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Lockerungen nach ShutdownDänemark traut sich

Nach Österreich will Dänemark als nächstes europäisches Land schrittweise den Shutdown lockern. Schulen könnten kommende Woche wieder öffnen.

Dänisches Kind im Kofferraum – schon bald kann es vielleicht wieder zur Schule gehen Foto: Claus Bech/imago

STOCKHOLM taz | Landesweite Partys mit Bier vom Fass, Tanz und öffentlichen Massenumarmungen? Nein, soweit sei es noch lange nicht, dämpfte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Montagabend allzu großen Optimismus. Aber ein Osterei konnte sie doch präsentieren: Ab jetzt gehe es nicht mehr um weitere Verschärfungen aufgrund der Corona-Epidemie, sondern um „eine langsame, kontrollierte, schrittweise und vorsichtige Öffnung“.

Bereits ab Mittwoch kommender Woche könnten in Dänemark Kinderkrippen und -gärten, Vorschulen und Schulen bis zur fünften Klasse, sowie Freizeiteinrichtungen für diese Altersgruppe wieder öffnen. Für alle anderen Schulausbildungen gilt weiterhin Unterricht aus der Distanz, Berufsschulen sollen aber vorübergehend zum Ablegen von Prüfungen geöffnet werden können.

Während für Beschäftigte im öffentlichen Sektor weiterhin Arbeit im Homeoffice die Priorität sein soll, werde Privatunternehmen empfohlen, wieder zu einer „normalen“ Arbeitsorganisation zurückzukehren, soweit das auf eine „verantwortungsvolle Art und Weise“ möglich sei. Man werde dafür auch den Verkehr mit Bussen und Bahnen wieder ausweiten.

Möglich sind solche Erleichterungen laut Frederiksen, weil die bisherigen Restriktionen zusammen mit persönlichen Verhaltensregeln – Händewaschen, Abstandhalten und Verzicht auf unnötige Reisen – mittlerweile erste stabile Resultate gezeigt hätten. Die Intensivpflegekapazität der Krankenhäuser sei nicht überschritten worden – im Gegenteil würden die Reserven wieder ansteigen.

Kontrollierte Ausbreitung

Die vorher recht steile Infektionskurve, bei der laut Statistik, die gesicherte Neu- und Altinfektionen miteinander vergleicht, rechnerisch ein Corona-Infizierter 2,4 andere ansteckte, sei nun auf 1,4 gesunken. Noch ist die Rate nicht unter 1 abgesunken, aber das ist laut der staatlichen Gesundheitsbehörde auch nicht das Ziel. Das Virus werde sich ausbreiten und über eine wachsende Durchseuchung werde sich der Immunitätsgrad in der Bevölkerung steigern. Wichtig sei aber eine „kontrollierte“ Ausbreitung.

„Wir haben keine Strategie der Herdenimmunität“, betonte Frederiksen, aber die werde „leider die Konsequenz der jetzigen Situation“ sein. Bis es einen Impfstoff oder effektive Behandlungsmöglichkeiten gebe, werde sich ein Großteil der Bevölkerung angesteckt haben, auch die Zahl der Toten werde steigen. Das müsse man akzeptieren, um die Gesellschaft wieder öffnen zu können.

Sollte die erste Phase der Lockerung erfolgreich verlaufen, will Frederiksen als nächstes Restaurants, Cafés und Friseure wieder öffnen. Bis Ende August werde es weiterhin keine kulturellen Großveranstaltungen wie das Roskilde-Festival geben. Kultureinrichtungen wie Bibliotheken und Kinos müssen zunächst bis 10. Mai geschlossen bleiben, auch Versammlungen von mehr als zehn Personen bleiben bis dahin verboten, ebenso sollen die Grenzen verschlossen bleiben.

Von Beginn an hatten die staatlichen Gesundheitsbehörden nur gezielte Maßnahmen gegen Covid-19 empfohlen, doch Frederiksen entschied sich für umfangreichere Restriktionen. Bei der schrittweisen Lockerung des dänischen Shutdowns bezog sie sich nun ausdrücklich auf Behördenempfehlungen. Die Resultate, die man bislang habe aufbauen können, seien noch ein „Kartenhaus“, sagte Frederiksen. Wenn nun nicht alle geduldig seien, „kann das schneller wieder zusammenfallen, als wir uns das vorstellen können“.

