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Arbeitsvisa für Menschen aus AfrikaImmerhin ein Vorschlag

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Europa hat AfrikanerInnen oft legale Wege zur Migration in Aussicht gestellt, aber nie gehandelt. Jetzt bewegt sich was.

Gefährlicher Weg: Schmuggler geleiten Flüchtende in Äthiopien Foto: Nariman El-Mofty/ap

W ir Deutschen dürfen praktisch unbeschränkt reisen, wohin immer es uns passt. AfrikanerInnen nicht: Der Weg nach Europa ist den allermeisten versperrt. Ein Teil von ihnen soll nun künftig kommen dürfen, wenn sie vorab eine Kaution hinterlegen, um zu garantieren, dass sie auch wieder gehen. Das hat ein Expertengremium vorgeschlagen, das die Bundesregierung berät.

Der Vorstoß reproduziert den staatlichen Generalverdacht gegen afrikanische MigrantInnen – und stellt sie weiterhin schlechter als solche aus Ländern mit geringerem Wohlstandsgefälle zu Europa. Und er ignoriert den Umstand, dass Europa Afrika nicht nur wegen der kolonialen Vergangenheit, sondern auch wegen der wirtschaftlichen Gegenwart viel schuldig ist.

Dem gegenüber aber steht die Realität der irregulären Migration. Und die bedeutet heute für sehr viele afrikanische MigrantInnen, ihre Freunde und Angehörigen enormes Leid und oft auch Tod. Afrikanischen Migrationswilligen könnte dies erspart werden, würde man sie einfach genauso behandeln wie etwa kanadische. Doch dafür gibt es politisch in der EU derzeit schlicht keinen Konsens – zu sehr wurde Migration in den vergangenen Jahren auch in der politischen Mitte dämonisiert, zu infam haben Populisten mit dem Thema Politik gemacht.

Für viele afrikanische Staaten sind Zugänge zum europäischen Arbeitsmarkt für ihre BürgerInnen ein wichtiges Anliegen. Man muss sich keine Illusionen machen: Die enorme Nachfrage wird ein solches Programm nicht decken. Aber es ist immerhin ein Impuls, die völlig festgefahrene Debatte wieder in Bewegung zu bringen. Denn die Europäer haben den AfrikanerInnen seit 2015 mehrfach legale Wege in Aussicht gestellt, diese Ankündigungen aber nie erfüllt.

In Kombination mit dem andauernden Sterben auf dem Mittelmeer hat dies das Verhältnis der beiden Kontinente schwer belastet. Eine Öffnung, gerade in der Zeit, in der auch die Afrikaner durch Corona in wachsende Nöte geraten, würde südlich des Mittelmeers zweifellos willkommen geheißen.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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18 Kommentare

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  • Ähm...warum genau wird "Afrikaner" hier eigentlich gegendert? Liest sich seltsam und klingt komisch, zumal "Deutsche" auch nicht gegendert wird. Da wollte wohl jemand besonders politisch korrekt sein...

  • Ich will ja keinen Essig in den Wein der Migration-Hilfsbereitschaft kippen, aber warum will man den Menschen unbedingt zum Auswandern verhelfen? Amerika ist seit 500 Jahren ein Einwanderungsland und ist der Rassismus da etwa ausgestorben? Was ist das für eine Denkweise. Rassismus gibt es auch in Afrika, auch von dunkelhäutigen Afrikanern.



    Klar ist, dass wir diesen Menschen viel schuldig sind und wir sollten dafür auf die Straße gehen, dass sie dieses Geld zurückbekommen*, welches wir durch ihre billige Arbeitskraft und die Ausbeutung ihrer Ressourcen (plus durch ihre Versklavung) eingenommen haben um uns ein schönes Leben zu machen.

    Wenn ich mich umgucke, muss ich leider feststellen, das bei uns zu viele Menschen, die glaubten hier ihr Glück zu finden, ganz unten landen. Wir sollten nicht glauben, dass, wenn die Wirtschaft nach Arbeitskräften ruft, sie dies tut, um Menschen aus ihrer Not zu befreien. Und der Staat verwaltet ihr Elend dann nur.

    Der Kapitalismus ist Ungerechtigkeit und gebiert dadurch Rassismus. Wenn wir den nicht abschaffen ist gar nichts gewonnen. Und solange der "Linken" hier nur das Feinbild "weißer Mann" einfällt sowieso nicht.

    *Wie wir das gerecht verteilt bekommen, angesichts der Raffgier der oberen Zehntausend die es ja auch dort schon gibt, weiß ich allerdings nicht. Mit einem Flugzeug vom Himmel regnen lassen, wäre vielleicht ein gute Idee. Mit den dann vergossenen Tränen unserer Großraddreher ließen sich locker die Stauseen der Wasserkraftwerke füllen und wir könnten einen Teil des Geldes durch Ökostrom wieder rein holen, Nur so ne Idee.

    • @APO Pluto:

      Auch wenn ich nicht denke dass "der Kapitalismus" Quell allen Übels ist, so möchte ich Ihnen ansonsten zustimmen, schön gesagt. Vieles Gesprech und Getue der selbsternannten Retter der Geschundenen ist nicht wirklich durchdacht aber dafür umso mehr ideologisch durchtränkt.

