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Hassfigur HoppKnallhart am Journalismus vorbei

Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp bekommt vom ZDF die Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Kritische Nachfragen müssen draußen bleiben.

Zwei Pappnasen in der Kurve: Dietmar Hopp und DFB-Boss Fritz Keller Foto: Mika Volkmann/imago

Die vierte Ausgabe des Neujahrsempfangs der TSG Hoffenheim begann mit einer Überraschung: Moderator Jochen Breyer ließ alle Gäste zunächst aufstehen und sich gegenseitig umarmen. Der Grund: Es war der ‚Weltknuddeltag‘ (Hugging Day).“ Was am 22. Januar auf der Website des Bundesligisten zu lesen war, liest sich in Zeiten des Social Distancing wie ein Bericht aus einer anderen Epoche. Was sich nicht geändert hat: Der oben erwähnte Jochen Breyer, den man im Land vor allem als Moderator des „Aktuellen Sportstudios“ im ZDF kennt, scheint die TSG immer noch für einen Klub zum Knuddeln zu halten.

In der Ausgabe vom vergangegen Samstag hat er Dietmar Hopp interviewt, jenen Mann, der von den Ultras so gehasst wird, weil er seinen Hoffenheimer Dorfklub mit Millionen gepäppelt und unter Umgehung bestehender Regeln in die Bundesliga gehievt hat. Nun, so richtig interviewt hat er ihn nicht. Die Redaktion hat ihm Fragen geschickt, die er per Videobotschaft beantwortet hat. Dietmar Hopp ist nicht mehr der Jüngste und gehört mit seinen 79 Jahren gewiss zur Risikogruppe in diesen Coronazeiten.

Klar, den chauffiert man nicht ins Studio, um ihn von Angesicht zu Angesicht zu befragen. Aber fragen hätte man ihn schon können. So sendete das ZDF zwei PR-Botschaften des Milliardärs und verzichtete auf die Möglichkeit zu Nachfragen. Das mit der Gesundheit des Milliardärs zu begründen, so wie es Breyer in seiner Anmoderation getan hat, darf man getrost als dreist bezeichnen. Mit kritischem Journalismus hat das jedenfalls nur wenig zu tun.

Dabei ist Hopp als Thema in diesen fußballfreien Tagen überaus interessant. Noch einmal aufzuarbeiten, wie es dazu gekommen ist, dass der DFB über seine Schiedsrichter darauf hingewirkt hat, jedwede Kritik an Hopp abzuwürgen und dabei sogar Spielunterbrechungen in Kauf zu nehmen, würde man eben gerne wissen. Ob Hopp vor der durch die Referees durchgesetzten Kurvenbereinigung mit dem Verband gesprochen hat, hätte man fragen können.

So viele Fragen

Interessant wäre auch zu erfahren, warum er gegen Fans, die Gesänge gegen ihn anstimmen und die durch den Einsatz hochempfindlicher Richtmikrofone identifiziert worden sind, Strafanträge wegen Beleidigung auf den Weg bringt, obwohl er auch schon gesagt hat, dass der gegen ihn geäußerte Unmut an ihm abprallen würde. Zu seiner Rolle als Vorreiter des Investoren- und Mäzenatenfußballs in Deutschland könnte man auch ein paar Fragen stellen. Es gäbe vieles, was man gerne wissen möchte. Was man bekommen hat, war fehlerfrei vorgetragene Eigenwerbung, in der ein Angebot an die Ultras gemacht wird, das eigentlich gar keines ist. Die sollen nämlich die Klappe halten, dann wäre für Hopp die Sache erledigt.

Und dann war da noch etwas. Im ersten seiner beiden Statements durfte Hopp über die Fortschritte der Biotechnologiefirma CureVac berichten, an der er beteiligt ist. Die arbeitet an einem Impfstoff gegen Corona. Hopp meinte, ein solcher Impfstoff könne, wenn alles ideal laufe, im Herbst zur Verfügung stehen. Was das mit der TSG Hoffenheim zu tun hat? Hmm.

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Andreas Rüttenauer
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13 Kommentare

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  • Mit dem Impfstoff der Firma CureVac lehnt sich der Herr Hopp aber weit aus dem Fenster: Noch gibt es gar keine klinischen Tests, und die dauern auch unter beschleunigten Verfahren viele Monate. Das wird nichts mehr bis zum Herbst. Vielleicht meinte er ja auch Herbst 2021...

  • Das ist ja auch kein Sportjournalismus, es ist Moderation und in seltenen lichten Momenten evtl. sogar so etwas wie Berichterstattung, aber zu keinem Zeitpunkt Journalismus. Hajo Seppelt als Positivbeispiel macht Journalismus, die Allermeisten Anderen moderieren eben nur die Spiele.