Über Ostern müssen sich die DänInnen noch gänzlich zurückhalten. Die Polizei kündigte an, die Präsenz um 25 Prozent zu erhöhen und verstärkt Kontrollen durchzuführen.

Norwegen will Epidemie unter Kontrolle haben

In Norwegen wagt die Regierung, noch weiter zu gehen: „Wir haben die Coronaepidemie unter Kontrolle“, verkündete Gesundheitsminister Bent Høie am Montagnachmittag. In Norwegen sei die anhand der Zahl von Alt- und Neuinfektionen errechnete wahrscheinliche Ansteckungsrate binnen drei Wochen von 2,5 auf 0,7 gesunken. Der Intensivpflegebedarf nehme von Tag zu Tag ab. Wie es mit den Beschränkungen des öffentlichen Lebens weitergehen soll, will Ministerpräsidentin Erna Solberg am Mittwoch mitteilen.

Ähnlich wie Dänemark hatte Norwegen seine Grenzen abgeriegelt – nur Saisonarbeitskräfte, die in der Fischindustrie und in der Landwirtschaft benötigt werden, dürfen sie noch passieren. Schulen und Kindergärten wurden geschlossen und ein Verbot von Versammlungen von mehr als fünf Personen eingeführt. Auf lokaler Ebene wurden Restaurants geschlossen und Reisebeschränkungen erlassen. Weitreichende Kontaktverbote, wie sie etwa in Deutschland gelten, galten aber weder in Dänemark, noch in Norwegen.

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4 Kommentare

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  • Brainstorming gegen Viren



    Um es vorauszuschicken: ich wäre noch gegen jede Lockerung, die Fallzahlen sind noch zu hoch.



    Andererseits verbreitet ein Artikel im neuen "Stern" und auch einer in der "Welt", beides Zeitungen, die ich nicht abbonniert habe, Hoffnung. Rechtsmediziner Püschel: In Hamburg sei noch niemand an Corona gestorben, nur Hundertjährige mit , nicht durch Corona. Der Stern ermuntert mit seinem Artikel Freiwillige, die Corona überstanden haben, mit ihrer erworbenen mindest teilweisen Immunität, nun anderen zu helfen.



    Da Corona meist schleichend und völlig unentdeckt, aber trotzdem infektiös zuschlägt, sollte man auch zweifelhafte Beobachtungen, wie die ecuadorianische, dass eine untergründige Infektion mit metallischem Geschmack, sonst aber Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, abläuft, ernst nehmen. Trifft ja wohl für jede Art Grippe zu, aber nicht zuletzt auch für eine, die unentdeckt und unbeachtet bleibt. Also, bitte, auch bei solchen, normalerweise unbeachteten Anzeichen, eine Woche Abstand halten, um die Mitmenschen vor einer wahrscheinlich gar nicht vorhandenen Infektion zu schützen!

  • Empfehlungen der Gesundheitsbehörden

    Zitat: „Von Beginn an hatten die staatlichen Gesundheitsbehörden nur gezielte Maßnahmen gegen Covid-19 empfohlen, doch Frederiksen entschied sich für umfangreichere Restriktionen. Bei der schrittweisen Lockerung des dänischen Shutdowns bezog sie sich nun ausdrücklich auf Behördenempfehlungen.“

    Im Klartext: Bei diesen umfangreichen Restriktionen handelte es sich folglich um eher machtpolitische Entscheidungen ohne epidemiologische Evidenz. Wenn die dänische Regierung jetzt erkennbar zurückrudert, wohl nicht ohne Einfluß des schwedischen Vorbildes, und sich dabei „nun ausdrücklich auf Behördenempfehlungen“ bezieht, führt das zu der naheliegenden Frage, warum sie sich nicht schon vor der Allgemeinen General-Immobilmachung davon hat leiten lassen, d. h. sich auf zielgenauere Maßnahmen ohne nationalen Hausarrest konzentriert hat. Dies muß sich nicht nur die dänische Regierung fragen lassen...

  • Dann können wir ja als ehemalige gute Nachbarn beobachten wie die Fallzahlen in DK ab kommende Woche wieder hochgehen werden.

  • Wer steckt denn sein Kind in den Kofferraum?!?