    • @APO Pluto:

      Kapitalismus ist per se nicht schuldig, sondern, zumindest mE, einzelne Personen mit Gestaltungsmacht. Hier kann ein richtiges Stichwort "Steuerung (der Wirtschaft)" sein.

      • @Gerhard Krause:

        Na klar stehen Menschen dahinter. Die haben viel zu verlieren und werden deshalb Veränderung nicht wollen. Eine Steuerung der Wirtschaft wird bestimmt ein Element auf dem Weg in eine gerechtere Zukunft sein.



        Ich bin auch für ein privates Höchsteinkommen und -vermögen. Wir werden sehen.

        • @APO Pluto:

          Hoffentlich (kommt es). M.E. diskutiert die österreichische linke Ökonomie dieses Thema schon sehr gut und sehr sachlich.

    • @APO Pluto:

      Sie sind ein Mann mit Visionen, Bravo!

      • @otto:

        An so was Ähnliches wird auch Bernd Riexinger gedacht haben, als er auf der Strategiekonferenz sagte: "Wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein."



        Da bin ich ganz bei ihm. Uns werden noch viele Möglichkeiten einfallen.

        • @APO Pluto:

          War ironisch gemeint...

  • "Die enorme Nachfrage wird ein solches Programm nicht decken."

    Nur weil es die illegale Migration gibt, kann dies kein Argument dafür sein, sie zu legalisieren. Die EU hat derzeit viele Probleme. Eine Rezession, in vielen Staaten eine Massenarbeitslosigkeit und z T. Sehr hohe Staatsschulden, die für einzelne Staaten kaum zu lösen sind. Wo sollen die Afrikaner derzeit ankommen, um eine Perspektive zu haben? Auch in Deutschland mit einer noch moderaten Arbeitslosigkeit, aber mit ca. 2 Mio. Kurzarbeitern, sind derzeit viele Migrantinnen und Migranten der letzten Jahre am Arbeitsmarkt nicht erfolgreich. Sollte dort nicht angesetzt werden?

    • @JM83:

      Hier spielen Ausbildung und Löhne eine Rolle.

      Es kann bereits heute eine Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken erteilt werden: Paragraphen 16 ff AufenthG, s. insbesondere P. 16a AufenthG.

      Seit 01.03.2020 gilt auch bereits das s.g. Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

      Die Probleme liegen mE woanders.

  • Danke, ein ausgewogener Artikel zu einem leider schwierigen Thema.

    Ich sehe aber noch die relative Gefahr, dass die Kaution, ob sie ein Mitglied der Zielgruppe überhaupt aufbringen könnte, ist nicht mein Thema, von Dritten vorgestreckt wird und weitere wenn nicht gar mafiöse Abhängigkeiten und Strukturen (er-)schaffen wird.

    Zwar wird hier im Artikel das Kautionsmodell nicht weiter ausgeführt, es wäre aber mE klug, dass auf die Kaution abgestellt jeder kommen darf, aber, um bei dem Modell zu bleiben, dann aber im Gastland die "Kaution" im Wege der aufgenommenen Arbeit entsteht, sodass sie keine Einreisevoraussetzung mehr ist.

    Ob dies dann moderne Sklaverei sicher ausschließt, keine Ahnung, aber ich hoffe es.

  • Migration? Es gibt Einwanderung/Immigration und Flucht.



    Da besteht ein himmelweiter Unterschied! Bei einer Einwanderung legt der aufnehmende Staat die Bedingungen vor der Einreise fest. Über die Konsulate und Botschaften. Dazu gehören Anzahl, Beruf/Ausbildung, Pass vorhanden, Sprachkenntnisse, Arbeitsvertrag und Mietvertrag vorhanden. Nach diesen internationalen Kriterien können Flüchtlinge keine Einwanderer - Migranten sein. Wir reden von Fachkräften, ausgebildeten Fachkräften, nicht von Billiglöhnern ohne jeglichen Kenntnissen. Das ist doch nicht schwer zu verstehen! Außerdem gibt es die Blue Card!!!

    • @Vordenker112:

      Was meknen Sie, worauf wollen Die hinaus?

      Jeder, der seinen Lebensmittelpunkt verlagert, der wandert und ist Migrant. Über Staatsgrenzen hinweg liegt internationale Migration vor.

      Sie beschreiben eher rechtliche Regelungen, als den Kern der Sache.

      Mich würde interessieren, was Sie ggf ablehnen, oder gutheißen, daher meine Frage.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Gehts jetzt um Spargelstecher oder um Ärzte? Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass Arbeitskräfte aus Afrika gut behandelt werden.



    Wäre es für Afrika nicht besser, wenn Menschen hier eine Ausbildung, ein Studium absolvieren können und dann ihr erworbenes Wissen zu Hause einbringen können? Statt viele tausend Studenten aus China zu subventionieren, sollte Europa sich hier umorientieren und denen helfen, die es nötig haben.



    Dann lernen wir vielleicht auch was neues.