    Ich halte da meine Gebühren zwar für völlig verschwendet, sehe da auch nicht gleich „Lügenpresse“, sondern eher eine fast schon als dement einzuordnende kollektive Grundnaivität.



    Bayersdorf, Gazprom, Kind, Mateschitz, soll ich mich da noch über Hopp ereifern?

  • Das Problem ist nicht Hopp. Das Problem ist und bleibt der DFB. Hopp ist zur Symbolfigur geworden, weil man ihm A: für sein Spielzeug wettbewerbsverzerrende Sonderrechte gewährt hat, weil man jede sachliche Kritik daran ins Leere laufen lassen hat, weil man nicht deeskaliert hat, als Hopp angefangen hat, überzogen juristisch und technisch gegen Kritiker vorzugehen.

    Die Fadenkreuzgeschichte war eigentlich schon beim ersten Mal falsch. Daran gibts nichts schönzureden. Das ist zig Jahre her und stammt ursprünglich aus einem hochgeschaukelten Kleinkrieg von (BVB) Ultras gegen die TSG Hoffenheim und hat sich über Jahre zu einem fragwürdigen Symbol manifestiert.

    Und während man Jahre lang kaum auf rassistische Ausfälle in Stadien reagiert hat, vor allem nicht mit drastischen Mitteln wie Zuschauerausschluss und Spielabbruch, wendet man erstmalig bei Protesten gegen Hopp ein Mittel an (3 Stufen Plan), das explizit gegen Rassismus eingeführt wurde.

    Dass er anderso einen guten Job macht, dass er die Region fördert, alles in Ehren. Das hat aber mit dem Thema nix zu tun.

    Und Sportjournalismus, der ihm kritiklos eine Bühne bietet, sich jetzt als Heiland zu profilieren, ohne auf dabei die Hintergründe des Disputs einzugehen ist schlichtweg billig.

    Erneut eine vertane Chance, ein wenig gegenseitigesVerständnis zwischen die verhärteten Fronten zu bringen.

    • @Deep South:

      Warum gibt es hier "verhärtete Fronten"?



      Dafür gibt es nur einen Grund. Sportkonsumenten, aka Zuschauer, nehmen sich für wichtiger als das Event selbst - das gibt es nur beim Fußball. Und, traurig genug, für viele von ihnen ist dieser Konsum keine Freizeitgestaltung, sondern Lebensinhalt.

      • @Trango:

        Na, das is ja grad das, worum's geht. Ein Verein besteht klassich aus Mitgliedern und die müssen laut DFB Statut mindestens 51 % der Anteile am Verein inne haben. Die Fans in den Kurven sind Vereinsmitglieder. Und die setzen sich halt für ihre Rechte, gegen Wettberwerbsverzerrung, gegen die Abschaffung von Stehplätzen, gegen überteuerte Eintrittspreise, gegen die vollkomene Eventisierung ihres Sports ein.

        "Kosumenten" wollen halt bei ihrer Wochenends TV-Berieselung nicht durch igrendwelche Proteste gestört werden. Und denen isses halt auch Wurscht, wenn sich Milliardäre und Konzerne Ausnahmen von dieser Regelung erkaufen und ihren Spielzeugen bzw. Marketinprojekten damit Wettberwerbsvorteile verschaffen.

  • Ich fand das interview im ZDF richtig gut. Was vor allem an der Persönlichkeit des Herren Hopp lag.

  • Was das ZDF gesendet hat, war zwar Eigenwerbung als Antwort auf die erste Frage, aber: die Vollidioten, die Fadenkreuzplakate im Stadion zeigen, sind nicht in der Lage zu überblicken, was Hopp gesellschaftlich leistet. Ich bin zwar der Meinung, dass ein Impfstoff nicht bis zum Herbst verfügbar sein wird, aber seine Anstrengungen sind ehrenwert, wenngleich er weitere zig-Millionen damit verdienen wird. Die hat er sich verdient. Nur kein Neid, wenn Menschen ihre Möglichkeiten für Gesellschaften einsetzen, die wirklich allen zugute kommen. Ansonsten Zustimmung meinen beiden vorigen Kommentatoren.

  • ...also das Sportjournalisten im Fernsehen in der Regel eher devot befragen, ist weder neu, noch auf den Fussball beschränkt. Positive Ausnahmen, wie Hajo Seppelt sind da leider eine Ausnahme. Ich höre mir jendefalls das Geschwätz der oft selbstverliebten Sport-Moderatorne nicht an.....

