängige Arbeitsverdichtung in deutschen Kliniken“, heißt es in einer Asklepios-Mitteilung von 2017.

„Die Fallkostenpauschalen bauen schon Druck auf“, sagt Hilke Stein, Landesfachbezirksleiterin der Gewerkschaft Ver.di. Aber mit der Privatisierung des LBK habe sich die Zielrichtung geändert. Im Vordergrund stünden wirtschaftliche Interessen, es gehe um Gewinnmaximierung. „An ganz vielen Punkten spüren wir das“, sagt Stein.

Ein Indikator hierfür könnte die Patientenzufriedenheit sein, die alle drei Jahre mit dem Hamburger Kranken­hausspiegel erhoben wird. 2018 belegten die sieben Asklepios-Kliniken bei der Frage „Würden Sie dieses Krankenhaus ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen?“ die letzten Plätze. Die Qualitätsindikatoren für bestimmte Behandlungen, die ebenfalls erhoben werden, spiegeln dieses Bild allerdings nicht.

Nach Einschätzung der Hamburger Finanzbehörde kommen die Überschüsse immerhin den Krankenhäusern und damit mittelbar den Patienten zugute: „Die erwirtschafteten Mittel sind im Unternehmen verblieben, um zur Finanzierung von Investitionen aus Eigenmitteln zur Verfügung zu stehen“, teilte sie mit.

Eigenkapital gewachsen

Tatsächlich ist das Eigenkapital der Asklepios-Kliniken Hamburg seit dem Verkauf kontinuierlich gewachsen – von 163 Millionen Euro 2005, im ersten Jahr nach der Privatisierung, auf 329 Millionen 2010 bis auf 667 Millionen 2018.

Wie sich der Verkauf des LBK auf den Hamburger Haushalt ausgewirkt hat, kann aus Sicht der Finanzbehörde nicht abschließend bewertet werden. Als positiv vermerkt Mehrwertconsult in seiner Studie für die Linke die Investitionen von Asklepios, die Wertsteigerung des Unternehmens und seiner Grundstücke sowie die Entlastung von Zinszahlungen, weil sich die Schuldenlast der Stadt durch den Verkauf verringert habe.

Allerdings stemmt Asklepios die Investitionen aus den laufenden Einnahmen. Einem internationalen Konzern dürfte das leichter fallen als einem regionalen Unternehmen. Möglicherweise hätte das ein gut geführter LBK ohne Pensionslasten aber auch gekonnt.

Mehr über die Privatisierung und mögliche Rekommunalisierung der Krankenhäuser lesen Sie in der taz am wochenende am Kiosk oder in unserem e-kiosk.

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2 Kommentare

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  • "Als positiv vermerkt Mehrwertconsult ... die Entlastung von Zinszahlungen, weil sich die Schuldenlast der Stadt durch den Verkauf verringert habe."

    Beim derzeitigen Zinssatz ist es sehr wahrscheinlich dass der Schaden durch geringere / nicht getaetigte Investitionen hoeher ist als die Zinsersparnis!

  • Zitat: „Nach Einschätzung der Hamburger Finanzbehörde kommen die Überschüsse immerhin den Krankenhäusern und damit mittelbar den Patienten zugute.“

    Kann, muss aber nicht. Vor allem BBC dann, wenn zu viel teure Technik abgeschafft wird, die sich „amortisieren“ muss, kann es vorkommen, dass nur die Chefärzte profitieren. Dann nämlich, wenn Patienten zwar mehrfach teuer untersucht werden, anschließend aber keine sinnvolle Behandlung erfolgt. Etwa, weil der Erkrankung nicht mit technischen Mitteln („Knopfloch-OP“ o.ä.) beizukommen ist und an qualifizierten „Handwerkern“ gespart wurde.