Shitstorm nach Corona-Vorschlag: „Afrika ist kein Testlabor“
Impfstoffe gegen Ebola wurden im Kongo entwickelt. Geht das auch gegen das Coronavirus? Oder sind dann Afrikaner „Versuchskaninchen“?
„Afrika hat die geringsten Zahlen von Covid-19-Infektionen und Toten weltweit. Und dennoch wollt ihr Impftests in Afrika einführen, als wären wir Laborratten“, kommentiert der kenianische Blogger Bravin Yuri.
„Wenn Bomben gezündet werden in Paris, zeigen wir alle Solidarität, obwohl sie Afrikaner umgekehrt nicht als Menschen betrachten“, so ein anderer, der als Dr Emmanuel of the Most High Geng veröffentlicht.
Selbst Fußballstars zeigen sich empört. „Afrika ist kein Testlabor“, twittert Didier Drogba von der Elfenbeinküste: „Ich möchte diese erniedrigenden, falschen und vor allem zutiefst rassistischen Worte nachdrücklich anprangern.“ Samuel Eto’o aus Kamerun bezeichnete die Ärzte als „Mörder“ und schreibt: „Afrika ist nicht euer Spielfeld.“
„Warum nicht in Afrika?“
Ausgelöst wurde die Empörung durch die Aussagen zweier französischer Mediziner in einer Fernsehtalkshow im französischen Sender LCI am Mittwoch vergangener Woche. Jean-Paul Mira, Chef der Intensivstation des Cochin-Krankenhauses in Paris, und Camille Locht, Chef der Forschungsabteilung des nationalen Gesundheitsinstituts Inserm, diskutierten über mögliche Covid-19-Therapien, darunter die Anwendung der Tuberkuloseimpfung BCG. Locht erwähnte, eine BCG-Versuchsreihe könne in Europa und Australien durchgeführt werden.
Mira ergänzte: „Wenn ich provokativ sein würde – sollten wir diese Studie nicht auch in Afrika durchführen, wo es keine Masken, keine Behandlungen, keine Wiederbelebungsmethoden gibt?“ Er bezog sich im Anschluss auf Testreihen eines HIV/Aids-Impfversuchs, der unter anderem an Prostituierten in Uganda und Südafrika durchgeführt wurde.
Schon im Kampf gegen das tödliche Ebolavirus wurden Impfstoffe in der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda getestet. Der jüngste Ebola-Ausbruch im Kongo geht offiziell dieser Tage nach achtzehn Monaten und über 2.260 Toten zu Ende.
Ein entscheidender Schritt bei der Eindämmung, so die Weltgesundheitsorganisation WHO, gelang Ende 2019 nach der Einführung zweier Impfstoffe, mit denen dann im ostkongolesischen Seuchengebiet rund 290.000 Menschen geimpft wurden. Die Erfolgsrate der Impfung: über 97 Prozent. Sie waren zuvor nie an Menschen getestet worden.
Es ist deswegen kein Zufall, dass die Demokratische Republik Kongo, das am häufigsten vom Ebolavirus betroffene Land, nun als Coronavirus-Impfstofftestgebiet in Betracht gezogen wird.
Verwirrung in Kinshasa
Seuchenexperte Jean-Jacques Muyembe, erst Leiter der Ebolabekämpfung im Kongo und jetzt Vorsitzender der Corona-Taskforce des kongolesischen Präsidenten Felix Tshisekedi, erklärte am vergangenen Freitag, Kongo sei „Kandidat dafür, an seinen Kranken einen Impfstoff zu testen, ob er in den USA, in Kanada oder China hergestellt wird“. Die Versuche könnten im Mai beginnen.
Diese Sätze, so kurz nach den umstrittenen Äußerungen in Frankreich, erzeugten so viel Aufsehen, dass Muyembe zurückrudern musste: „Ich bin selbst Kongolese und werde niemals zulassen, dass die Kongolesen als Versuchskaninchen genutzt werden.“
Tshisekedis Spezialberater für Gesundheitsfragen, Roger Kamba, unterstrich: „Der Präsident der Republik weiß davon nichts.“ Die Überlegung einer Versuchsreihe im Kongo sei „eine Überraschung für alle“ gewesen.
Unterdessen haben sich die beiden Franzosen entschuldigt. In einer Inserm-Erklärung heißt es, klinische Tests des BCG-Impfstoffs würden nun in Europa und Australien durchgeführt. „Sollte es tatsächlich eine Überlegung einer Versuchsreihe in Afrika geben, würde sie parallel dazu verlaufen. Afrika sollte nicht vergessen oder von der Forschung ausgeschlossen werden, denn es ist eine globale Pandemie.“
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