  • Knallhart am Journalismuss vorbei



    ist auch diese Kolumne von Herrn Rüttenauer. Ich habe die erwähnte Sendung im „Aktuellen Sportstudio“ nicht gesehen, wohl aber habe ich mir vor den Zeiten von Corvid-19 oft die BL Spielberichte in der Sportschau der ARD angesehen. Herr Rüttenauer schreibt „dass der DFB über seine Schiedsrichter darauf hingewirkt hat, jedwede Kritik an Hopp abzuwürgen“. Was ich da aber bei mehreren Spielen der TSG Hoffenheim im TV beim Schwenk in der Block der Gästefans gesehen (grosse Portraits von Herrn Hopp mit ihm im Fadenkreuz) und auch gehört habe (e.g. Hopp du Hurensohn) als „Kritik“ zu bezeichnen ist ein Euphemismus. Oder was hätte der Autor geschrieben, wenn genau solche Plakate und „Gesänge“ gegen einen Spieler gerichtet worden wäre, der etwa eine andere Hautfarbe hat ?



    In der Kolumne wird auch berichtet, dass Herr Hopp die TSG „unter Umgehung bestehender Regeln“ unterstützt hat. Welche „Regeln“ dies sind und wer diese aufgestellt hat wurde leider nicht erwähnt. Offensichtlich handelt es sich hier aber um keine geltenden Gesetze, sonst wäre gegen Herrn Hopp schon längst geklagt worden.



    Diese Kolumne ist ziemlich frei von Fakten, dafür voller Moral – eben „betreutes lesen“. Und dazu tendenziös: das Plakat von Herrn Hopp mit Pappnase, das im Artikel gezeigt wurde, ist natürlich akzeptable Kritik. Aber solche Aktionen geht und ging es gar nicht. Im CV von Herrn Rüttenauer steht: „Von April 2014 bis September 2015 war er Chefredakteur der taz. Jetzt treibt er wieder Sport“. Beim Sport sollte er auch weiterhin bleiben.

  • Hoert sich jetzt alles ehrlich gesagt nicht so dramatisch an.

    Strafantraege wegen Beleidigung? Dieses Recht steht jedem zu, Renate Kuenast genauso wie Dietmar Hopp. Es spricht nicht fuer die taz, dass man Wirtschaftskapitaenen dieses Recht ab-, linken Politikerinnen dieses Recht aber zusprechen will. Da muss wohl noch etwas am Demokratieverstaendnis gefeilt werden.

    Den Verein unter Umgehung bestehender Regeln in die Bundesliga gehievt? Welche Regeln wurden denn da umgangen? Und wenn, warum ist das jetzt so schlimm? An den Werksklubs Wolfsburg und Leverkusen stoert sich auch keiner. Im Uebrigen hat Hoffenheim auf dem Weg in die 1. Liga immer auf junge Spieler gesetzt (so wie jetzt RB Leipzig) und nicht wie der FC Bayern den andern Klubs die Spieler weggekauft.

    • @La Bahia:

      "Den Verein unter Umgehung bestehender Regeln in die Bundesliga gehievt? Welche Regeln wurden denn da umgangen? Und wenn, warum ist das jetzt so schlimm?"

      Warum es so schlimm ist, wenn für einen Milliardär eine Ausnahmeregel geschaffen wird, mittels derer er einen Dorfclub mit einer halben Milliarde vollpumpen, für andere Vereine bestehende Anteileignerstrukturen umgehen kann und mit einer so geschaffenen Sonderlizenz erhebliche Vorteile auf dem Weg der sportlichen Qualifikation und des Wettbewerbs erhält? Während traditionelle Clubs aus der Region mit tausenden Mitgliedern diese Vorteile nicht haben. Könnte man sich auch selbst erklären.

      An den Werksclubs aus Leverkusen und Wolfsburg gibt es ebenfalls Kritik. Das sind aber Vereine, die sich sportlich ohne große Umwege für den Profifußball qualifiert haben und die als eben bereits als Werksmannschaften gegründet wurden.

      Und zur "Jugendarbeit" von RB kannste dich ja mal bei den traditionellen Ostclubs umhören, wie und unter welchen Umständen die Dutzende ihrer Talente alle an das Nachwuchsleistungzentrum Leipzig verloren haben.

      Aber dafür muss man ja mal ein bisserl tiefer in die Materie gehen, als alberne Stammtischphrasen über den FC Bayern zu zitieren.

    • @La Bahia:

      Hoffenheim setzte ganz klar auch auf Eigengewächse. An welcher Stelle aber tat das RB Leipzig? Den Statistiken nach haben Eigengewächse bei der TSG Hoffenheim dieses Jahr 106 Pflichtspiele absolviert. Bei RB Leipzig sind es 0 (!). Beim FC Bayern sind es 591. Nur Freiburg und Dortmund setzen ihre Eigengewächse noch mehr ein. An dieser Stelle kann man den Bayern also wirklich keinen Vorwurf machen.

      • @DeGeBe:

        Auch wenn der Kommentar schon 1Jahr alt ist :) zu Leipzigs Nachwuchs kann man auch die Eigengewächse/Nachwuchs der Transfers von RB Salzburg zählen und diese widerrum auch von Liefering. Gehört alles dem selben "Konzern" an. Traurig aber leider wahr.